Konflikt im Grünen: Naturschutz versus Denkmalpflege
Der Klimawandel bedroht die Artenvielfalt. Der Naturschutz fordert deshalb Anpassungen in historischen Gärten. Dabei stösst er auf den Widerstand der Denkmalpflege. Ein unlösbarer Konflikt? Für den gleichzeitigen Erhalt der Biodiversität und der Gartendenkmäler gibt es einen Weg: Die beiden Disziplinen müssen zusammenarbeiten.
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Quelle: Roland zh, eigenes Werk, CC BY-SA 3.0
Die Arboretum-Parkanlage am linken Zürichseeufer: Erholungssuchende geniessen im 2010 einen Sommertag am Wasser. Seither ist der Dichtestress vor allem am Wochenende in den Parkanlagen um den See gestiegen, an einem heissen Wochenende drängt sich auf den Wiesen oft Badetuch an Badetuch.
«Der Zustand der Biodiversität in der Schweiz ist unbefriedigend. Die Hälfte der Lebensräume und ein Drittel der Arten sind bedroht», schreibt das Bundesamt für Umwelt. Der Verlust der Biodiversität gefährde nicht nur die Existenzgrundlage der Menschen, sondern auch die Wirtschaftsleistung des Landes. Um dem entgegenzuwirken, wird die Biodiversitätsstrategie des Bundes umgesetzt. Ins Visier kommen dabei unter anderem historische Gärten – dort prallen Denkmalpflege und Naturschutz aufeinander.
Mehr Bäume für die Kreuzbleiche in St. Gallen?
«Gartendenkmäler sind wertvolle Kulturleistungen – sie spiegeln das Kunst- und Naturverhältnis ihrer Zeit. Deshalb kann man sie nicht einfach beliebig verändern», erklärt Susanne Karn, promovierte Landschaftsarchitektin und Kursleiterin des CAS Gartendenkmalpflege an der Ostschweizer Fachhochschule (OST). Bestimmte Gärten stehen unter Schutz, weil sie eine kulturhistorische, künstlerische oder städtebauliche Bedeutung haben. Entscheidend ist dabei laut Karn, mit welcher Intention eine Gartenanlage kreiert wurde. Die Kreuzbleiche in St.Gallen ist zum Beispiel aus der Tuchproduktion entstanden, dann wurde sie Teil der Kaserne und schliesslich im Sinne der Volksparkbewegung als offener Raum für Bewegung gestaltet. Sie ist absichtlich schlicht gehalten, damit Grossveranstaltungen stattfinden konnten. Einzig eine mehrreihige Baumallee säumt die grosse offene Rasenfläche. Nun will die Stadt St.Gallen mehr Bäume pflanzen, um die Biodiversität zu fördern und dem Klima zu helfen. «Das sind harte Einschnitte in die ursprüngliche Gestaltung der Kreuzbleiche und erforderte einen interdisziplinären Prozess», erklärt Susanne Karn und betont die schwierige Situation für beide Seiten.
Bei anderen Konflikten geht es zum Beispiel darum, künstliche Gewässer zu renaturieren oder exotische Pflanzen durch einheimische zu ersetzen. Susanne Karn ist überzeugt: «Die Biodiversitätsprobleme können wir nicht in den historischen Gärten lösen. Man muss die Potenziale dieser Flächen relativieren.» Dennoch plädiert sie für den Dialog: «Wir müssen zusammen herausfinden, was unbedingt schützenswert ist und wo es Spielräume für eine Umgestaltung gibt.» Was dabei trotzdem oft vergessen gehe, sei die Bedeutung, die historische Gärten bereits heute für die Biodiversität und den Artenerhalt haben.
Historische Gärten schützen seltene Arten
«Die historischen Gärten sind kontinuierlich gealterte und reich ausgestattete Schatztruhen der Biodiversität», sagt Susanne Karn. Alte Bäume und Rasenflächen bieten einer Vielzahl von Tieren und Pflanzen Schutz. Dazu kommt die Rolle von historischen Gärten in der Artenerhaltung. Seit dem 16. Jahrhundert wurden exotische Pflanzenarten in die hiesigen Gartenanlagen gebracht. Viele davon sind an ihrem Ursprungsort mittlerweile ausgestorben. Historische und botanische Gärten haben die exotischen Pflanzen vermehrt und ihre Samen gesammelt. «Damit leisten wir einen wichtigen Beitrag zum Erhalt des Artenspektrums. Dies führt dazu, dass in historischen Gärten bereits viele seltene oder sogar als verschollen gegoltene Arten wieder gefunden wurden.» Dazu kommt, dass geschützte Gartenanlagen sorgsamer genutzt werden als grosse urbane Parks. Die Menschen verhalten sich in historischen Gärten anders: «Nur selten spielt eine Schulklasse dort Fussball und Grillieren ist nicht überall erlaubt. Es sind grüne Oasen inmitten hektischer Städte und Biotope für die Arten.» Diese Erholungsräume sind alles andere als selbstverständlich, denn die Bevölkerung wächst und mit ihr auch die Nutzungsansprüche an diese Flächen. «Gerade in Zürich merken wir, dass die Anlagen unter hohem Druck stehen», stellt Susanne Karn fest. Immer mehr Menschen wollen grosse Veranstaltungen in den Gartenanlagen durchführen und stören dabei Pflanzen und Tiere.
«Wenn grosse Fahrzeuge über die Rasenflächen fahren, um zum Beispiel eine Bühne aufzubauen, zerstören sie deren Substanz», sagt Karn. Bei einer anderen Veranstaltung habe man aus Sicherheitsgründen das Wasser der Brunnen ablassen wollen – gerade in der Zeit, in der sich die Libellen entwickeln. «Das fehlende Wasser hätte dazu geführt, dass die gesamte Libellenpopulation stirbt.» Angesichts dieser Herausforderung haben die Denkmalpflege und der Naturschutz ein gemeinsames Interesse. Der Artenschutz wird zum Helfer des Denkmalerhalts und umgekehrt. «Die gegenseitige Zusammenarbeit hilft, eine wertschätzende und verständnisvolle Haltung gegenüber der anderen Seite zu entwickeln», betont Karn. «Man muss alle Faktoren berücksichtigen und abschätzen, was die Biodiversität, das Denkmal und die Nutzung brauchen. Nachhaltige Lösungen entstehen nur, wenn beide Seiten damit einverstanden sind.» Zudem brauche es das Verständnis, dass man die gleichen Wurzeln habe: Gartendenkmalpflege und Naturschutz gründen in der Schweiz in der Natur- und
Heimatschutzbewegung des beginnenden 20. Jahrhunderts. Das hart erkämpfte Schutzkonzept verbindet die beiden Disziplinen. (OST / mai)
CAS Gartendenkmalpflege
Der Garten wächst, vergeht, wird im Laufe seiner Geschichte umgestaltet und weiterentwickelt. Unangemessene Nutzung und mangelnde Pflege können jedoch zu Schäden führen. Der Garten hat mit neuen Ansprüchen und knappen Finanzen zu kämpfen. Wie man mit einem historischen Garten angemessen umgeht, lernen die Teilnehmenden im berufsbegleitenden Weiterbildungskurs Certificate of Advanced Studies (CAS) in Gartendenkmalpflege. Mehr dazu auf www.ost.ch