15:33 KOMMUNAL

Kreislaufwirtschaft: Paradigmenwechsel in der öffentlichen Beschaffung?

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Die Europäische Union fördert gezielt die ressourcensparende Kreislaufwirtschaft.Ihre neuen Richtlinien und Anreizsysteme werden sich früher oder später auch auf das öffentliche Beschaffungswesen in der Schweiz auswirken.

Von Mirella Wepf*

Es wäre auch möglich, Teppiche für ein neues Verwaltungsgebäude in der Gemeinde zu mieten statt zu kaufen. Solche Konzepte sind in der Schweiz noch kaum ein Thema, in den Niederlanden und in Grossbritannien dagegen schon. Ob mieten oder kaufen, die Niederländer beispielsweise setzen bei der Beschaffung von Möbeln auf Rücknahmeverpflichtungen der Hersteller und zwar inklusive Verwertungsplan.

Das Input-Referat von Raphael Fasko am zweiten Erfa-Treffen der Interessengemeinschaft Nachhaltige öffentliche Beschaffung (IGÖB) brachte für die Teilnehmer einige spannende neue Inputs. Fasko ist Spezialist für Kreislaufwirtschaft und als Bereichsleiter für die Rytec AG in Münsingen BE tätig. Seine Hypothese: «Beschaffung nach den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft reduziert die Kosten und fördert die Nachhaltigkeit. Der Schlüssel dazu sind neue Geschäftsmodelle.»

Kreislaufwirtschaft und Beschaffungswesen

Das Konzept der Kreislaufwirtschaft wurde 1990 vom britischen Wirtschaftswissenschafter David W.Pearce begründet. Die Idee ist der Natur entlehnt. Nichts geht verloren, nichts wird zu giftigem Abfall. Raphael Fasko betont: «Kreislaufwirtschaft ist viel mehr als Recycling.» Um dieses Konzept zu realisieren, brauche es Produkte, die von Anfang an gut und ökologisch designt wurden. Sie sollten zerlegbar und modular aufgebaut sein, zudem giftfrei und reparierbar.

Das Problem: Obwohl das Prinzip der Kreislaufwirtschaft in Politik und Wirtschaft seit Jahrzehnten breit diskutiert wird, zeigt es in der Praxis eine nach wie vor sehr schwache Umsetzung. Thomas Wüest, Projektleiter «Ausstattung /Bau» der Dienststelle Immobilien des Kantons Luzern brachte die Problematik, mit der sich auch Beschaffungsverantwortliche konfrontiert sehen, anhand eines Beispiels auf den Punkt. «Ein Stuhl ist heute derart günstig, dass es sich nicht mehr lohnt, ein kaputtes Polster zu ersetzen.» Heute gingen zudem ausgediente Möbel oft in die Osthilfe. Maurice Gionchetta, Leiter der Dienststelle Logistik der Stadt Biel setzt auf dauerhafte Möbel: «Halten die Möbel länger als zwanzig Jahre, dürfte ein Mietmodell kaum rentieren.»

EU als Vorreiterin

Doch nun könnte Bewegung in die Sache kommen: Die EU hat sich zum Ziel gesetzt, den Ansatz der Kreislaufwirtschaft über ganze Wertschöpfungsketten hinweg zu fördern. Ende 2015 nahm sie den ambitionierten «Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft» an. Mittlerweile sind 54 Massnahmen bereits umgesetzt oder in der Einführungsphase. Weitere sollen folgen. Die NZZ am Sonntag formulierte es so: «Mit einer Flut von neuen Auflagen, Normen und Anreizen baut die EU die Wirtschaft um.» Raphael Fasko zeigte in seinem Referat auf, wie neue Geschäftsmodelle der Kreislaufwirtschaft zum Durchbruch verhelfen könnten.

Die Frage nach der Nachhaltigkeit gewinnt im Beschaffungswesen an Bedeutung. (Im Bild: Container-Lager aus der Vogelperspektive.)

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Die Frage nach der Nachhaltigkeit gewinnt im Beschaffungswesen an Bedeutung. (Im Bild: Container-Lager aus der Vogelperspektive.)

Das Miet- und Leasingmodell: Das niederländische Unternehmen Desso setzt bei seinen Teppichen auf kreislauffähige Materialien, die vollständig für die Produktion des nächsten Teppichs eingesetzt werden können. Die Teppiche werden vermietet und danach wiederverwertet. Desso gibt also das Eigentum am Teppich nicht ab und verfügt mit den Produkten über ein Rohstofflager bei Kundinnen und Kunden. Damit bleibt der Wert des Rohstoffes in der Hand des Herstellers und dessen Interesse, ein langlebiges Produkt zu liefern, steigt enorm an.

