«Blutende» Rosskastanien: Neuer Erreger in der Schweiz gefunden
«Blutende» Stellen am Stamm von Rosskastanien, sogenannter Schleimfluss, sind seit Längerem bekannt. Als Erreger vermuteten Fachleute meist Pilze der Gattung Phytopthora. Seit der Jahrtausendwende treten diese Symptome in vielen europäischen Ländern verstärkt auf und lassen mancherorts Rosskastanien (Aesculus hippocastanum) massenweise absterben.
Erster Nachweis in der Schweiz
Im Jahr 2015 meldete der Baumexperte Matthias Brunner an mehreren Rosskastanien in einer Parkanlage in Rapperswil am Zürichsee braunen bis fast schwarzen Schleimfluss. WSL-Forscher haben daraufhin die kranken Bäume untersucht. Unter der äusseren Rindenschicht fanden sie abgestorbenes Gewebe, das bräunlich-orange verfärbt war.
Bei Laboruntersuchungen wuchs aus vielen Proben anstatt des erwarteten Pilzes ein Bakterium aus. Eine DNA-Analyse identifizierte es als Pseudomonas syringae pv. aesculi. Im Hochsicherheits-Gewächshaus des Pflanzenschutzlabors an der WSL infizierten die Forschenden daraufhin gesunde Rosskastanien mit diesem Bakterium. Die Pflanzen entwickelten die charakteristischen «blutenden» Stellen, was das Bakterium zweifelsfrei als Krankheitserreger entlarvte.
Stämme der Bakteriengruppe Pseudomonas syringae befallen verschiedene Pflanzenarten, jener mit dem Namenszusatz aesculi die Rosskastanie. Er stammt vermutlich aus Indien, wo er auf der Indischen Rosskastanie gefunden wurde.
Fällen ist oft die einzige Lösung
In Europa trat das Bakterium erstmals Anfang der 2000er-Jahre in den Niederlanden und in England auf. Inzwischen gibt es Nachweise aus mehreren europäischen Ländern. Die Krankheit verursacht in Deutschland seit 2007 grössere Schäden, mehrere Stadtbäume mussten gefällt und verbrannt werden. Da zurzeit keine anderen Möglichkeiten zur Bekämpfung bekannt sind, droht den Rosskastanien in der Schweiz das gleiche Schicksal. «Die Erfahrungen aus dem Ausland zeigen, dass sich der Erreger rasant verbreiten und zum Problem werden kann», erklärt Joana Meyer, Phytopathologin an der WSL.
Wie sich der Erreger genau ausbreitet, ist noch nicht vollständig geklärt - lokal offenbar vor allem durch Wind und Regen. Er kann aber auch mit infizierten Pflanzen, verseuchter Erde oder Werkzeugen verschleppt werden. Das Bakterium dringt über Rindenöffnungen wie Korkporen, Wachstumsrisse oder Wunden ein und befällt Rinde und Wachstumszone. Das schneidet den Nährstoff- und Wassertransport ab. So können Äste oder sogar ganze Bäume absterben und weitere Schädlinge eindringen.
Gesunde Rosskastanien können allerdings einen milden Krankheitsverlauf zeigen und die befallenen Stellen abschotten. In diesem Fall dürfte das Gewebe den Erreger einkapseln und die Bakterien sterben ab.
Hygiene ist gefragt
Um die Verbreitung der Krankheit zu verhindern, gilt es bei erkrankten Bäumen Hygienemassnahmen zu beachten, betonen die WSL-Forschenden: Schnittwerkzeuge nach der Arbeit desinfizieren (zum Beispiel mit 70-prozentigen Alkohol), erkranktes Pflanzenmaterial sicher entsorgen oder verbrennen und Schuhe gut von Erde reinigen.
Bei alten Bäumen sind abgestorbene Äste ein Sicherheitsrisiko für den Menschen und sollten abgesägt werden. Gärtner müssen neu gepflanzte Rosskastanien regelmässig auf Symptome der Schleimflusskrankheit kontrollieren und bei einem Befall entfernen. (mgt)