Papierlose Baustelle: BIM auf den Laserpunkt gebracht
Die Elektroinstallationen im Innovationspark Zentralschweiz wurden digital abgesteckt. Ein neu entwickeltes Verfahren überträgt die notwendigen Daten aus dem BIM-Modell direkt auf die Baustelle. Damit wurde ein durchgängiger Workflow für «BIM 2 Field» entwickelt.
Quelle: zvg
Die Totalstationen dienten beim Bau des Innovationsparks Zentralschweiz quasi als hochpräzise Baulaser: Sie übertrugen die Daten aus dem BIM-Modell auf die Wand.
Von Stefan Ulrich*
Seit Jahren widmen sich zahlreiche Kongresse, Tagungen und Publikationen dem Thema BIM. An Theorien und Konzepten fehlt es nicht, wohl aber an konkreten Erfahrungen mit dem «Building Information Modeling». Denn die Praxis zeigt: Sobald Unternehmer versuchen, einzelne Systeme miteinander zu verknüpfen oder Daten des Kunden in ein BIM-Modell und von dort auf die Baustelle zu übertragen, gibt es Herausforderungen.
Mit dem «grossen Wurf», auf den alle warten, können diese Schwierigkeiten nicht behoben werden. Zielführender ist es, mit BIM nicht alle Probleme auf einmal lösen zu wollen, sondern Schritt für Schritt zu neuen Abläufen und Verfahren zu gelangen. Die Burkhalter-Gruppe hat dafür eigene BIM-Gremien geschaffen (siehe «BIM bei Burkhalter» unten). In diesen Strukturen entstand ein Pionierprojekt für den Bau des Innovationsparks Zentralschweiz.
Auf der Baustelle in Risch-Rotkreuz ZG wurde eine papierlose Absteckung für die Elektroinstallationen umgesetzt. Anstelle von Papierplänen setzte man eigens für den Baustelleneinsatz optimierte Totalstationen ein. Deren Laser markierte die Position von Bohrlöchern für Stützen, Leuchten oder Abzweigdosen auf den Millimeter genau. Die Daten dafür lieferte ein BIM-Modell des Gebäudes.
Seitens der Burkhalter-Gruppe waren zwei Firmen beteiligt. Installationsbetrieb war die Marcel Hufschmid AG aus Zug, als Schnittstelle zwischen Fachplaner und Installateur amtierte die Rothrister Alpha-Plan AG. Fachplaner war die Hefti Hess Martignoni AG aus Zug und die Heerbrugger Leica Geosystems AG wirkte als Hardware-Lieferant mit.
Hochpräziser Baulaser
Die Idee für das Anwendungs-Projekt entstand in der BIM-Fachgruppe der Burkhalter-Gruppe. In diesem Gremium beschäftigen sich Projekt- und Bauleiter sowie Planer aus verschiedenen Gruppengesellschaften mit konkreten Fragen bezüglich der Digitalisierung von Elektroinstallationen. Eine dieser Fragen war: Wie können die Daten aus einem BIM-Modell auf die Baustelle gebracht werden?
Mit der Totalstation, welche bei Installationsprojekten oft zur Anwendung kommt, stand gewissermassen ein hochpräziser Baulaser zur Verfügung. Doch das Grundprinzip einer Totalstation ist die Kombination aus Winkel- und Distanzmessungen für das Abstecken, für das Aufmass und zum Prüfen. Um den Laser als zweckmässige Montagehilfe nutzen zu können, waren also Anpassungen an Schnittstellen, neue Funktionen und nicht zuletzt eine optimierte Software für die Geräte notwendig.
Erste Sondierungsgespräche mit einigen Herstellern von Totalstationen zeigten, dass es sich beim angedachten Einsatz um ein zusätzliches Anwendungsgebiet handelte. Bei Leica Geosystems war die Bereitschaft vorhanden, sich als Projektpartner einzubringen und bestehende Geräte und Software zu erweitern.
In gemeinsamer Arbeit entstand schliesslich der Workflow. Das Datenmodell wurde mit der «Revit»-Software von Autodesk erstellt, einem datenbankbasierten BIM-Tool. Aus dem BIM-Modell wurden die Installationspläne in die Cloud exportiert. Der Import auf die Tablets der Installateure erfolgte mit der App «BIM 360». Von den Tablets wiederum konnte die Totalstation über eine Bluetooth-Verbindung angesteuert werden.
