14:25 KOMMUNAL

Baugenossenschaft ersetzt Überbauungen: Zurück in die 1950er-Jahre

Teaserbild-Quelle: WOHNEN

Die Baugenossenschaft des Bundespersonals Basel hat eine Siedlung aus den 1950er-Jahren ganz im Retrostil ersetzt. Interessant auch die Wahl bei der Haustechnik: eine Schwerkraftlüftung entfeuchtet die innenliegenden Nasszellen. Ihre Wirksamkeit hat die Fachhochschule Nordwestschweiz ein Jahr lang gemessen.

Luftaufnahme Siedlung Eidgenossenweg in Basel

Quelle: Ferrara Architekten AG, Basel

Luftansicht der Überbauung. Im Hintergrund sind zwei Häuser der früheren Siedlung erkennbar.

Von Daniel Krucker *

Die Siedlung Eidgenossenweg der Baugenossenschaft des Bundespersonals Basel (BBB) ist eine von insgesamt acht Überbauungen der 1947 gegründeten Genossenschaft. Fast zehn Jahre ist es her, seit im Vorstand erste Diskussionen über die weitere Entwicklung der 1953 erstellten Überbauung mit insgesamt 67 Wohnungen stattfanden. Konrad Würsten ist Präsident und Geschäftsführer in Personalunion und erzählt, dass der Entscheid für einen Ersatz gefallen sei, weil Kosten und Nutzen einer Totalsanierung «einfach in keinem Verhältnis gestanden hätten».

Im Herbst wird nun nach vier Jahren Bauzeit die letzte von drei Bauetappen abgeschlossen sein. Das neue Bauensemble auf den beiden Baurechtsparzellen um-fasst wie das alte fünf Punkthäuser. Das ist nicht die einzige Parallele: Die Gebäude stehen nämlich nicht nur praktisch an derselben Stelle wie ihre Vorgängerbauten, sondern ähneln diesen auch in so verblüffender Weise, dass man die Häuser auf den ersten Blick auch für rundum sanierte Altbauten halten könnte.

Wünsche der Mitglieder hatten grosses Gewicht

Schon Jahre vor der entscheidenden Generalversammlung 2017 hat die Genossenschaft regelmässig den Austausch mit den betroffenen Mitgliedern gesucht und über die jeweils aktuellen Entwicklungspläne transparent informiert.

Vor allem aber hat die BBB von den Genossenschafterinnen und Genossenschaftern des Eidgenossenwegs erfahren wollen, was sie an ihrer Wohnung schätzen und welche Wünsche sie an eine neue Wohnstruktur haben. Resultat: Die meisten waren mit ihrer Wohnumgebung mehr als zufrieden. Die Genossenschaft hat nicht nur zugehört, sondern die Wünsche und Vorstellungen ihrer Mitglieder gegenüber dem Architekturbüro so klar kommuniziert, dass eine «Retrohülle» praktisch die logische Schlussfolgerung war.

Küche Siedlung Eidgenossenweg in Basel

Quelle: SWISS HOME STAGING

Die klassischen Wohnküchen sind entsprechend der Wünsche der Mieterinnen und Mieter nicht verschwunden.

Küche Siedlung Eidgenossenweg in Basel

Quelle: SWISS HOME STAGING

Die klassischen Wohnküchen sind entsprechend der Wünsche der Mieterinnen und Mieter nicht verschwunden.

Aber nicht nur der Auftritt der Punkthäuser mit ihren weit auskragenden Vordächern, die die Fassaden effektiv vor Nässe schützen, spiegelt die 1950er-Jahre. Auch die Grundrisse erinnern an diese Zeit. So wurde beispielsweise darauf verzichtet, die Küchen in einen offen gestalteten Wohnbereich zu integrieren, wie es heute praktisch Standard ist. Stattdessen gibt es auch in den Neubauten klassische Wohnküchen mit genügend Platz für Esstisch und Stühle.

Mit dem Element der Schiebetür wurden diese jedoch «ins Zeitgenössische übertragen», wie Okan Sevim ausführt. Er war bis Ende 2020 verantwortlicher Projektleiter seitens des Ar­chitek­turbüros und hat danach das Projekt als Bau­her­renvertreter weiter betreut. Der klassische Grundriss und die Vorgabe der Genossenschaft, dass möglichst wenige Zimmer weniger als 15 Quadratmeter messen sollen, lässt ein grosses Spektrum an Nutzungsmöglichkeiten der einzelnen Räume zu. Hier wird nicht zwischen El­ternschlafzimmer und Kinderzimmer unterschieden.

