Gemeinsam innovativ
Am «Swiss eGovernment Forum» stand das Spannungsfeld zwischen Innovation und Regulierung sowie der Mehrwert durch Zusammenarbeit im Fokus. Viel zu reden gab aber auch das kommende E-ID-Gesetz und die Implementierung des E-Umzugs.
Quelle: alotofpeople/Fotolia
Geteiltes Wissen, geteilte Kosten und geteilter Nutzen: Dank Zusammenarbeit können Innovationen effizienter geschaffen werden.
Das zweitägige «Swiss eGovernment Forum» im Rahmen der Info Society Days ist jeweils ein guter Gradmesser dafür, welche Themen, Trends und Herausforderungen Politik, Verwaltung und IT-Branche gerade umtreiben. Heuer eröffnete Bundeskanzler Walter Thurnherr mit einem Referat zum Thema «Innovation durch Regulierung» die Veranstaltung.
Eigentlich habe er nur drei Bemerkungen zu machen, sagte Thurnherr: Erstens werde in der Bundesstadt tatsächlich viel reguliert, aber noch mehr geheuchelt. 46 000 Seiten neue oder geänderte Vorschriften produziere Bundesbern pro Jahr. Wer ein Haus bauen, ein Unternehmen gründen oder gar heiraten möchte, sei mit einer Flut von teilweise «schwindelerregenden» Vorschriften konfrontiert. Die rund 1500 Vorstösse, welche die eidgenössischen Parlamentarier jährlich einreichen, enthielten sehr oft Forderungen nach neuen Regulierungen, aber selten einen Vorschlag, überflüssige Regulierungen abzuschaffen. «Wenn das Parlament tatsächlich weniger Regulierung wollte, dann hätten wir auch weniger. Es gibt kein anderes Land, in dem es so einfach ist, Vorschriften abzuschaffen, wie in der Schweiz», sagt Thurnherr.
Zweitens sei es nachvollziehbar, dass die Politik versuche die digitale Welt zu regulieren. Die kluge Regulierung müsse jedoch zurückhaltend, technologieneutral und international sein. Die Welt hat sich laut dem Bundeskanzler in den letzten 20 Jahren in zwei voneinander unabhängige Richtungen entwickelt: Horizontal auf Ebene der Globalisierung und vertikal auf Ebene der Technologie. Horizontal gehe die Politik mit internationalen Abkommen voraus. Vertikal renne sie aber hinterher. Denn dort würden die Fragestellungen ungewohnt und schwierig: «Was bedeutet es für den Datenschutz, wenn es normal wird, Dienstleistungen mit Daten statt mit Geld zu bezahlen? Wie reagiert ein Staat, wenn andere Staaten über seine Bürger weit mehr wissen, als es ihm selbst von Gesetzes wegen erlaubt ist? Und wie trägt er der Tatsache Rechnung, dass die Wirtschaft von der Verfügbarkeit des Internets vital abhängig ist?» Es sei nicht einfach, klug zu regulieren. «Aber man soll auch nicht so tun, als wäre es unmöglich», so Thurnherr.
Drittens müsse man Innovationen selber machen und den Staat nicht zur Verantwortung ziehen wollen, wenn man damit keinen Erfolg habe. Das beste Instrument, um für Innovationen gute Rahmenbedingungen zu schaffen, sei die Bildungspolitik. Leider empfinde er die Technologiefeindlichkeit in der Schweiz manchmal als verrückt, sagt Thurnherr. «Wir haben heute doch so viel mehr Möglichkeiten als früher.»
Hilfe zur Selbsthilfe
Die Schweiz hinke anderen Ländern in Sachen E-Government hinterher, liest man oft. Reto Lindegger, Direktor des Schweizerischen Gemeindeverbands zeigte mit einer Feststellung des Nationalen Normenkontrollrats (NKR) aus Deutschland auf, dass dies nicht in allen Punkten so ist: «Notwendig ist eine Vereinbarung auf höchster politischer Ebene zwischen Bund, Ländern und Kommunen für einen eGovernment-Pakt Deutschland. Kern einer solchen Vereinbarung sollte die Einigung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefs der Länder sein, zu einer verbindlicheren und weitreichenderen Zusammenarbeit zu gelangen.» In der Schweiz gibt es das mit der E-Government-Strategie bereits seit zehn Jahren. Diese Zusammenarbeit über alle drei föderalen Ebenen ist laut Lindegger essenziell, um die geforderten Innovationen voranzutreiben.
Das grösste Innovationspotenzial liegt für ihn dabei in der Optimierung von Prozessen. Und weil die Kommunikation noch nie so einfach war wie in der heutigen digitalen Welt, konnte Lindegger als Best-Practice-Beispiel eine Art «Selbsthilfe-Tool» der öffentlichen Hand nennen: Die E-Government-Prozessplattformvon «eCH» mit Prozessbibliothek. Sie bietet kostenlos bereitgestelltes Wissen zur Unterstützung des Prozessmanagements der Gemeinden. Davon profitiere man gleich dreifach, so Lindegger: Mit geteiltem Wissen, geteilten Kosten und geteiltem Nutzen. In Sachen Zusammenarbeit in der Prozessoptimierung hätten die Gemeinden grossen Nachholbedarf: «Vor zwei Jahren habe ich hier gesagt, es gäbe in den Gemeinden zu viele Insellösungen. Das ist auch heute noch so.» (...)