Grünflächen: Nichts zu klein, um Natur zu sein
Natur und Landschaft können auf verschiedenste Art und Weise gefördert und gestaltet werden. Von den vielen Möglichkeiten sollte man sich aber nicht abschrecken lassen. Denn schon mit einfachen Mitteln lässt sich aus vernachlässigten Gärten oder kleinen Restflächen Grünes herauskitzeln.
Quelle: zvg
Karge Restflächen können durch gezielte Aufwertung zu urbanen Oasen werden.
Naturförderung in der Gemeinde ist nicht bloss ein Engagement für die Umwelt. Schöne Grünflächen stärken das Image einer Ortschaft. Die Nähe zur Natur ist bei der Wohnortwahl für viele ein wichtiges Kriterium. So verschieden wie die gemeindespezifischen Begebenheiten sind, so breit ist auch das Spektrum an Möglichkeiten, mit denen eine Gemeinde die Grünflächengestaltung beeinflussen kann. Und der Nutzen ist nicht zu unterschätzen: «Naturförderung ist ein Gewinn für den Lebensraum und die Artenvielfalt und sorgt für eine Landschaft mit hohem Erholungswert. All das ist auch ein Werbeargument für die Gemeinde», sagte Hans-Ruedi Kunz, Präsident des Natur-und Vogelschutzvereins Suhr (NVV), im Kurs «Naturförderung in der Gemeinde» im Naturama Aargau. Der NVV fördert im Auftrag der Gemeinde Suhr AG die Natur im Siedlungsraum, im Landwirtschaftsland und im Wald.
Gestaltung auf allen Ebenen
Die «Naturförderungsbrille» kann in der Gemeinde in unterschiedlichen Aufgabenbereichen und Situationen aufgesetzt werden:
■ Gestaltungsplan
Bereits auf Stufe Gestaltungsplan können Vorgaben zur Naturförderung formuliert werden, beispielsweise dass nur einheimische Pflanzen und keine Exoten gepflanzt werden dürfen. Auch Forderungen zum Schutz bestimmter Tiere sind denkbar. «Gleiches gilt für die Lichtverschmutzung. Wenn man Vorgaben zu den Lichtquellen macht, so dass diese nicht einfach irgendwo in den Himmel strahlen, sondern dorthin, wo man das Licht auch tatsächlich haben möchte, hat man schon viel gewonnen», sagt Sebastian Meyer, Abteilung Landschaft und Gewässer des Departements Bau, Verkehr und Umwelt des Kantons Aargau.
■ Baugesuch
Die Gemeinde kann mit Auflagen in der Baubewilligung zur Naturförderung beitragen. Im Bereich der Lichtverschmutzung etwa kann sie sich auf das Umweltschutzgesetz stützen. Zur Vermeidung von Vogelschlag hingegen gibt es beispielsweise keine gesetzliche Grundlage. Dort lohne es sich, das Gespräch mit den Bauherren zu suchen, sagt Meyer. «Die Erfahrung hat gezeigt, dass viele Bauherren das Vogelschlagproblem nicht kennen. Wenn man es ihnen mit entsprechenden Lösungsvorschlägen aufzeigt, ist es aber selten ein Problem.»
■ Eigene Grundstücke
Die Gemeinde hat meist auch eigene Grundstücke, über deren Gestaltung sie ohne gesetzliche Grundlage entscheiden kann. Das sind zum einen landwirtschaftliche Flächen, die die Gemeinde verpachtet. Dort kann sie direkte Auflagen machen. In der Gemeinde Suhr AG beispielsweise verlangt die Gemeinde von den Pächtern mindestens 15 Prozent Biodiversitätsförderflächen auf den entsprechenden Grundstücken. «Das ist ein wichtiger Hebel, den die Gemeinde seit etlichen Jahren einsetzt und der sich in der Landschaft deutlich abbildet», sagt Hans-Ruedi Kunz.
Zum andern geht es bei den gemeindeeigenen Grundstücken beispielsweise um öffentliche Grünflächen und Freiräume, Restflächen oder Verkehrsinseln, die man aufwerten und so aktiv Naturförderung betreiben kann. «Nur schon die kleinen grünen Restflächen rund um den Werkhof kann man bewirtschaften», schlägt Sebastian Meyer vor.
