Nachhaltige Fahrzeug-Beschaffung: Gebraucht, gemietet oder geteilt?
Bei der Beschaffung von Kommunalfahrzeugen sind unzählige Fragen zu Bedürfnissen, Antriebsarten, Kosten und Nachhaltigkeitskriterien zu klären. Doch zuerst stellt sich die Frage: Muss es überhaupt ein neues Fahrzeug sein? Alternativen gibt es genug.
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Vor dem Neukauf eines Fahrzeugs kann es sich lohnen, auch alternative Beschaffungsangebote wie die Miete zu prüfen.
Von Eva Hirsiger*
Immer mehr der 2148 Schweizer Gemeinden befassen sich mit der nachhaltigen Beschaffung und berücksichtigen beim Einkauf ökologische und soziale Aspekte – auch bei Kommunalfahrzeugen. Und gerade in der Fahrzeugflotte stecken hohe Investitionen, während der Markt sehr schnelllebig und der technische Fortschritt rasant ist. Deshalb lohnt es sich, alternative Beschaffungsmodelle genauer unter die Lupe zu nehmen.
Neu oder gebraucht
Kosten sparen und gleichzeitig Ressourcen schonen – das geht mit der Anschaffung von Gebrauchtwagen. Ein Fahrzeug verliert im ersten Jahr bis zu 25 Prozent seines Werts, danach rund 10 Prozent pro Jahr. Ein Unternehmen, das gebrauchte Kommunalfahrzeuge anbietet, ist die Viktor Meili AG. Auf ihrer Website stehen verschiedene Fahrzeug-Typen zur Auswahl, die der Fahrzeughersteller wieder auf Vordermann gebracht hat. Allerdings sei der Kauf von Kommunalfahrzeugen aus zweiter Hand nicht sehr verbreitet bei Gemeinden, wie CEO Manuel Meili sagt. Die ausgemusterten Fahrzeuge – meist mit starken Gebrauchsspuren – gehen in der Regel in den Export.
Den Kauf eines Occasion-Kommunalfahrzeugs gewagt hat die Luzerner Gemeinde Giswil: Sie hat 2020 aus einer Liquidation einen gut erhaltenen Ford-Transporter erstanden. Bisher seien die Erfahrungen sehr gut, bestätigt der Leiter des Werkhofs, Rico Wenger. «Wir haben das Fahrzeug, das wir eher zufällig im Internet gefunden hatten, mit 30‘000 Kilometern übernommen und sind seither sehr zufrieden. Finanziell hat es sich auf jeden Fall gelohnt.»
Dass sich die Gemeinde bei künftigen Fahrzeuganschaffungen wieder auf dem Occasionsmarkt umsieht, schliesst Wenger nicht aus. «Bei spezifischen Anforderungen wie zum Beispiel einem Unterfahrbodenschutz oder einer zweiseitigen Schiebetür für unsere Abteilung Wasserbau ist es aber fast unmöglich, bei den Gebrauchten fündig zu werden. Und andere Fahrzeuge wie Strassenkehrmaschinen sind oft sehr lange im Einsatz, so dass sie gar nie auf dem Occasionsmarkt landen.»
Teilen, leasen oder mieten?
Eine Alternative zu einem Fahrzeugkauf ist das Carsharing, insbesondere wenn der fahrbare Untersatz nur sporadisch benötigt wird. In der Landwirtschaft hat es sich schon längst etabliert, dass mehrere Betriebe teure Mähdrescher oder Traktoren gemeinsam anschaffen und nutzen. Auch bei Kommunalfahrzeugen wäre dieser Ansatz denkbar, beispielsweise für Kehrichtfahrzeuge, die nicht täglich ihre Tour fahren, oder Fahrzeug-Aufbauten, die lediglich zu bestimmten Zeiten in Gebrauch sind. Bei Winterdienstfahrzeugen, die zur gleichen Zeit benötigt werden, wenn es in der Region kräftig schneit, dürfte sich das Teilen des Schneepflugs mit der Nachbargemeinde hingegen schwieriger gestalten.
Weit verbreitet ist das Teilen von Fahrzeugen hingegen bei Personenwagen. Neben dem bekannten Angebot von Mobility bieten inzwischen zahlreiche weitere Anbieter die Möglichkeit, ein Fahrzeug gemeinsam zu nutzen oder auch sein eigenes zu diesem Zweck zur Verfügung zu stellen. Auch die Gemeinden setzen bei Personenwagen immer mehr auf Sharing, anstatt mehrere Fahrzeuge anzuschaffen. Zum Beispiel die Gemeinde Eschenbach (SG): Ein zentral stationiertes Elektroauto des Anbieters Sponti-Car kann sowohl von den Mitarbeitern der Gemeinde als auch von der Bevölkerung genutzt werden. Ein ähnliches Modell hat Melchnau (BE) erfolgreich umgesetzt.
