Bundesrat kommt Berggemeinden entgegen
Seit dem Ja des Stimmvolks zu Franz Webers Zweitwohnungsinitiative im Frühjahr 2012 ist in der Verfassung verankert, dass der Anteil von Zweitwohnungen in einer Gemeinde nicht mehr als 20 Prozent betragen darf. Die Details sind derzeit auf Verordnungsebene geregelt. Nun hat der Bundesrat einen Entwurf für ein entsprechendes Gesetz in die Vernehmlassung geschickt. Dies teilte das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) mit.
Wie die Verordnung sieht auch der Gesetzesentwurf Ausnahmen vor: Der Bundesrat kommt Bergkantonen und Tourismusgemeinden sogar noch etwas stärker entgegen. So ist der Neubau von Zweitwohnungen in Gemeinden mit einem Zweitwohnungsanteil von über 20 Prozent zwar grundsätzlich verboten. Aber touristisch bewirtschaftete Wohnungen mit warmen Betten sollen auch künftig gebaut werden dürfen. Diese Wohnungen dürften ausschliesslich für die kurzzeitige Beherbergung von Gästen genutzt werden, nicht für die dauerhafte Vermietung. Sie könnten im Rahmen eines «strukturierten Beherbergungsbetriebs» erstellt werden. Ein solcher Betrieb liegt dann vor, wenn für die Wohnungen ein hotelähnliches Betriebskonzept mit Infrastrukturen wie einer Rezeption vorhanden ist. Des Weiteren möchte der Bundesrat Ausnahmen für Ortsansässige im Gesetz verankern. Sie sollen weiterhin beim Neubau einer Wohnung zur eigenen Nutzung im gleichen Gebäude Zweitwohnungen erstellen können, um damit ein Einkommen zu erzielen.
Warme Betten generell erlaubt
Der Gesetzesentwurf lässt noch eine dritte Kategorie neuer Wohnungen zu: Der Bundesrat will den Bau einzelner Zweitwohnungen zum Beispiel im Stockwerkeigentum erlauben. Diese müssten allerdings auf einer international ausgerichteten, kommerziellen Vertriebsplattform zur Vermietung angeboten werden. Weil die Bewirtschaftung ausserhalb strukturierter Beherbergungsbetriebe schwierig sei, müssten hohe Anforderungen an den Vertrieb dieser Zweitwohnungen gestellt werden, damit diese auch tatsächlich belegt würden, schreibt der Bundesrat in seinem Bericht zur Vernehmlassung. Solche Wohnungen sollen nur gebaut werden dürfen, wenn ein entsprechender Bedarf nachgewiesen ist. Ausserdem sollen sie nur in Gebieten zulässig sein, die im kantonalen Richtplan eigens bezeichnet sind. Die Nutzung dieser Wohnungen durch Eigentümer, Freunde und Bekannte wäre möglich, aber höchstens während dreier Wochen pro Hauptsaison.
Nach der geltenden Verordnung ist es möglich, Hotelbetriebe komplett umzunutzen, sofern sie bereits seit 25 Jahren bestehen und nicht mehr wirtschaftlich weitergeführt werden können. Der Gesetzesentwurf sieht nun eine weitere Möglichkeit zum Erstellen neuer Zweitwohnungen vor: Diese sind bis zu einem Anteil von maximal 20 Prozent der Hauptnutzfläche eines Beherbergungsbetriebs zugelassen, wenn sie für die Finanzierung des Baus oder der Weiterführung des Betriebs erforderlich sind. Die Querfinanzierung von strukturierten Beherbergungsbetrieben durch Zweiwohnungen sei praktisch zur Regel geworden, hält der Bundesrat fest. Sie sollte daher möglich bleiben.
Zwei Varianten für bestehende Wohnungen
Noch offen ist, inwiefern es möglich sein soll, Wohnungen umzunutzen, die schon vor der Abstimmung bestanden oder rechtskräftig bewilligt waren. Der Bundesrat schlägt dazu zwei Varianten vor. Nach der ersten Variante könnten solche Wohnungen weitgehend frei umgenutzt und sogar geringfügig erweitert werden, wobei die Kantone verpflichtet wären, Missbräuche zu verhindern. Die zweite Variante sieht vor, dass solche Wohnungen grundsätzlich nur im Rahmen der bestehenden Hauptnutzfläche geändert werden dürfen und dass Umnutzungen nur dann zulässig sind, wenn sie durch besondere Gründe bedingt sind. Ein solcher Grund könnte etwa ein Wohnsitzwechsel wegen eines neuen Arbeitsplatzes sein.
Das Bundesgericht hatte im Mai bestätigt, dass die neue Verfassungsbestimmung bereits ab dem 11. März 2012 ihre Wirkung entfaltet. Damit stehen Baubewilligungen für unbewirtschaftete Zweitwohnungen, die nach diesem Datum in Gemeinden mit mehr als 20 Prozent Zweitwohnungen erteilt wurden, im Widerspruch zum geltenden Recht. Es sei unklar, wie viele solche Fälle es gebe, schreibt der Bundesrat. In den kommenden Monaten und Jahren müsse für die einzelnen Fälle Lösungen gesucht werden. Die Vernehmlassung zu den Vorschlägen dauert bis zum 20. Oktober. (sda/mai/aes)