Mediterranes im Stadtgrün
Der Klimawandel erfordert Anpassungen bei den städtischen Grünflächen. Trockenheitsresistente Baumarten aus der Balkanregion werden die Schweizer Stadtbäume der Zukunft. Dies zeigt eine Studie am Beispiel der Stadt Bern.
Quelle: Stadtgrün Bern
Der langsamwüchsige Baumhasel kommt in Bern häufig auf Privatgeländen vor. Corylus wurde vor 20 Jahren als Zukunftsbaum bezeichnet. Dieser hat sich aber gerade im städtischen Bereich nicht als tauglich erwiesen.
In den Städten stehen heisse Zeiten an: In der Region Zürich wird bis 2050 die durchschnittliche Zahl heisser Tage, also von Tagen, an denen es über 30 Grad Celsius heiss wird, um zehn Prozent steigen. Dazu kommen zwölf Prozent mehr sogenannte «tropische Nächte», in denen die Temperatur nicht unter 20 Grad sinken will. Diese Zahlen stammen aus einer Klimastudie des Karlsruher Institutes für Technologie (KIT) über die Klimaentwicklung in Europa zwischen 2020 und 2050. Einen Vorgeschmack hat der Sommer 2017 gegeben. Damals wurden in Basel gleich vierzig Tropennächte gemessen.
Details entscheiden
Der Bericht «Klimaänderungen und die Schweiz 2050» des Bundes geht von einer durchschnittlichen Erwärmung um 3 Grad Celsius im Sommer und 2 Grad in den übrigen Jahreszeiten aus. Dabei werden die Niederschlagsmengen im Winter um 10 Prozent zu- und im Sommer um 20 Prozent abnehmen. All das hat unweigerlich auch Auswirkungen auf die Pflanzenwelt und somit auf das Stadtgrün. Manche Baumarten wird man künftig seltener sehen, da sie Schwierigkeiten haben, sich an die Veränderungen anzupassen.
Tiere und Pflanzen, die an warme und trockene Habitate angepasst sind, sind im Vorteil. Der Wärmeinseleffekt der Städte verstärkt die Probleme schliesslich noch. Linderung verschaffen sollen neben vielen anderen Massnahmen auch begrünte Fassaden und Plätze.
Dabei kommt es häufig aufs Detail an. So hat die Technische Universität München (TUM) nachgewiesen, dass sich Winterlinden besonders gut als «Klimaanlagen» für städtische Plätze eignen. Allerdings transpirieren sie nicht in jeder Umgebung gleich stark. Die Bäume kühlen den Asphalt durch die Verdunstung unter ihren Kronen um bis zu 20 Grad und die Luft um bis zu 2 Grad Celsius ab. Allerdings erreichen sie ihre «maximale Kühlleistung» nur, wenn sie auf offen angelegten Plätzen in Grünstreifen wachsen. «Um Hitze in den Städten zu reduzieren, wäre es sinnvoll, mehr offene Räume und Plätze zu schaffen. Damit können wir das Kühlungspotenzial der Bäume direkt beeinflussen», so TUM-Forscher Mohammad Rahman.
Der Pflanzenökologe rät dazu, die Bäume nicht in kleine Baumscheiben im Pflaster zu pflanzen, weil das die Kühlwirkung bremse. In Grünstreifen gepflanzte Bäume kühlten erhitzte Randschichten sehr viel schneller.
Tschüss Linde und Kastanie
Baumschulen und Stadtgärtner stellen sich bereits auf die klimatischen Veränderungen ein. «Der Bergahorn wird mittelfristig aus der Stadt verschwinden, das weiss man natürlich längst. Im Moment ist er nach Spitzahorn und Platane die dritthäufigste Baumart auf öffentlichem Berner Grund», stellt Peter Kuhn, Leiter des Baumkompetenzzentrums von Stadtgrün Bern, mit Bedauern fest. Auch Rosskastanie und Sommerlinde dürften wegen der zunehmenden Trockenheit vermehrt Schwierigkeiten bekommen. «Man wird solche Bäume nicht mehr im Strassenraum pflanzen. Aber natürlich wird man eine alte Kastanienallee so lange wie möglich erhalten. Das heisst eben auch, dass man sie künftig bewässern muss.
Lediglich die Eschen werden wegen des Eschentriebsterbens (siehe «Wenn ein Pilz Parkbäume fällt», Kommunalmagazin 3/2018, Artikel online noch nicht verfügbar) wohl auch in Bern völlig ausfallen.
In Bern werden etwa zwei Drittel der zweihundert Bäume, die alljährlich ersetzt werden müssen, auch selbst von den Stadtgärtnern gezogen. Kuhn: «Sie kommen einfach besser mit dem Klima zurecht, wenn sie aus der Region kommen. Mit gekauften Bäumen haben wir häufiger Probleme.» Die Weiterentwicklung des genetischen Materials und somit auch die laufende Anpassung ans herrschende Klima ist für Kuhn ebenfalls zentral: «Es wird kaum noch veredelt, damit wird ja nur Bestehendes geklont. Wir versuchen, unsere Bäume so weit wie möglich aus Samen zu ziehen.»