■ Imageförderung
Naturschutzvereine und Gemeinden können sich gemeinsam darum bemühen, dass die Gemeinde als aktiv und attraktiv wahrgenommen wird, und so zur Imageförderung beitragen. «Eine Gemeinde kann zum Beispiel Aufwertungen in privaten Gärten finanziell unterstützen. Das muss kein hoher Betrag sein, schon mit 500 Franken pro Garten kann man viel machen», sagt Meyer. Auch die Finanzierung einer professionellen Gartenberatung wäre eine Option. Naturförderung kann aber auch über kleinere Aktionen in der Gemeinde gelingen. Dafür hat Meyer konkrete Vorschläge auf Lager: Wildsträucher oder Wildstauden können gratis abgegeben, Töpfchen mit Blumen – etwa zum Muttertag – verschenkt oder Samentüten verteilt werden. Solche Aktionen schaffen ein Bewusstsein für die Natur und sorgen ohne Umwege für mehr Grün in den Gärten.
■ Öffentlichkeitsarbeit
Auch in diesem Bereich bietet sich eine Zusammenarbeit mit Naturschutzvereinen an. «So können beispielsweise Exkursionen oder Standaktionen angeboten, Infotafeln aufgestellt oder sogar ein ganzer Naturlehrpfad eingerichtet werden», so Meyer. Aktive Kommunikation ist dabei essenziell.
Ein weiterer Aspekt der Öffentlichkeitsarbeit ist die Umweltbildung. Sowohl in den Schulen als auch an ausserschulischen Lernorten kann ein Bewusstsein für die Umwelt geschaffen werden. Die Gemeinde könnte beispielsweise eine spezielle Exkursion einer Schulklasse finanziell unterstützen. «Zudem bietet sich die Zusammenarbeit mit dem Standortmarketing an, um herauszufinden, wie man die Werbung verbessern kann», ergänzt Meyer.
■ Finanzen und Politik
Ein Budget für Natur und Landschaft vereinfacht die Umsetzung von Fördermassnahmen. Die Bezeichnung sei dabei aber wichtig, betont Meyer. Es solle nicht bloss ein Budget für «Umweltschutz» festgelegt werden, denn dieses Geld fliesse in der Regel in energetische Massnahmen. «Und auch ein Budget für ‹Natur und Landwirtschaft› genügt nicht, denn dann fliesst das Geld primär in die Landwirtschaft.» Doch bei einem bewussten Entscheid für die «Natur und Landschaft» werde das Geld auch dort eingesetzt.
Will eine Gemeinde noch einen Schritt weiter gehen, kann sie einen Naturschutzbeauftragten oder eine Landschaftskommission einsetzen. «Im Minimum sollte aber eine bestehende Kommission, etwa diejenige für Landwirtschaft, Umwelt oder Bau, um Vertreter aus dem Naturschutz erweitert werden», so Meyer. Wichtig sei auch, das Pflichtenheft dieser Kommissionen so anzupassen, dass die Zuständigkeit für Natur und Landschaft klar sei. Zudem könnte ein Leitbild, ein Freiraum- und Grünraumkonzept oder sogar ein Jahres- oder Mehrjahresprogramm zur Naturförderung erstellt werden.
■ Partner
Wie in vielen Bereichen ist auch in Sachen Naturförderung der Einbezug von Schlüsselpersonen in der Gemeinde wichtig. «Ein guter Draht zum Bauverwalter und dem Leiter des Werkhofs ist wichtig», so Meyer. Aber auch der Einbezug von Personen mit einer anderen Perspektive lohne sich, etwa der lokalen Naturschützer und Naturschutzvereine, Landwirte, Förster, Lehrpersonen oder Jugendorganisationen. Ebenso sollten auch die Erholungssuchenden konsultiert werden.
Wer nun hochmotiviert in den Sommer starten möchte, sollte jedoch nichts überstürzen. «Wichtig ist vor allem, nicht alles auf einmal machen zu wollen», betont Meyer. Am besten beginne man im ersten Jahr mit ein oder zwei Projekten und lerne aus den Erfahrungen.