Keine bösen Überraschungen
Im Schweizer Fahrzeugmarkt ist das Leasing – vor allem bei Personenwagen – weit verbreitet: 17 Prozent der Autos sind geleast. Je nach Vertragsart tragen Leasingnehmer dabei gewisse Risiken wie die Wartung, Instandhaltung oder Versicherung des geleasten Fahrzeugs. Anders ist dies beim Mietmodell: Reparaturen oder Service sind im Mietpreis inbegriffen und die vermietende Firma trägt das Risiko vollumfänglich. Im Falle eines Defekts hat sie zudem zeitnah für ein Ersatzfahrzeug zu sorgen.
Die Vorteile des Mietmodells überzeugten die Stadt Buchs (SG). Vor knapp fünf Jahren hat die Stadt mit über 13‘000 Einwohnern zum ersten Mal einen Mietvertrag für ein Kommunalfahrzeug abgeschlossen. Es handelt sich dabei um einen sogenannten Geräteträger, der für Wischarbeiten, zum Rasenmähen und auch im Winterdienst während rund 800 Stunden pro Jahr zum Einsatz kommt. Die Stadt hat damals verschiedene Angebote für Kauf und Miete eingeholt, überzeugt hat schliesslich ein Mietangebot der Firma Hako.
Der Werkhofleiter Beat Cerny erinnert sich: «Neben den wirtschaftlichen Überlegungen spielte auch etwas ‹Pioniergeist› mit und wir wollten einer neuen Art der Beschaffung eine Chance geben.» Im Herbst 2022 läuft der Mietvertrag aus. Cerny zieht Bilanz: «Wir sind sehr zufrieden mit dem Full-Service-Angebot, bei dem auch Verschleissmaterial inbegriffen ist. Die wenigen Male, die das Fahrzeug einen Defekt aufwies, wurde es entweder innert 24 Stunden fachgerecht repariert oder wir haben umgehend ein Ersatzfahrzeug erhalten. Auf diese Weise tragen wir kein Risiko.»
Für Cerny steht fest: Die Stadt Buchs wird auch in den kommenden fünf Jahren einen Geräteträger mieten statt kaufen – mit dem Vorteil, von neuen technischen Entwicklungen profitieren zu können. Unter dem Strich habe sich die Langzeitmiete mit der inbegriffenen Wartung auch finanziell gelohnt.
Wohin geht der Trend?
Trotz der guten Erfahrungen im St. Galler Rheintal werden in der Schweiz noch kaum Kommunalfahrzeuge gemietet. Ganz anders sei dies bei unseren nördlichen Nachbarn, wie Bernhard Kerscher, CEO beim Nutzfahrzeug-Vermieter Business Fleet Swiss AG, weiss: «In Deutschland mieten bereits zahlreiche Gemeinden ihre Kommunal- oder Spezialfahrzeuge. Dadurch entfällt der hohe initiale Investitionsaufwand und die Miete erleichtert die Umstellung auf Elektroantrieb, das Abfangen von saisonalen Spitzen und die bedarfsgerechte Wartung.»
Kerscher geht davon aus, dass auch in der Schweiz Mietmodelle salonfähig werden. Dabei haben sowohl kurz- wie auch langfristige Mietmodelle ihre Vorteile: Sie ermöglichen es einerseits, einen kurzzeitigen Mehrbedarf an Fahrzeugen – etwa in einem schneereichen Winter – abzudecken. Andererseits sind bei einer langfristigen Bindung bessere Mietkonditionen möglich. Der fest vereinbarte Mietzins gibt den Gemeinden Planungssicherheit und Kostentransparenz. Das Risiko aufwändiger und unvorhersehbarer Reparaturen trägt nicht der Mieter, sondern der Vermieter.
Bedarf kennen und sich austauschen
Bevor sich eine Gemeinde für ein Modell entscheidet – ein neues oder ein gebrauchtes Fahrzeug zu kaufen, eines zu teilen oder zu mieten – sollte sie sich vertieft mit ihrem Bedarf auseinandersetzen. Was muss ein Fahrzeug leisten, wann wird es jeweils gebraucht, für welches Terrain und welche Arbeiten? Zudem sollten sich die Beschaffungsverantwortlichen mit den entscheidenden ökologischen Aspekten auseinandersetzen und den Wartungsaufwand beziehungsweise die Lebenszykluskosten in die Überlegungen einbeziehen.
Nach der Bedarfsanalyse gilt es, die verschiedenen Möglichkeiten auf dem Markt zu prüfen: Welche Anbieter von Kommunalfahrzeugen gibt es und welches Angebot deckt die Bedürfnisse am besten? Empfehlenswert ist dabei auch der Austausch mit den Nachbargemeinden: Möglicherweise hat die eine oder andere bereits eine interessante Lösung gefunden oder benötigt sogar aktuell ein ähnliches Fahrzeug, das sich teilen liesse.
*Eva Hirsiger ist Projektleiterin öffentliche Beschaffung bei Pusch – Praktischer Umweltschutz, Zürich. www.pusch.ch
Weitere Informationen
Weitere Informationen und Merkblätter zur nachhaltigen Beschaffung – gerade auch zur Produktgruppe der Fahrzeuge – stehen in der Toolbox Nachhaltige Beschaffung Schweiz auf der Wissensplattform nachhaltige öffentliche Beschaffung (WÖB) zur Verfügung.