Bäume aus dem Balkan
Künftig werden Bäume das Stadtbild prägen, die heute in der Balkanregion verbreitet sind. «Dort herrscht in etwa das Klima, das wir für die Schweiz in vierzig Jahren erwarten», erläutert Oliver Gardi. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Berner Fachhochschule und hat dort an der Studie «Urban Green and Climate Bern» mitgearbeitet.
Zudem werden in der Schweiz bereits vermehrt heimische trockentolerante Baumarten in den Städten gepflanzt, etwa der Schneeballblättrige Ahorn oder die Blumenesche. Auch andere Arten, die südlich der Alpen heimisch sind – wie Hopfenbuche, Zürgelbaum oder Steineiche – werden häufiger gepflanzt werden als bislang. Ziel ist es, möglichst robuste Arten zu pflanzen. Es wird aber eine bunte Mischung angestrebt. Dies auch, um grössere Ausfälle etwa durch Schädlinge zu vermeiden: Platanennetzwanze, Buchsbaumzünsler oder Kastanienminiermotte haben gezeigt, dass man solche Schädlinge im Grunde nicht mehr beseitigen kann, wenn sie sich erst einmal etablieren konnten.
Für die Studie der Berner Fachhochschule wurden auch Klimamessstationen in der Hauptstadt aufgestellt. «So konnten wir nachweisen, dass es den Hitzeinseleffekt in Parkanlagen nicht gibt. Sie kühlen bereits in den frühen Abendstunden ab», berichtet Gardi.
Auch der städtische Baumbestand Berns wurde in der Studie bewertet. Der Forscher berichtet: «Etwa die Hälfte der Bäume zeigt bereits Erscheinungen reduzierter Vitalität aufgrund von Trockenstress.» Es trifft, wie zu erwarten, vor allem die Strassenbäume. Grundsätzlich zeigte sich, dass die Vitalität stark vom Standort abhängt – je naturnäher dieser ist, desto vitaler auch der Baum.
Mehr Wurzelraum
Beim Pflanzen neuer Bäume wird mehr Sorge als früher darauf gegeben, dass sie ein möglichst grosses erschliessbares Bodenvolumen für die Wurzeln bekommen, da sonst die Bewässerung verstärkt werden müsste. Einige Stadtgärtnereien darunter diejenigen in Bern und Basel, haben bereits spezielle Substrate entwickelt, die auch bei Verdichtung noch Hohlräume lassen, wenig Streusalz binden und gut durchlüften. Hauptbestandteile sind entsprechend Granitsplitt und Humus.
Peter Kuhn hat das Granulat im vergangen Jahr in Bern zum ersten Mal eingebaut und es bewies seine Qualitäten bereits in einem ersten Härtetest: «Der Sommer war ja ausgesprochen trocken. So konnten wir ausführlich üben und es zeigte sich, dass sich das Substrat deutlich besser bewässern lässt als gewöhnlicher Boden.»
Und manchmal muss es auch gar nichts Neues sein, sondern es wird Altbewährtes wieder zu Ehren geführt: Da nämlich seit ein paar Jahren vermehrt jüngere Bäume ersetzt werden müssen, die Hitzeschäden am Stamm erlitten, schützt nun in Bern – und nicht nur dort – wieder ein klassischer weisser Stammanstrich die junge Rinde vor Sonnenbrand. Ein fast schon vergessenes Bild.
Manche Bäume steigern die Ozonbelastung
Ozon stellt während Hitzeperioden ein ernsthaftes Gesundheitsproblem in Städten dar. Bäume können zahlreiche Schadstoffe absorbieren. Nicht alle Baumarten aber sind unter diesem Aspekt eine gute Wahl. Manche tragen an heissen Tagen sogar noch zur Ozonbildung bei. Sie stossen gewisse Stoffe aus, sogenannte biogene flüchtige organische Verbindungen (Biogenic Volatile Organic Compounds (BVOC)).
Der bekannteste darunter ist Isopren, ein hoch reaktiver und wichtiger Ozonvorläufer, aus dem sich schon bei geringen Stickoxid-Konzentrationen Ozon bilden kann. Die Freisetzung von Isopren hängt stark von der Blatttemperatur ab, so dass die höchsten Emissionsraten zur heissen Mittags- und Nachmittagszeit auftreten. Zu den bekannten Isoprenquellen gehören beispielsweise Roteichen, Platanen, Robinien und Schwarz-Pappeln.
An aufgeheizten Orten kann die Ozonkonzentration durch sie markant ansteigen. Die Wirkung der Bäume ist artspezifisch, hängt aber auch vom physiologischen Status der Bäume und der Intensität von Trockenoder Salzstress ab.
Unter dem Aspekt der Ozonbildung nicht zu empfehlen sind einige Arten, deren Beitrag zur Ozonbildung auch dann positiv bleibt, wenn man ihre Absorptionsfähigkeiten sorgfältig herausrechnet. Dazu zählen Pappeln, Sumpfeichen (Quercus palustris), Stieleichen (Quercus robur) und Silberweiden (Salix alba). Sie gehören ohnehin nicht zu den häufigsten Stadtbäumen – eine Neuanpflanzung sollte man aber je nach Standort unter diesem Aspekt gründlich abwägen.