Swatch-Hauptsitz in Biel: Shigeru Ban bietet Herausforderungen
Wie ein schuppiges Reptil zieht sich der neue Swatch-Hauptsitz in Biel der Schüss entlang. Letzte Woche ist der von einem Drachen inspirierte Holzbau aus der Feder von Shigeru Ban eröffnet worden. Die Bauarbeiten boten einige Herausforderungen.
Mit einer Länge von 240 Metern und einer Breite von 35 Metern verbindet er die Gebäude der Omega und der Swatch, daneben beherbergt der Neubau mit der „Cité du Temps“ auch das Uhrenmuseum der beiden Marken. Seine Hülle setzt sich aus unterschiedlichen Fassadenelementen zusammen: unter anderem aus geschlossenen und gedämmten Teile, transparenten Glaselemente, Sonnenschutzglas, Photovoltaik, Luftkissen aus ETFE-Folie sowie optische oder vielmehr akustisch wirksame Inlets in Form von Schweizerkreuzen.
Die Bauarbeiten waren anspruchsvoll. Mit einer Fläche sei 11‘000 Quadratmetern sei die Konstruktion die bisher grösste Gitterschale, die in der Firmengeschichte realisiert worden sei, heisst es dazu in der Medienmitteilung der mit der Umsetzung des Projekts beauftragten Blumer-Lehmann AG. „Die Form und die einzelnen Träger sind riesig und die Anforderungen an die Genauigkeit waren sehr hoch“, wird Felix Holenstein von der Blumer-Lehmann AG, Leiterdes Swatch-Projekts, im Communiqué zitiert. „Doch das ist im Holzbau alles machbar.“
Den Bauarbeiten war eine dreijährige Planungsphase vorausgegangen, in der auch die Form auf ihre Machbarkeit und die Geometrie der Träger überprüft worden sind. Besonders letzteres dürfte komplex gewesen sein, da keines der rund 4600 Trägerelemente gleich ist, jedesist ein Unikat.
Haustechnik in der Tragstruktur einbauen
Besondere Herausforderungen brachteder Entscheid, die haustechnischen Leitungsführungen in der Tragstruktur zu integrieren laut Holenstein brachte mit sich. Die Struktur musste in der Detaillierung noch einmal überarbeitet werden. Danach konnten die 2D-Pläne für die 3D-Modellierung parametrisiert werden. Das auf diese Weiseentstandene Modell bildete die Grundlage für die drei verschiedenen Rohlingstypen aus Brettschichtholz: „gerade“, „einsinnig gekrümmte“ und „zweisinnig gekrümmte“ Träger.
Wegen der Gebäudeform wurden mehrheitlich zweisinnig gekrümmte Träger benötigt, die aus Rohmaterial gefertigt wurden, die in zwei Richtungen gebogen und verdreht zu Brettschichtholz verleimt sind. Durch die Parametrisierung konnten auch die über 16‘000 Stahlteile und 140‘000 Verbindungsmittel auf einige wenige Typen heruntergerechnet werden.
Anspruchsvolle Lagerung, luftige Montage
Damit sich der Montagetermin einhalten liess, wurden die Trägerelemente auf fünf verschiedenen Produktionsanlagen hergestellt. Zudem musste frühzeitig festgelegt werden, welche Bauteile auf welcher Anlage produziert wurden. Dies, damit das richtige Rohmaterial und die Produktionsdaten jeweils passend für die entsprechenden Maschinen verfügbar sind.
Die unterschiedlichen Krümmungsradien der bis zu 13 Meter langen Rohlinge erschwerten ihre Lagerung, die darum äusserst genau geplant und vorbereitet werden musste.
Eine weitere Herausforderung bot die Planung der Montage. Nachdem fest stand, wie die ineinandergreifenden Teile Stoss auf Stoss montiert werden, wurde die Reihenfolge für die Montage festgelegt. Dies betraf auch die Produktion der Trägerelemente, schliesslich mussten sie exakt in dieser Reihenfolge produziert und auf die Baustelle gebracht werden. „Die grösste Herausforderung war es, die richtigen Teile zur richtigen Zeit auf der Baustelle zu haben,“ so Holenstein. Solches wäre ohne eine dreidimensionale Planung an einem 3D-Modell gar nicht möglich gewesen.
Bevor die Teile auf der Baustelle montiert werden konnten, wurde ein Leergerüst erstellt und die Auflagerpunkte wurden exakt definiert. Die dafür nötigenMessdaten konnten aus dem 3D-Modell gewonnen werden. Die Hilfskonstruktion diente dazu, die Hauptkonstruktion bis zur Fertigstellung zu stützen aber auch die Installationen und die Fassadenarbeiten auszuführen. Weil die Strasse auch während der rund neunmonatigen Montagephase für den Verkehr befahrbar bleiben musste, wurde in zirka 13 Meter Höhe eine zusätzliche Plattform erstellt, damit die Monteure von ihr aus arbeiten konnten.
Gitterschale in Millimeterarbeit
Die eigentliche Gitterschale ist in 13 Etappen aufgebaut worden. Nachdem man die Schwellenelemente verankert hatte, konnte von unten nach oben aufeinander zu gearbeitet werden bis allesin der Firstlinie in der Mitte zusammentraf. „Wichtig war, dass wir fortlaufende Kontrollen mit dem Tachymeter machten, damit wir gegebenenfalls Aufsummierungen von Differenzen hätten ausgleichen können“, sagt Stefan Bischoff, Montageleiter bei Blumer-Lehmann. Auch wenn alles vorher geplant und berechnet war, blieb die Spannung besonders bei der ersten Etappe hoch – so lange bis die beiden Flanken am Schluss millimetergenau aufeinandertrafen. (mai/mgt)