08:15 KOMMUNAL

Appenzell Ausserrhoden: Stimmen zur «Mega-Fusion» der Gemeinden

Teaserbild-Quelle: Roland Zumbuehl - Eigenes Werk wikimedia CC BY 3.0

Die Gemeindestrukturen von Appenzell Ausserrhoden sollen sich ändern. Darüber besteht Einigkeit. An diesem Punkt hören die Gemeinsamkeiten jedoch auf. Die Stimmen von Gegnern und Befürworten des Vorschlags von drei bis fünf Gemeinden im Kanton. 

Gemeinde Teufen Kanton Appenzell Ausserrhoden

Quelle: Roland Zumbuehl - Eigenes Werk wikimedia CC BY 3.0

Blick auf die Gemeinde Teufen.

Der Gemeindepräsident von Teufen, Reto Altherr (FDP), ist gegen den Vorschlag der Ausserrhoder Regierung mit einer verfassungsmässigen Fixierung auf zukünftig nur noch drei bis fünf Gemeinden in Appenzell Ausserrhoden, wie er im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA sagte. Um sofort nachzuschieben, dass er jedoch offen sei für Fusionen. Wie geht das zusammen? 

Altherr setzt sich für die Eventualvorlage ein, über welche die Ausserrhoder Stimmbevölkerung am 26. November nebst dem sogenannten Gegenvorschlag befinden kann. Diese sieht vor, dass Hürden für Gemeindefusionen abgebaut werden. Der Kanton würde Zusammenschlüsse lediglich administrativ und finanziell unterstützen. 

Dazu sollen die 20 Gemeindenamen aus der Kantonsverfassung gestrichen werden, denn aufgrund dieser Nennung bräuchte heute jeder Zusammenschluss eine kantonale Volksabstimmung. Weiter geht der Gegenvorschlag der Ausserrhoder Regierung, welche die Abstimmung als eine der «prägendsten seit Abschaffung der Landsgemeinde» bezeichnete. 

Der Gegenvorschlag würde zum Zusammenschluss zu drei bis fünf Gemeinden führen, wobei noch offen ist, welche Gemeinden miteinander fusionieren. Die neue Zusammensetzung würde ein Gesetz festlegen, über das die Bevölkerung wiederum abstimmen könnte. Die Regierung argumentiert unter anderem damit, dass zusammengeschlossene Verwaltungen besser und professioneller arbeiten könnten. 

Teufen warnt vor Steuerausfällen 

Teufen ist die steuergünstigste Gemeinde in Appenzell Ausserrhoden. Sie gilt als beliebter Wohnort für Vermögende. Unter anderem um «sehr gute Steuerzahler» sorgt sich Gemeindepräsident Altherr. «Bei einer Fusion mit mehreren Gemeinden würde der Steuerfuss von Teufen sicherlich markant steigen.» 

Dies könne zu einem Wegzug von «guten Steuerzahlern» führen und zwar mit hoher Wahrscheinlichkeit ausserhalb des Kantons. Der Gemeindepräsident will seine Sorge aber nicht nur für Teufen verstanden wissen, sondern für den ganzen Kanton, wie er mehrmals betonte. 

Denn: Fehle es Teufen an Steuereinnahmen, sei auch der Kanton betroffen und es fliesse weitaus weniger Geld in den kantonalen Finanzausgleich, gab Altherr zu Bedenken. Mit der Eventualvorlage könnten Fusionen zudem dort zielgerichtet gefördert werden, wo diese Sinn machten. 

Fusion? Nein danke 

Für den SP-Kantonsrat und ehemaligen Gemeinderat von Trogen, Jens Weber, ist ebenfalls klar, welcher Variante er den Vorzug geben wird: dem Gegenvorschlag. 

Der Handlungsbedarf bei den Gemeindestrukturen sei dringend, erklärte Weber. «Für die 56'000 Einwohnerinnen und Einwohner im Kanton Appenzell Ausserrhoden leisten wir uns zwanzig Mal eine Verwaltung, die teilweise die gleichen Aufgaben erledigt.» Mit dem heutigen Zustand werde eine «negative und ressourcenverschwendende Strukturerhaltung» betrieben. 

Weber schilderte seine bisherigen Erfahrungen mit angedachten Gemeindefusionen. Als er noch im Gemeinderat von Trogen aktiv gewesen sei, sei dieser an die Gemeinde Speicher gelangt mit der Idee, eine Fusion zu prüfen. «Aber wir sind abgeblitzt. Aus Speicher hörten wir: Wir wollen nicht eure Probleme lösen, denn wir haben keine», sagte Weber. Kleinere Gemeinden seien aber auf Fusionen angewiesen, etwa um die Verwaltung zu professionalisieren. 

Führt der Gegenvorschlag nicht zu den von den Gegnern monierten Zwangsfusionen, bei der sich beispielsweise Speicher mit einer anderen Gemeinde zusammenschliessen müsste? Davon könne keine Rede sein, so Weber. Der Gegenvorschlag gebe nur die Stossrichtung vor. «Dann wird im partizipativen und demokratischen Prozess mit dem Regierungsrat, dem Kantonsrat, den Gemeinden und der Bevölkerung geschaut, wie die künftige Aufteilung der Gemeinden genau ausschauen soll.»

Logik bei Zusammenarbeit fehle 

Ebenfalls für den Gegenvorschlag setzt sich der parteiunabhängige Kantonsrat Peter Gut aus Walzenhausen ein. Den Einwand, den etwa auch der Gemeindepräsident von Teufen einbrachte, dass die Ausserrhoder Gemeinden bereits heute intensiv zusammenarbeiteten und beispielsweise Teufen gewisse Aufgaben von anderen Gemeinden übernehme, liess Gut nicht gelten. Der heutigen Zusammenarbeit fehle es teilweise an Logik und Systematik. «Zudem sind diese Zweckverbände der demokratischen Mitbestimmung entzogen.»

Fusionen ermöglichen will auch Marcel Walker, Mitglied im Pro-Komitee der Eventualvorlage, FDP-Politiker und Geschäftsführer. Ihm geht es aber darum, Fusionshürden zu senken und damit Zusammenschlüsse zu ermöglichen. Einen Fusionszwang lehnt Walker kategorisch ab. Zu Spitzenzeiten habe es in der Schweiz 3000 Gemeinden gegeben, heute noch etwas über 2000. Analysen hätten gezeigt, dass erfolgreiche Fusionen stets auf Freiwilligkeit beruht hätten. 

Ohne konkreten Auftrag zu Fusionen ändere sich gar nichts an den Gemeindestrukturen, war an Podien zu hören. «Möglich», gibt auch Walker zu. Dennoch hält er den Gegenvorschlag für den falschen Weg. Auf jeden Fall sei das Gemeinwesen so zu gestalten, dass es milizfähig bleibe. Je grösser das Gebilde, umso mehr nehme die Identifikation mit einer Gemeinde und damit der Wille zur Partizipation im Milizsystem noch weiter ab. (sda/pb)  

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