Erst kam das Gas, dann das Beben
Es begann am Freitagmittag: Bei der Vorbereitung der planmässigen Fördertests am St. Galler Geothermie-Projekt wird unerwartet Gas im Bohrloch festgestellt. Aufgrund des Gases steigt der Druck im Innern.Wegen des erhöhten Drucks tritt Wasser aus dem Bohrloch aus. Man entscheidet sich, das Loch zu verschliessen. Am Nachmittag leiten die Verantwortlichen dann Massnahmen zum Druckabbau ein: Wasser wird ins Bohrloch gepumpt, um die Druckverhältnisse zu stabilisieren. Gleichzeitig wird eine sogenannte «schwere Spülung» vorbereitet. Die Flüssigkeit weist eine hohe Dichte auf, steigt nicht auf und wirkt wie ein Propfen. Sie wird ergänzend zum Wasser ins Bohrloch gegeben. Trotzdem kommt es am Samstagmorgen um 5.30 Uhr zu einem in der ganzen Region wahrnehmaren Erdbeben der Magnitude 3,6.
Auf dem Geothermie-Bohrplatz brannte in der Nacht von Samstag auf Sonntag eine Flamme. «Wir haben das Gas kontrolliert abgefackelt», sagt Marco Huwiler, Leiter des Geothermieprojekts im Sittertobel gegenüber dem «St. Galler Tagblatt». Am frühen Sonntagmorgen schliesslich erlosch die Flamme von alleine. Ein gutes Zeichen, denn damit ist klar: Zumindest im rund 4500 Meter tiefen Bohrloch befindet sich derzeit kein Erdgas mehr. Somit sind vorläufig auch keine Massnahmen gegen einen erneuten Gasaustritt notwendig. Sprich: Es müssen keine grossen Mengen an Wasser und Bohrspülung unter hohem Druck in den Untergrund gepresst werden. «Wir haben die Situation unter Kontrolle», sagt Huwiler. Die weiteren Arbeiten am Projekt sind aber vorderhand sistiert.
Fredy Brunner: «Grundvertrauen ist erschüttert»
Der verantwortliche Stadtrat Fredy Brunner (FDP), der seine Ferien in Italien wegen dem Erdbeben abgebrochen hat, zeigt sich «traurig und besorgt». «Zum jetzigen Zeitpunkt kann das Projekt nicht einfach gestoppt werden. Wir müssen das System nun zuerst zur Ruhe bringen. Und da gibt es nicht einen Schalter, den man dafür umlegen könnte. Sollte sich herausstellen, dass es rund ums Bohrloch eine aktive Störungszone und schwierige Druckverhältnisse gibt, dann müssen wir uns die zweite, für ein Geothermie-Heizkraftwerk notwendige Bohrung ernsthaft überlegen. Ein solches Erdbeben können wir nicht noch einmal riskieren. Aber es ist zu früh, um eine klare Aussage dazu machen zu können. Wir brauchen jetzt ein paar Tage, um die Lage analysieren zu können», so Brunner, der das Erdbeben einen «Super-GAU» nannte, gegenüber dem «St. Galler Tagblatt». Am meisten schmerze der Vertrauensverlust: «Und wenn das Vertrauen einmal weg ist, kommt es leider nicht mehr zurück. Auch bei mir ist das Grundvertrauen gesunken. Umso vorsichtiger müssen wir deshalb nun vorgehen.» (aes)