Mit Pulver-Aktivkohle gegen Mikroverunreinigungen
Sie schwimmen zwar nur in geringen Mengen in unseren Gewässern, trotzdem stellen sie eine Gefahr für die Lebewesen im Wasser dar: die sogenannten Mikroverunreinigungen. Sie stammen unter anderem von Körperpflegeprodukten, Medikamenten, Pflanzenschutzmitteln oder chemischen Verbindungen der Textilindustrie. Auch Hormone aus der Anti-Baby-Pille gelangen übers Abwasser in die Flüsse und Seen.
Für Menschen sind die Konzentrationen zwar ungefährlich, bei Fischen können diese Stoffe aber die Fortpflanzung beeinträchtigen oder zu Organschäden und Verhaltensstörungen führen.
An verschiedenen Orten in der Schweiz entstehen darum gegenwärtigAbwasserreinigungsanlagen (ARA) mit einer zusätzlichen Reinigungsstufe, um diese Mikroverunreingungen auch aus dem Abwasser zu bringen. Ein Standort ist Herisau AR.
Kein ungetrübtes Gewässer
Herisau ist nicht ohne Grund für die Pionieranlage ausgewählt worden. Die ARA Bachwis reinigt das Abwasser von rund 34 000 Personen, bevor es in die Glatt fliesst. Aufgrund der hohen Besiedlungsdichte gilt die Glatt seit jeher als stark belastetes Gewässer. In Herisau gibt es nicht nur zwei Kantonsspitäler, viele Arzt- und Zahnarztpraxen, sondern auch mehrere Betriebe der Textilindustrie, welche eine vergleichsweise hohe Konzentration von Schadstoffen ins Abwasser führen.
Daher erstaunt es nicht, dass die Glatt die Anforderungen der Gewässerschutzverordnung an die Wasserqualität trotz mehrerer Massnahmen nach wie vor nicht erfüllt: Die Glatt führt nicht nur zu viel Salz, im Wasser des Flusses hat es auch zu viel Phosphor.
Belastet ist die Glatt darüber hinaus mit schwer abbaubaren organischen Verbindungen, die mit herkömmlichen chemischen und biologischen Mitteln der Kläranlagen nicht aus dem Abwasser gebracht werden können.
Dies äussert sich in erster Linie in Überschreitungen der Grenzwerte für gelösten organischen Kohlenstoff (DOC) sowohl im gereinigten Abwasser der ARA Bachwis in Herisau und der ARA Oberglatt in Flawil als auch in der Glatt selbst.
Mit der zusätzlichen Reinigungsstufe wird eine Reduktion der Verfärbung des Wassers, von schwer abbaubaren und von Schaum bildenden Substanzen sowie von Mikroverunreinigungen angestrebt. Ein erheblicher Anteil der schwer abbaubaren Stoffe, die zeitweise Verfärbung des Gewässers und die Schaumproblematik sind in Herisau auf das Betriebsabwasser der Cilander AG zurückzuführen. Das Textilunternehmen beteiligt sich mit fast einer Million Franken an den Investitionskosten von 4,7 Millionen Franken. Der bewilligte Anteil der Gemeinde Herisau beträgt 1,75 Millionen Franken.
Aktivkohle statt Ozon
In der Schweiz sei die PAK-Anlage der ARA Bachwis die erste dieser Art, sagt die Herisauer Gemeinderätin Regula Ammann-Höhener. In Süddeutschland seien wenige vergleichbare Anlagen bereits seit zehn Jahren erfolgreich in Betrieb.
In diesen Tagen wird in der ARA Bachwis erstmals dem Abwasser Pulver- Aktivkohle beigemischt. Die bisherige Reinigungsstufen und die neue PAK-Stufe müssten optimal aufeinander abgestimmt werden, so Ammann-Höhener.
Nach einer durchschnittlichen Verweilzeit von rund 20 Tagen im Abwasser wird die mit Schmutzstoffen beladene Pulver-Aktivkohle mit Hilfe der Sedimentationsbecken wieder aus dem System entfernt und zusammen mit dem übrigen Klärschlamm entsorgt.
«Wir gehen davon aus, dass sich die Wasserqualität der Glatt sehr schnell verbessert», sagt Regula Ammann-Höhener. Vermutlich gehöre die ARA Bachwis dann zu den besten Kläranlagen der Schweiz.
Mikroverunreinigungen können auch mit Ozon reduziert werden. Aufgrund der vorhandenen übrigen Abwasserinhaltstoffe ist dieses Verfahren bei der ARA Bachwis aber wenig Erfolg versprechend.
100 Anlagen aufrüsten
In den nächsten 20 Jahren sollen in der Schweiz rund 100 der 700 Kläranlagen aufgerüstet werden, damit möglichst keine Kleinst-Verunreinigungen mehr in die Gewässer gelangen. Der Anteil von Mikroverunreinigungen soll damit um bis zu 70 Prozent reduziert werden. (sda/aes)