Viscosistadt in Luzern: Am Ufer der Kleinen Emme
Ein Teil des früheren Viscose-Areals in Emmenbrücke bei Luzern heisst heute Viscosistadt. In behutsamen Schritten wird es in ein vielfältiges Stadtquartier umgewandelt. Ein Pionier-Ankermieter ist die Hochschule Luzern, deren Departement Design & Kunst mit einem Anbau seine Kräfte vor Ort weiter konzentriert hat.
Emmenbrücke ist ein Ortsteil der Gemeinde Emmen. Er entstand nach dem Bau der 1856 eröffneten Bahnlinie von Luzern nach Olten. Diese führt bis heute von Luzern her dem linken Reussufer entlang. Sie überquert die Kleine Emme bei deren Mündung in die Reuss, unweit der Stelle, an dem die historische Emmenbrücke stand und erreicht den Bahnhof, Emmenbrückes Keimzelle. Dessen Lage auf der grünen Wiese prädestinierte die Gegend gemeinsam mit der in Fülle verfügbaren Wasserkraft als Industriestandort.
Nachdem auf der Emmenweid noch im 19. Jahrhundert das Stahlwerk von Moos gegründet wurde, legten französische Investoren 1906 südlich davon den Grundstein für die «Viscose Emmenbrücke», eine Kunstseidenfabrik, in deren Gebäudebestand jetzt die Viscosistadt entsteht. Lange wuchsen und prosperierten diese Konzerne quasi ungebremst; bis in die 1970er-Jahre fand auf den Arealen eine stete Verdichtung statt. Weiter nördlich und auf der anderen Seite der Bahnlinie entstanden Wohnquartiere. Emmenbrücke wurde eine Arbeitervorstadt Luzerns.
Rau, aber herzlich
Die Gemeinde wirkt auf den fremden Besucher bis heute wenig idyllisch oder beschaulich. Das liegt auch an der geographischen Lage: Flussufer können mitunter romantisch sein, doch man darf nie vergessen, dass Gewässer häufig überaus launisch und dadurch gefährlich sind. Die Kleine Emme hat sich diesbezüglich einen Ehrfurcht erheischenden Ruf erworben. Immer wieder lassen sie Unwetter abrupt anschwellen. Deshalb wurde ihr Lauf schon im 19. Jahrhundert kanalisiert.
Trotzdem kam es auch in Emmenbrücke immer wieder zu verheerenden Hochwassersituationen. Das letzte Mal im Sommer 2005, als der Seetalplatz beim Zusammenfluss von Emme und Reuss überschwemmt wurde. Der Hochwasserschutz wurde seither verbessert, die Uferbereiche prägen heute neben den stark frequentierten Verkehrswegen mächtige Mauern. Den Seetalplatz richtet man nach einem Masterplan als neuen Verkehrsknotenpunkt und städtebaulichen Schwerpunkt her.
Quelle: Manuel Pestalozzi
Die Viscosistadt besitzt eine prägnante Uferfront. Sie wird durch den neu errichteten Anbau mit seiner Aluminiumfassade aufgewertet.
Turbulente Zeiten erlebte wenige Meter vom Platz entfernt auch die Viscosuisse, die aus der ursprünglichen Kunstseidenfabrik hervorgegangen war. Noch Anfang der 1980er-Jahre gingen dort täglich bis zu 3000 Mitarbeitende ein und aus. Mittlerweile ist das Unternehmen stark geschrumpft, heisst Monosuisse AG und ist Teil der Sefar-Gruppe. Es beansprucht auf dem rund 89 000 Quadratmetern grossen Areal nur noch einen Gebäudekomplex für die Produktion von Chemiefasern. Deshalb wurde 2013 die Viscosistadt AG gegründet.
Sie steht unter der operativen Leitung von Alain Homberger, Mitglied des Verwaltungsrates der Sefar Holding AG, und strebt eine zukunftsträchtige Verwandlung des Areals an. Diese soll in behutsamen, sanften Schritten erfolgen. Denn allen Beteiligten ist bewusst, dass dieses Fabrikgelände in seiner rauen Umgebung vielen Familien in Emmenbrücke ans Herz gewachsen ist und hier auch die Seele des Emmener Ortsteils beheimatet ist.
Die Verbindung zwischen dem Industrie- und dem Wohngebiet wird nach wie vor als eng empfunden, was auch am nahezu nahtlosen Übergang zwischen ihnen liegen mag. Baulich symbolisiert diese Nähe das geliebte Tramhäuschen an der Gerliswilstrasse, am nördlichen Rand der Viscosistadt. Der kleine, als Transformatorenstation und Wartehalle errichtete Solitärbau aus den 1920er-Jahren wurde im Rahmen der Arealentwicklung in eine Stiftung überführt. Nach einer leichten Standortverschiebung dient er an der Kreuzung mit der Emmenweidstrasse als Gastronomie- und Event-Location.
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