Massgeschneiderter Brandschutz für Sanierung Schulhaus Pestalozzi
Nach über 100 Jahren Schulbetrieb wurde das Schulhaus Pestalozzi Thun umfassend saniert. Bei solchen Projekten gehen die Anforderungen von Denkmalpflege und Brandschutz oft diametral auseinander. Das Beispiel zeigt jedoch: In enger Zusammenarbeit lassen sich Lösungen finden, die für alle Beteiligten passen.
Von Beat Neuenschwander *
«Peschu» – so wird das Schulhaus Pestalozzi von den Bewohnerinnen und Bewohnern der Stadt Thun liebevoll genannt. Erbaut wurde es in den Jahren 1907 bis 1909 nach dem Entwurf der Thuner Architekten Grütter und Schneider. Mit seinem Barockstil ist es ein imposanter Zeitzeuge und auch nach mehr als 100 Jahren Schulbetrieb war das robuste Gebäude noch in einem erstaunlich guten Zustand. Trotzdem bestand Handlungsbedarf. Das Schulhaus wurde deshalb in den Jahren 2013 bis 2015 totalsaniert.
Dank der Dämmung der Gebäudehülle, der effizienten Wärmeversorgung und der neuen Hausinstallationen ist das Gebäude heute punkto Energieeffizienz und Technik auf dem aktuellen Stand. Den Grundriss veränderte die Bauherrschaft nur an wenigen Stellen, um den Anforderungen des heutigen Schulbetriebs gerecht zu werden. So sind im Untergeschoss zusätzliche Arbeitsbereiche entstanden und die Technikräume sind neu im unterirdischen Anbau untergebracht.
Ganzheitliche Betrachtung unter Einbezug der Denkmalpflege
Das Schulhaus steht unter Denkmalschutz, danach richtete sich beim Umbau das Credo der Stadt Thun: Mit der Sanierung sollte die Geschichte bewahrt, die historische Bausubstanz möglichst erhalten bleiben. Gleichzeitig musste das Schulhaus den heutigen Massstäben genügen und die Schutzziele des Brandschutzes vollumfänglich erfüllen – Anforderungen, die sich häufig widersprechen.
Was tun, wenn die Denkmalpflege eine historische Holztüre erhalten möchte, diese aber kaum 15 Minuten lang einem Feuer standhält? Welche Lösungen gibt es, wenn aufgrund der Personenbelegung ein zusätzliches Treppenhaus gefordert ist, eine Aussentreppe aber das Erscheinungsbild stört? In solchen Fällen ist eine enge Zusammenarbeit von Denkmalpflege, Bauherrschaft und Brandschutzbehörde gefragt. Erfüllen der Schutzziele und Erhalt der Bausubstanz müssen sorgfältig gegeneinander abgewogen werden. Entscheidend ist dabei, dass nicht eine isolierte Massnahme, sondern das Brandschutzkonzept als Ganzes betrachtet wird. So lassen sich alternative, nicht selten auch unerwartete Lösungen finden, die für alle Beteiligten gangbar sind.
Quelle: Alexander Gemperle
Das Schulhaus Pestalozzi in Thun: Bei der Totalsanierung wurde das historische Erscheinungsbild des Gebäudes erhalten.
Originale Brusttäfer aus dem letzten Jahrhundert erhalten
Beim Schulhaus Pestalozzi ist dies gelungen. Wer heute durch die Korridore geht, fühlt sich in das letzte Jahrhundert zurückversetzt. Von Brandschutz- oder anderen Sicherheitsmassnahmen ist nichts zu sehen. Das Brusttäfer in den Korridoren ist restauriert und in der Originalfarbe, einem zarten Grün, gestrichen. Dies obwohl der Korridor brandschutztechnisch ein horizontaler Fluchtweg ist und die Vorschriften grundsätzlich kein brennbares Material in einem Fluchtweg zulassen.
Die Fachstelle Brandschutz der Gebäudeversicherung Bern (GVB) konnte das Holztäfer jedoch im Rahmen des ganzheitlichen Brandschutzkonzeptes bewilligen – zumal es sich hier um einen speziellen Fall handelt: Die Baubewilligung für die Totalsanierung basiert auf den Brandschutzvorschriften 2003. Gemäss dem heute gültigen Regelwerk wäre das Täfer ohne Einschränkungen erlaubt, obwohl sich am Verbot von brennbaren Baustoffen in Fluchtwegen nichts geändert hat. Der Grund: Mit den Brandschutzvorschriften 2015 wurden sogenannte Nutzungseinheiten eingeführt. Beim Schulhaus Pestalozzi könnten demnach Schulzimmer und Korridor zu einer Nutzungseinheit zusammengefasst werden. Damit wäre der Korridor kein horizontaler Fluchtweg, sondern er läge in der Nutzungseinheit und dort sind brennbare Baustoffe wie Holz ohne Einschränkungen erlaubt.
Wie das Täfer sind auch die Türen zu den Schulzimmern erhaltenswert. Sie wiesen jedoch nicht genügend Feuerwiderstand auf. Die Bauherrschaft entschied sich für ein aufwendiges Verfahren, bei dem das Erscheinungsbild kaum verändert wird: Ein spezialisiertes Unternehmen schnitt die Türen der Länge nach auf, legte ein Brandschutzplatte ein und fügte Innen- und Aussenseite wieder zusammen. Die Brandschutzplatte ist nur für den aufmerksamen Betrachter an der Stirnseite sichtbar. Bei den kleinen Fenstern oberhalb sorgt ein zusätzliches Brandschutzglas für den nötigen Feuerwiderstand.
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