Autonome Nutzungsplanung der Gemeinden vor dem Aus
Die Ausgangslage ist klar. Das Volk hat der Revision des Raumplanungsgesetzes RPG am vergangenen 3. März mit deutlichen 62,9 Prozent zugestimmt. Nun geht es um die Umsetzung. Der Bund hat dazu drei Instrumente erarbeitet:
- den Entwurf der Raumplanungsverordnung,
- neue «Technische Richtlinien Bauzonen» und
- einen ergänzten Leitfaden für die Richtplanung der Kantone.
Diese drei Instrumente fördern die Siedlungsentwicklung nach innen und verlangen, wo nötig, die Reduktion zu grosser Bauzonen. Sie sind derzeit in der Vernehmlassung. Ob man mit diesen Instrumenten auf dem richtigen Weg hin zu weniger Bodenverschleiss ist und wie sie anzuwenden sind, das war Thema einer Tagung der VLP-ASPAN.
Vier Kantone müssen Bauland zurückzonen
Maria Lezzi, Direktorin des Bundesamts für Raumentwicklung ARE, erläuterte, wie der Bund die mögliche Bauzonengrösse pro Kanton berechnet hat. Nach dieser ersten Einschätzung haben die vier Kantone Wallis, Jura, Neuenburg und Schaffhausen zu grosse Bauzonen; sie müssen zurückzonen.
Sechs weitere Kantone dürfen ihre Bauzonen nicht mehr ausdehnen, sie jedoch umlagern. Für alle Kantone verlangt das Gesetz neu: Sie müssen künftig in ihren Richtplänen genau ausweisen, wie gross ihr Bauzonenbedarf für die nächsten 15 Jahre ist und wie sie eine hochwertige Siedlungsentwicklung nach innen bewirken.
Bauzonen-Bemessung in der Kritik
Für Peter Bernasconi vom Schweizerischen Gemeindeverband SGV basiert die Berechnung der Bauzonengrösse gemäss den «Technischen Richtlinien» auf fragwürdigen Annahmen zur Bevölkerungsentwicklung. Auch sei sie von einen «Top-down-Ansatz» geprägt. Sein Gegenvorschlag lautete, dass jeder Kanton sein eigenes Modell entwickeln solle, wie er die Siedlungsentwicklung steuern wolle, und der Bund dieses auf seine Plausibilität prüfen solle. Damit würden die Bedürfnisse der Kantone und Gemeinden besser berücksichtigt, sagte er.
Keine Gemeindeautonomie mehr bei der Nutzungsplanung?
Roland Tremp vom Schweizerischen Städteverband SSV sagte provokativ, dass die Tage der kommunalen Autonomie in der Nutzungsplanung wohl gezählt seien: Einfach immer weiter neu einzuzonen, damit sei es richtigerweise vorbei. Gemeinden und Städte müssten sich nun vermehrt um eine gute Siedlungsqualität kümmern, Bauzonen gemeindeübergreifend abstimmen, und Stadt und Land gemeinsame Entwicklungsziele formulieren. «Wir sind auf Gedeih und Verderben aufeinander angewiesen», sagte Tremp. Nur wenn es gelinge, eine für alle tragfähige Regelung für den Ausgleich von Planungsvor- und -nachteilen zu schaffen, werde eine gesamtkantonal attraktive Zukunft möglich.
Aktive Bodenpolitik der Gemeinden als Chance
Die aktive Bodenpolitik – bei der die Gemeinden als Eigentümer von Boden agieren und Land kaufen und verkaufen, Zonen umlegen und mit anderen Gemeinden abtauschen, und generell mehr Einfluss auf die Art der Überbauung nehmen – kann eine Chance für Gemeinden sein. Sie sei eine komplexe, aber attraktive und kreative Aufgabe; denn Patentrezepte gebe es nicht, sagte VLP-ASPAN-Direktor Lukas Bühlmann.
So hat die Gemeinde Sils im Engadin bereits in den 1970er Jahren mit Erfolg eine massiv überdimensionierte Bauzone (fast die ganze Silserebene) verkleinert, sich dadurch hohe Kosten erspart und eine einmalige Landschaft erhalten.
Unbegründete Angst vor Entschädigungszahlungen
Bühlmann konnte auch zeigen, dass die Angst vieler Gemeinden, dass Um- und Rückzonungen mit Entschädigungszahlungen an Eigentümer verbunden sind, nicht immer begründet ist: Jüngst hat das Bundesgericht im Fall Salenstein TG eine Rückzonung ohne Entschädigung gutgeheissen, weil die Einzonung im Jahr 1982 überdimensioniert war und bereits damals gegen geltendes Recht verstiess. Sein Fazit: Gemeinden mit überdimensionierten Bauzonen, in denen eine Rückzonungspflicht besteht, müssen nicht in jedem Fall mit Entschädigungsforderungen rechnen.
Wie Landabtausch funktionieren kann, zeigte Pierre-Alain Sydler als ehemaliger Gemeinderat von Kerzers FR. Hier tauschte die Gemeinde mit Landwirten Flächen für eine Arbeitszone ab. Deutlich wurde, dass es für einen Erfolg engagierte Behörden mit Fingerspitzengefühl und Ausdauer braucht, aber auch verständnisvolle Grundeigentümer mit Gemeinsinn. (mgt/mrm)