Klimawandel: Wie sich die Städte gegen die Hitze wappnen
Der Klimawandel wird Schweizern, die in Städten leben, besonders zu schaffen machen. Gegensteuer können Städte auf verschiedene Weise geben, wie die Publikation «Hitze in Städten» des Bundesamts für Umwelt (Bafu) zeigt. Was die Hitzevorsorge betrifft, hinken heute viele Kantone und Gemeinden den grossen Städten noch hinterher.
Von Felix Wyss*
In den vergangenen 150 Jahren ist die mittlere Temperatur in der Schweiz um eineinhalb Grad Celsius gestiegen. Laut den «Klimaszenarien für die Schweiz» wird die Temperatur bis 2060 um weitere eineinhalb bis zweieinhalb Grad steigen, abhängig davon, ob die Schweiz und die ganze Welt Massnahmen für den Klimaschutz ergreifen. Deutlich zunehmen werden die Anzahl Hitzetage im Sommer.
Für Genf zum Beispiel werden bis 2060 31 bis 39 Hitzetage erwartet, heute sind es im Schnitt 15. Weitere absehbare Folgen des Temperaturanstiegs werden trockene Sommer, heftige Niederschläge und schneearme Winter sein. Die Klimaszenarien berücksichtigen die städtischen Wärmeinsel-Effekte noch nicht. In stark überbauten Gebieten werden die Temperaturen insbesondere nachts noch einige Grad höher liegen als im Umland. Der grosse Teil der Bevölkerung in den Ballungsräumen wird noch stärker von der zunehmenden Hitze betroffen sein. Gründe für städtische Hitzeinseln sind dunkle Oberflächen, zum Beispiel von Dächern und Strassen, ein Mangel an Vegetation sowie wenig offener Raum zur Durchlüftung.
Schlüsselrolle für Stadtgrün
Massnahmen, wie eine Stadt den WärmeinselEffekt eindämmen kann, um nicht zur Stadtwüste zu verkommen, gibt es viele. Das Bundesamt für Umwelt (Bafu) verschafft mit seiner Publikation «Hitze in Städten» eine Übersicht. Dem Stadtgrün kommt eine Schlüsselrolle zu. Strassenbäume, Kletterpflanzen an Fassaden oder Gemüsebeete auf den Dächern verdunsten Wasser und kühlen so die Luft. Und sie werfen Schatten: Strassen, Fassaden und Dächer erwärmen sich weniger stark.
Auch unversiegelte Böden, die Regenwasser aufnehmen und wieder verdunsten, kühlen die heisse Stadtluft. Und sie verhindern, dass das Regenwasser bei extremen Regenfällen – die mit dem Klimawandel zunehmen werden – Keller oder Hauseingänge überflutet. In Zukunft werden wir dem Wasser, das via versiegelte Böden und Abwasserschacht in der Kanalisation landet, auch nachtrauern. Wir werden es dringend gebrauchen können, um unsere schattenwerfenden und Wasser verdunstenden Pflanzen zu giessen. Die Stadt Lyon hat für sich eine gute Lösung gefunden: Sie vergräbt unter ihren Strassen Regenwasserspeicher, aus denen sie im Sommer ihre Stadtparks bewässert.
Zusammenhängende Freiräume wie Stadtparks kühlen die Stadt auch auf andere Weise. Durch sie wehen in der Nacht die kühlen Luftströme aus dem Umland, die den Stadtbewohnern einen gesunden Schlaf ermöglichen. Damit diese Luftzirkulation auch in Zukunft geschehen kann, müssen Stadtplaner bei der Verdichtung umdenken.
Quelle: F. Wyss, Espace Suisse
Das Eichholz in Wabern BE bietet Erholung mitten im urbanen Raum. In Zukunft wird es an heissen Sommertagen zu einer Klimaoase.
Die Siedlung vom Klima her denken
Um eingespielte Abläufe über Ämter hinweg bis zum Grundeigentümer zu hinterfragen, schlägt das Bafu vor, die Perspektive zu wechseln und die Siedlungsstruktur vom Klima her zu denken. So geschehen im Kanton Tessin: Das Kantonale Leitbild «Programma d’azione comunale per lo sviluppo insediativo centripeto di qualità» von 2018 rät Gemeinden, ein Skelett an Freiräumen festzusetzen, sodass die Lebensqualität der Bewohner trotz der Klimaerwärmung erhalten bleibt. Ausgehend von diesem Skelett sollen Stadtplaner und Architekten Gebäude formen und anordnen, damit die kühle Luft nachts bis ins Schlafzimmer weht. Der Kanton will so die Gewohnheit umkehren, von den Bauten her zu denken und nur das zum öffentlichen Raum zu erklären, was übrig bleibt. Luftströme orientieren sich nicht an Plänen, sondern an physischen Bauten. Durch Nutzungspläne und mittels Baulinien können Städte und Gemeinden Luftkorridore sicherstellen und verhindern, dass ein Bauherr mit einem Neubau einen Kaltluftstrom stoppt. Ein Vorgehen wie im Tessin empfiehlt auch der Bund in seiner Publikation «Freiraumentwicklung in Agglomerationen».
Wie kann die Raumplanung helfen?
Städte und Gemeinden müssen bei der Siedlungsentwicklung nach innen die Hitzevorsorge mitdenken. Deshalb gehört das Thema in Siedlungsleitbilder, räumliche Entwicklungskonzepte und kommunale Richtpläne. Es geht dabei um eine ganzheitliche Betrachtung, um Verdichtungs- und Freiraumplanung gleichermassen. In Zeiten, wo neben dem Klimawandel die Verdichtung in aller Munde ist, sind solche Pläne wegweisend. Die Hitzevorsorge stellt die Lebensqualität in der Stadt sicher. Tun die Städte nichts, kann die Hitze in Städten dem Traum vom Haus im Grünen zu einem Comeback verhelfen. Die Zersiedelung könnte voranschreiten. Deshalb sollte die Hitzevorsorge nicht als «Verdichtungshemmnis» gesehen werden. Städte können verdichten und gleichzeitig Hitzevorsorge betreiben, wenn sie Gebäude und Aussenraum klimaoptimiert gestalten. Folgende Vorgaben können Städte und Gemeinden in ihren Plänen und Baureglementen machen, um gegen die Hitze vorzusorgen:
- Baustruktur und Dichte ans Klima anpassen,
- Grünflächen schaffen, erhalten und vernetzen,
- alterungsfähigen Baumbestand erhalten und entwickeln,
- Grünanteile mit Qualität auf den Parzellen sichern,
- versiegelte Oberflächen und Unterbauten begrenzen,
- Häuser hitzeangepasst bauen: mit Sonnenschutz, Begrünung und Baumaterial, das Sonnenstrahlen reflektiert.
Quelle: Jonas Brühwiler
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