11:58 KOMMUNAL

Kaiserstuhl realisiert Umstieg auf Elektromobil nach Mass

Geschrieben von: Stefan Schmid (sts)
Teaserbild-Quelle: zvg

Als Ersatz für das Kommunalfahrzeug nahm Kaiserstuhl kürzlich einen vollelektrischen Geräteträger in Betrieb. Weil sich auf dem Markt kein passendes Angebot fand, hat ein spezialisierter Fahrzeugkonstrukteur für die flächenmässig kleinste Gemeinde des Kantons Aargau eine Serienmaschine zu einem multifunktionellen Fahrzeug umgebaut.

Der vollelektrische «Reform Boki e80».

Quelle: zvg

Der «Reform Boki e80» ist das Ergebnis einer intensiven Zusammenarbeit zwischen Gemeinde, Lieferant und einem findigen Fahrzeugbauer. 

Das geschichtsträchtige Aargauer Städtchen Kaiserstuhl war auf der Suche nach einem passenden Ersatz für das bisherige Kommunalfahrzeug. Denn mit über 23 Betriebsjahren und steigenden Unterhaltskosten nahm die Nutzungsdauer des multifunktionellen Fahrzeugs definitiv ein Ende. Es sollte ein zeitgemässes Modell mit vollelektrischem Antrieb sein und entsprechend tiefen Betriebskosten.

Ähnlich wie beim ausrangierten Fahrzeug sollte zudem die Leistung sein und die Konfiguration, um bestehende Anbaugeräte bei einer möglichst langen Betriebsdauer weiter verwenden zu können. Das waren die Vorgaben der Evaluation. Zudem soll der Geräteträger für die gut 400 Einwohner auch den Winterdienst verrichten.

Bewährtes verbessern

Allerdings fand sich auf dem Markt kein passendes Angebot, das dem Anforderungskatalog in zufriedenstellender Weise entsprechen konnte. Also bot sich nur eine massgeschneiderte Lösung an, bei der eine ausgereifte Serienmaschine von einem spezialisierten Fahrzeugbauer mit einem Elektroantrieb ausgerüstet wurde.

Die Wahl fiel auf ein flexibles Grundfahrzeug, dem bewährten schmalspurigen «Reform Boki» der Agromont AG, der Schweizer Niederlassung des österreichischen Unternehmens Reform, das Spezialfahrzeuge für den Ganzjahreseinsatz in der Bergland- und Kommunaltechnik entwickelt und produziert.

«Reform Boki e80» mit Gemeindevertretern bei der Inbetriebnahme.

Quelle: zvg

Bruno Naef, Landmaschinenstation Eglisau AG, übergibt dem Werkhofmitarbeiter Erich Weibel die Schlüssel für die Inbetriebnahme des neuen «Reform Boki e80» mit vollelektrischem Antrieb.

Den Umbau des Fahrzeugs bewerkstelligte die MK Fahrzeuge GmbH aus Triengen LU, die auf Anwendungen im Zusammenhang mit der Elektromobilität spezialisiert ist. Anstelle des originalen dieselbetriebenen Antriebsstrangs wurde ein 80-V-Elektromotor eingebaut. Die Motoren leisten nominal 2 x 13 kW respektive 2 x 42 kW Peak-Leistung und bieten auf jeder Achse ein Drehmoment von 3860 Nm. Als Alternative verfügbar ist auch die Variante eines 400 V-Elektromotors mit 2 x 60 kW nominal und 2 x 90 kW Peak-Leistung.

Optisch ist das Fahrzeug fast nicht von anderen Serienmodellen zu unterscheiden. Beachtlich ist die Ladebrücke, die aufgrund der fehlenden Motorhaube hinter der Fahrerkabine grosszügiger konzipiert werden konnte. Eine für Geländefahrzeuge wichtige Eigenschaft ist die optimale Gewichtsverteilung. Diese wird dadurch erreicht, dass die Akkus links- und rechtsseitig entlang des Fahrgestells montiert sind. Zudem sind die Elektromotoren und weitere Aggregate auf die gesamte Länge des Fahrrahmens verteilt, was dem Geräteträger eine hohe Stabilität verleiht.