Wohnreserve im Dachstock

Ein Ersatzneubau ist für die betroffenen Mieterinnen und Mieter nie einfach. Ältere Menschen beispielsweise nehmen einen solchen Prozess oft zum Anlass, früher als geplant ins Altersheim zu ziehen. Die BBB wollte, dass möglichst alle, die in der Siedlung wohnen bleiben wollten, dies auch während der Bauzeit tun konnten. Dank Etappierung in drei Bau­phasen hat das auch tatsächlich geklappt, da zu je-dem Zeitpunkt genügend Ersatzwohnungen zur Verfügung standen. Die Projekt-planung hat auf die Wünsche der Bewohnerschaft stark Rücksicht genommen und gewisse Prozesse entsprechend beschleunigt oder leicht verzögert. «Zu einem Ausbremsen hat das insgesamt aber nicht geführt», sagt der Architekt.

Die Überbauung hoch über dem Basler Fussballstadion und der St. Jakobshalle bietet neu 88 Wohnungen, rund dreissig Prozent mehr als zuvor. Damit ist die Genossenschaft nicht an die Grenze des Möglichen gegangen. Dazu Würsten: «Das ist die Dosis, die es unserer Meinung nach hier verträgt, so dass sich die Menschen noch mit der Siedlung identifizieren». Sollte die Genossenschaft dereinst auf ihren Entscheid zurückkommen, könnten zusätzliche Wohnungen im Dachstock ohne allzu grosse Eingriffe erstellt werden, denn er ist bereits vollständig gedämmt, wie der Architekt erklärt.

Siedlung Eidgenossenweg in Basel

Quelle: WOHNEN

Mit dem Ersatzneubau sind auch viel grosszügigere Balkone entstanden.

Bis dahin profitieren die Genossenschafterinnen und Genossenschafter davon, dass ihnen neben einem Keller- auch ein Estrichabteil zur Verfügung steht. Obwohl der Dachraum unbeheizt ist, wird er dank der Dämmung nie wirklich kalt und entsprechend rege genutzt. Es sind Hobby- und Bastelräume entstanden, manche haben sich eine Fitnessecke eingerichtet und es wird sogar im Homeoffice gearbeitet.

Badentfeuchtung mit Low-tech-Lösung

Bei der Lüftung für die innenliegenden Nasszellen hat man ebenfalls zu einer unkonventionellen Retro-Lösung gegriffen: Die Feuchtigkeit wird mit einer sogenannten Schwerkraftlüftung abgeführt. Die Technik ist seit Jahrzehnten bekannt, aber etwas verpönt, wie Monika Hall, Projektleiterin an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW), sagt. Die FHNW hat die Wirksamkeit einer solchen Low-tech-Lüftung in einem Mehrfamilienhaus der ersten Bauetappe am Eidgenossenweg ein Jahr lang untersucht, um ihr Verhalten über alle Jahreszeiten zu erfassen.

Normalerweise werden bei innenliegenden Nasszellen Ventilatoren ein­gesetzt, die die Luft aktiv aus den Räumen ab­ziehen. Bei der Schwerkraftlüftung wird die Luft auf Kellerebene gefasst und durch einen Kanal in die innenliegenden Räume geführt. Die Abluft entweicht dann dort deckennah und wird übers Dach abgeführt, wobei jedes Bad sein eigenes Zu- und Abluftsystem hat. Dieses einfache Lüftungssystem funktioniert ohne Energie, angetrieben einzig durch den thermischen Auftrieb und Wind­einfluss.

Hall ist von den Resultaten positiv überrascht. Im Winter kann hohe Luftfeuchtigkeit innerhalb von etwa einer Viertelstunde abgeführt werden, in den Übergangsmonaten dauert dieser Prozess etwa zwei bis drei Stunden. Das bedeutet: Ziel erreicht. Im Sommer jedoch funktioniert die Technik gar nicht, weil dann die Temperaturdifferenzen zwischen innen und aussen zu gering sind. Das sei aber im Grunde nicht weiter schlimm, sagt Hall, denn: «Bei offener Badezimmertür entweicht die Feuchtigkeit über geöffnete Fenster in den anderen Räumen. In den ganz warmen Wochen oder Monaten stehen Fenster ja sowieso offen.» Eine interessante Technik also, weil die Schwerkraftlüftung im Gegensatz zu anderen Systemen keine Energie für den Antrieb benötig und damit sowohl die Umwelt als auch das Portemonnaie schont.

