Bundesrat will neuen Asylstatus schaffen
Ende Juni lebten in der Schweiz rund 34 700 vorläufig aufgenommene Personen. In den letzten acht Jahren stammten die meisten Personen, die vorläufig aufgenommen wurden, aus Eritrea, Syrien und Afghanistan. An vierter und fünfter Stelle folgen Somalia und China.
Rund 11 500 der Betroffenen sind seit mehr als sieben Jahren in der Schweiz. Im vergangenen Jahr waren die vorläufig Aufgenommenen zu rund 30 Prozent erwerbstätig. Die Sozialhilfequote lag bei über 80 Prozent.
Die heutige Regelung wird immer wieder kritisiert, weil vorläufig aufgenommene Personen oft dauerhaft in der Schweiz bleiben und von der Sozialhilfe abhängig sind. Das Parlament hat den Bundesrat beauftragt, Änderungen zu prüfen. In einem Bericht präsentiert dieser nun Vorschläge.
Die Landesregierung will vor allem die Integration von Personen fördern, die sich voraussichtlich länger in der Schweiz aufhalten. Dabei will er aber vermeiden, dass die Regeln in der Schweiz verglichen mit anderen Aufnahmestaaten zu attraktiv sind.
Der Bericht nennt drei Varianten:
- Variante 1: Die vorläufige Aufnahme (F-Ausweis) wird durch eine ordentliche Aufenthaltsbewilligung (B-Ausweis) ersetzt.
- Variante 2: Die vorläufige Aufnahme wird durch einen neuen Status ersetzt, den Status der Schutzgewährung (zum Beispiel A-Ausweis).
- Variante 3: Die vorläufige Aufnahme wird punktuell angepasst.
Der Bundesrat spricht sich für Variante 2 aus. Diese entspreche den heutigen Anforderungen am besten, schreibt er im Bericht. Der Status der Schutzgewährung verbessere die Situation der Betroffenen, ohne dass generell alle Rechte gewährt würden, die mit einer Aufenthaltsbewilligung verbunden seien.
Stabilerer Schutz dank eigenem Aufenthaltsrecht
Heute werden Personen vorläufig aufgenommen, wenn die Wegweisung nicht möglich (vollzugstechnische Gründe), nicht zulässig (völkerrechtliche Verpflichtungen) oder nicht zumutbar (Gefährdung im Herkunftsland) ist. Es handelt sich also um eine Ersatzmassnahme für eine nicht durchführbare Wegweisung. Die Schutzgewährung soll einen stabileren Status gewährleisten, ein eigenes Aufenthaltsrecht.
Die Betroffenen hätten Anspruch auf die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit. Damit will der Bundesrat die Integration in den Arbeitsmarkt verbessern und die Sozialhilfeabhängigkeit senken. Die Schutzgewährung würde aufgehoben, wenn die Voraussetzungen dafür nicht mehr erfüllt wären.
Familiennachzug nach zwei Jahren
Die Voraussetzungen wären ähnlich wie jene bei der vorläufigen Aufnahme - beispielsweise Krieg im Herkunftsland. Der Familiennachzug wäre bereits nach zwei Jahren möglich statt frühestens nach drei Jahren wie bei der vorläufigen Aufnahme - wie bisher aber nur dann, wenn eine bedarfsgerechte Wohnung vorhanden ist und die betroffene Person keine Sozialhilfe bezieht.
Nach einem Aufenthalt von fünf Jahren könnte der Kanton eine Aufenthaltsbewilligung B erteilen. Bei der vorläufigen Aufnahme kann nur in Härtefällen eine solche erteilt werden. Der Bundesrat hat sich bei der Ausgestaltung an den Regeln in der EU orientiert, insbesondere am dortigen Status des subsidiären Schutzes. Beim Aufenthaltsstatus nach fünf Jahren ist die EU allerdings grosszügiger: Nach fünf Jahren besteht ein Recht auf eine Aufenthaltsbewilligung.
Abschaffung des Status S?
Neben dem Flüchtlingsstatus und der vorläufigen Aufnahme gibt es heute auch den vorübergehenden Schutz (Ausweis S). Der Bundesrat könnte damit Gruppen von Schutzbedürftigen vorübergehend Schutz gewähren. Von dieser Möglichkeit hat er allerdings noch nie Gebrauch gemacht.
Parlamentarier hatten gefordert, den Status S als Ersatz für die vorläufige Aufnahme vorzusehen. Das ist für den Bundesrat jedoch keine Option. Der vorübergehende Schutz sei mit gewichtigen Nachteilen verbunden, hält er fest. So sei etwa die Sistierung eines Asylverfahrens nicht möglich. Der Bundesrat zieht deshalb in Betracht, den Status S abzuschaffen.
Weniger Geld vom Bund?
Neu regeln möchte der Bundesrat auch die Aufteilung der Kosten. Heute zahlt der Bund die Sozialhilfekosten für vorläufig Aufgenommene während höchstens sieben Jahren. Zusätzlich richtet er den Kantonen eine einmalige Integrationspauschale von 6000 Franken aus. Vor kurzem verlangte der Ständerat, dass der Bund während zehn Jahren zahlt (mehr dazu hier).
Der Bundesrat möchte das System jedoch generell überdenken. Dass der Bund den Kantonen über mehrere Jahre Beiträge an die Sozialhilfe ausrichtete, mindere den Anreiz für die Kantone, die Betroffenen bei der raschen Integration zu unterstützen, schreibt er im Bericht. Zu prüfen sei ein einmaliger pauschaler Beitrag durch den Bund für die Integrationsförderung und die Sozialhilfekosten. Denkbar wären auch gesonderte einmalige Pauschalen.
Der Bericht geht nun ans Parlament. Wenn dieses sich dazu geäussert hat, will der Bundesrat über das weitere Vorgehen entscheiden. Kurzfristig setzt er auf die bereits geplanten Änderungen zur vorläufigen Aufnahme. So soll vorläufig Aufgenommenen erleichtert werden, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Entsprechende Gesetzesänderungen sind im Parlament hängig. Zudem sind Empfehlungen an die Kantone geplant. (sda/aes)