«Second Life» für Akkus

Die Reichweite beträgt je nach Aufbau, Jahreszeit und Wetter rund 130 Kilometer und kann den Kundenanforderungen entsprechend definiert werden, was bei eintägigen Einsätzen für die Kommune oder umfangreicheren Beanspruchungen laut der Gemeinde mehr als genug ist. Für die Ladezeit ist mit 2,5 bis 5,5 Stunden zu rechnen, abhängig vom verwendetem System und der Skalierung. Serienmässig ermöglich der «MK-Reform Boki-E80» die Rekuperation und ist mit Systemen wie BMS und Hill Holder sowie einer Thermoüberwachung ausgerüstet.

Die Lenkung sowie die Bordhydraulik für die Anbaugeräte werden über motorgeregelte, hydraulische Konstant-Pumpen betätigt, hydraulisch über eine elektrische Vakuumpumpe funktionieren auch die Scheibenbremsen. Die Höchstgeschwindigkeit des «MK-Reform Boki-E80» liegt bei maximal 45 Stundenkilometern bei einem Gesamtgewicht von bis 6,5 Tonnen, die aufgrund der Allradlenkung leicht durchs Gelände gelenkt werden können. Je nach Auf- und Anbaugerät beträgt die Nutzlast gegen 3,5 Tonnen.

Der Fahrzeugunterhalt wird im technischen Bereich durch den «Reform»-Partner gewährleistet sowie von mobilen Service-Techniker direkt vor Ort. Das Recycling der Akkus besorgt die MK Fahrzeuge GmbH im Rahmen eines «Second Life»-Projekts.

Erich Weibel vor seinem neuen Arbeitsgerät.

Quelle: zvg

Bauhofmitarbeiter Erich Weibel vor seinem neuen, sauberen Arbeitsgerät.

Kleinste Gemeinde mit grossem Wurf

Nach mehreren Besitzerwechseln über die Jahrhunderte unterstand Kaiserstuhl der Landesverwaltung der Konzilstadt Konstanz und erhielt dadurch den Rang einer Landstadt des Heiligen Römischen Reichs, wurde aber nach der Eroberung des Aargaus durch die Eidgenossen schliesslich 1415 Teil des Kantons. Verschiedenen Quellen zufolge sollen auch die Römer die strategische Bedeutung der Siedlung am Rhein erkannt haben.

Ende Januar 2020 durften Vertreter der geschichtsträchtigen Aargauer Stadt Kaiserstuhl für ihren Werkhof als Kommunalfahrzeug den brandneuen, vollelektrischen Geräteträger «MK-Reform Boki-E80». Was bei dieser engen Zusammenarbeit von den Unternehmen auf die Räder gestellt und auch homologiert wurde, lässt sich durchaus sehen, sagen die Gemeindevertreter bei der Präsentation des Fahrzeugs mit sichtlicher Zufriedenheit.

Sowohl für eintägigen Kommunaleinsätze als auch für die Erledigung gröberer Arbeiten sieht sich die Verwaltung der flächenmässig kleinsten Gemeinde des Kantons – mit anderen Ortschaften auch der Schweiz – wieder gewappnet. Vom 32 Hektaren grossen Gemeidegebiet entfallen elf Hektaren auf Ackerland und Wiesen, drei auf Waldflächen. Anstatt das Knattern eines Dieselmotors wird im beschaulichen Städtchen künftig lediglich ein Surren des Multifunktionsfahrzeugs zu hören sein. Ruhiger wäre da nur noch des Kaisers Sänfte.

Geschrieben von

Redaktor Baublatt

Seine Spezialgebiete sind wirtschaftliche Zusammenhänge, die Digitalisierung von Bauverfahren sowie Produkte und Dienstleistungen von Startup-Unternehmen.

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