Das Dienstleistungsmodell: Ein Hersteller kann direkt von der Energieeffizienz seines Produkts profitieren, wenn er es als Dienstleistung anbietet. Signify – ehemals Philips Lighting – bietet zum Beispiel «Licht» als Dienstleistung an. Kunden wählen lediglich die Helligkeit und Nutzungsdauer der Beleuchtung. Die Montage und Wartung der Leuchten sowie die anfallenden Stromkosten werden von der Firma übernommen. Durch eine optimale Beleuchtungsplanung, die Wahl effizienter Leuchtmittel und den Einbau von Präsenzsensoren kann der Stromverbrauch bis gegen siebzig Prozent reduziert werden. Optimierungen bei Effizienz und Kreislaufdesign steigern somit direkt die Marge. Im Vollkostenvergleich bleibt das Angebot damit günstiger, als wenn Kundinnen und Kunden das Produkt kaufen und selber betreiben würden.

Das Verkaufsmodell: Doch auch im klassischen Verkaufsmodell gibt es Möglichkeiten, den Mehrwert des Kreislaufdesigns zu integrieren. So belegt der Baumaschinenhersteller Caterpillar Kernkomponenten wie etwa Motorenblöcke seiner Maschinen mit einem Pfand. Die retournierten Teile werden aufgefrischt und als So-gut-wieneu-Ersatzteile zu vierzig bis sechzig Prozent des Preises neuer Produkte verkauft.

Beschaffungs-Pool für die Schweiz?

Die Inputs von Fasko wurden von den Teilnehmern rege diskutiert. Eines war allen klar: Noch ist das schweizerische Beschaffungswesen von den neuen Wegen, wie sie etwa in Holland beschritten werden, weit entfernt. Aber die neuen Methoden sind prüfenswert. Auch folgende Idee stand im Raum: Wenn sich die Gemeinden zusammenschliessen würden, erhielten sie eine Marktmacht, die auch die Hersteller verstärkt in Richtung Kreislaufwirtschaft treiben würde. Zurzeit ist dies noch Zukunftsmusik, als Szenario ist es aber durchaus realistisch.

Die Interessengemeinschaft nachhaltige öffentliche Beschaffung IGÖB ist ein Verein von engagierten Mitarbeitenden im Bereich Beschaffungswesen und hat den Erfahrungsaustausch in den Fokus seiner Arbeit gestellt. Wie beschaft man in anderen Gemeinden, Städten und Kantonen oder beim Bund? Was sind die zentralen Aspekte aus der Perspektive des Umweltschutzes und sozialer Anforderungen? Wie kann man dies im freihändigen Einkauf berücksichtigen, wie in einem Einladeverfahren oder einer offenen Ausschreibung rechtlich korrekt beschreiben? Wo gibt es Stolpersteine und vergleichbare Beispiele? Die IGÖB (www.igoeb.ch) bringt Fragen und entsprechende Erfahrungen im vertraulichen Austausch auf den Tisch.

Mehr zum Thema am Pusch-Beschaffungskongress «Nachhaltige öffentliche Beschaffung: Fokus Kreislaufwirtschaft» am 29. Oktober von 9.15 bis 16.45 im Kongresshaus Biel. Mit Simultanübersetzung Deutsch-Französisch. Weitere Informationen auf www.pusch.ch/umweltagenda

*Mirella Wepf ist freischaffende Journalistin; der Beitrag entstand im Auftrag von Pusch.

Textilien nachhaltig beschafft

Kinderarbeit, schlechte Löhne, Wasserverschmutzung – die Textilindustrie ist oft ein «schmutziges Geschäft». Daher steht die öffentliche Hand oft vor der grossen Herausforderung, bei Beschaffungen ihre Verantwortung gegenüber Menschen und Umwelt wahrzunehmen. Einige Gemeinden, Städte, Kantone sowie Betriebe des Bundes setzen schon heute auf eine nachhaltige Beschaffung von Textilien. Als vorbildlich gelten beispielsweise «ArmaSuisse» und die Post sowie die Städte Bern und Zürich. Dies zeigte sich am IGÖB-Erfahrungsaustausch zum Thema Textilien.

Die anwesenden Beschaffungs-Fachleute waren sich in vielerlei Hinsicht einig: Manche Labels schwingen deutlich obenaus. Insbesondere Bio-Standards, die garantieren, dass Baumwolle ohne Einsatz von synthetischen Pestiziden produziert wurde. Obwohl der Textilienmarkt und dessen Wertschöpfungskette sehr komplex sind, lautet die gute Nachricht: Bereits mit dem heutigen und dem neuen Gesetz lassen sich auch bei der Textilienbeschaffung weitgehende Anforderungen an die Nachhaltigkeit umsetzen. So darf man zum Beispiel in den «technischen Spezifikationen» bestimmte Labels verlangen.

Die Diskussion zeigte aber auch, dass es heute nicht nur für die Beschaffungsverantwortlichen schwierig ist, sich einen Überblick über den Markt zu verschaffen. Auch die Anbieter haben mit Schwierigkeiten zu kämpfen angesichts der noch uneinheitlichen Anforderungskatalogen von Gemeinden und Kantonen.

Weitere Informationen der Stiftung Pusch und der IGÖB: www.kompass-nachhaltigkeit.ch

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