Bei der Wärmeversorgung griff die BBB auf ein Wärmepumpensystem zurück. Die Fussbodenheizung ist dabei mit einem Free-Cooling-System kombiniert. Dieses kühlt im Sommer die Wohnungen, indem Wärme aus der Luft aufgenommen und teilweise der Erde wieder zugeführt wird. So werden auch die Erdsonden regeneriert.

Aussenbereich Siedlung Eidgenossenweg in Basel

Quelle: WOHNEN

Die fünf Punkthäuser wurden fast punktgenau – mit grosszügigem Aussenraum – an derselben Stelle errichtet.

Neuer Baurechtsvertrag nötig

Die Frage der Finanzierung bereitete den Verantwortlichen kein Kopfzerbrechen. Laut Präsident ist die Genossenschaft finanziell sehr gut aufgestellt und hatte deshalb bei der Fremdfinanzierung auf dem Markt keine Probleme. Zuvor jedoch musste wegen des Ersatzprojekts der Baurechtsvertrag mit Immobilien Basel-Stadt (IBS) neu ausgehandelt werden. Die Verhandlungen beschreibt Würsten als «halbschwierig». Das aber eigentlich auch nur, weil wegen einer Baulinienverschiebung Details zwischen dem Regierungsrat und IBS einige Male hin- und hergeschoben wurden.

Auf den sogenannten partnerschaftlichen Baurechtsvertrag Plus hat die BBB verzichtet. Dieser garantiert Bauträgerinnen zwar den günstigsten Zins, beinhaltet aber auch besondere Auflagen, insbesondere was den Erneuerungsfonds betrifft. Mit der dritten und letzten Bauetappe wird endlich auch ein Gemeinschaftsraum realisiert, dem eine zusätzliche Sitzgelegenheit im Aussenraum angegliedert wird.

Im Zuge des Bau­prozesses mussten leider rund zwanzig Bäume gefällt werden. Verschont blieb hingegen ein alter, unter Schutz stehender schöner Baumbestand. Wenn im Herbst das Projekt ganz abgeschlossen ist, werden weitere gross- und mittelkronige Bäume gepflanzt sein. Hinzu kommen Hecken, Blumenrasen und Krautsäume, die den Übergang zwischen Gehölzen und Rasen bilden und wichtige ökologische Vernetzungskorridore bilden. Für die Gehwege zwischen den Häusern konnten sämtliche früheren Granitplatten wieder verwendet werden. Auch der Aussenraum hat so seine früheren Qualitäten weitgehend bewahrt.

*Bei diesem Artikel handelt es sich um eine Zweitverwendung. Der Text erschien erstmals in der Zeitschrift WOHNEN, Heft Nr. 4 2023.

Siedlung Eidgenossenweg in Basel

Quelle: WOHNEN

Blick auf eines der Häuser am Eidgenossenweg. Die alten Granitplatten wurden für die Gehwege neu zugeschnitten und wiederverwendet.

Baudaten

Bauträgerin: Baugenossenschaft des Bundespersonals Basel (BBB)
Architektur: Ferrara Architekten AG, Basel
Bauleitung: Sevim Architektur GmbH, Basel
Unternehmen (Auswahl): Girema Bau AG (Baumeisterarbeiten),4B Fenster AG (Holz-Metall-Fenster), Ariatec Meier & Zanolin GmbH (Lufttechnische Anlagen), Schindler AG (Aufzüge), Bossard Paganelli GmbH (Aussenraumgestaltung)

Umfang

88 Wohnungen (vorher 67), Gemeinschaftsraum, 43 Autoeinstellplätze, 278 Veloplätze
Baukosten (BKP 1 – 5) 39,9 Millionen Franken, 5686 Franken / Quadratmeter HNF

Mietzinsbeispiele

  • Zweieinhalbzimmerwohnung, 62,6 Quadratmeter: 1230 Franken plus 130 Franken Nebenkosten
  • Dreieinhalbzimmerwohnung: 74,1 Quadratmeter, 1330 Franken plus 160 Franken Nebenkosten
  • Viereinhalbzimmerwohnung: 99,4 Quadratmeter: 1710 Franken plus 190 Franken Nebenkosten

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