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Die papierlose Absteckung überzeugt: Ein Team der Burkhalter-Gruppe bespricht die nächsten Arbeitsschritte auf der Baustelle.
Knacknuss Datenqualität
Die konventionelle Elektroplanung läuft mittels 2D-Papierplänen. Beim Arbeiten mit BIM wird nicht nur mit 3D-Daten gearbeitet, diese Daten müssen auch viel präziser sein. Dafür zwei Beispiele:
- Bei der Montage von Handtastern wird vom Mittelpunkt ausgegangen. Je nach Fabrikat sind die Taster aber sehr unterschiedlich. Faktisch muss das konkrete, auf der Baustelle verwendete Produkt mitsamt Abmessungen in das BIM-Modell eingepflegt werden.
- Auch bei Trassenstützen wird meistens der Mittelpunkt als Referenz verwendet. Jedoch besitzen diese Stützen vier Bohrlöcher, die von jedem Hersteller anders angeordnet werden. Auch hier ist es zentral, das konkrete Produkt in das Modell einzupflegen.
Im Zusammenhang mit den Objektdaten zeigte sich vor allem eine Schwierigkeit: Für die Elektroinstallationsbranche sind noch keine Datenbanken oder Objektfamilien vorhanden, welche die Dimensionen und technischen Daten der BIM-Objekte angemessen abbilden.
Durch die Vielzahl der Hersteller ist zudem unklar, wann solche Daten geliefert werden und welche Genauigkeit sie aufweisen. Wer mit BIM arbeiten will, muss also teilweise Zusatzaufwände in Kauf nehmen und die notwendigen Datensätze selber erstellen oder erweitern.
Theorie und Toleranzen
Das komplettierte BIM-Modell bildete eine gute Grundlage für die Arbeit auf der Baustelle. In jedem Raum wurde zunächst die Totalstation aufgestellt und referenziert. Anschliessend konnte die Laserabsteckung Punkt für Punkt vorgenommen werden.
In kleinen Räumen funktionierte dies einwandfrei, und das Setzen der Bohrlöcher war merkbar schneller als beim manuellen Anzeichnen. Bei grösseren Räumen oder hohen Decken wurde der Laserpunkt durch die optische Verzerrung zuweilen zur Strecke. Abhilfe schuf eine Neuaufstellung der Totalstation. Dies war auch nötig, wenn bereits installierte Gewerke wie etwa Kühldecken oder Lüftungskanäle dem Laser den Weg versperrten.
Beim Innovationspark Zentralschweiz wurde einzig die Elektroinstallation mittels BIM geplant und ausgesteckt. In der Praxis führte dies zuweilen zu Herausforderungen. So war beispielsweise keine Kollisionsprüfung möglich, weil die anderen Gewerke allesamt in 2D geplant wurden. Ebenso gab es Unterschiede zwischen digitaler Bauplanung und handfester Baupraxis. Denn der «digitale Zwilling» entspricht nicht eins zu eins dem gebauten Objekt.
Bautoleranzen sind alltäglich, werden im Modell aber (noch) nicht berücksichtigt. Im digitalen Modell besteht eine Mauer zum Beispiel nur aus Backstein, in der Realität werden darauf Wärmedämmung und Verputz aufgebracht. Solche Finessen gilt es zu berücksichtigen, im Zweifelsfall muss nach wie vor manuell gemessen und angezeichnet werden.
Insgesamt hat sich die lasergestützte Absteckung jedoch bewährt. Die Totalstationen, welche in Rotkreuz eingesetzt wurden, sind bei Leica Geosystems weltweit im Einsatz. Neue Erkenntnisse aus der Zusammenarbeit in Rotkreuz werden in die Produktentwicklung einfliessen.
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Die Installateure konnten via Tablet auf die BIM-Pläne zugreifen.
Genauer planen und bauen
In der Summe blieb der Zeitaufwand beim Projekt mit digitaler Absteckung ungefähr gleich wie beim konventionellen Bauen. Mit BIM verringert sich zwar der Anteil der Ausführungsarbeiten, dafür ist mehr Koordination und Abstimmung notwendig. Plakativ formuliert: Das Bauen wird nicht günstiger, dafür genauer.
So können insbesondere die Aufwände für Fehlerbehebung und Regiearbeiten stark reduziert werden. BIM ermöglicht damit einen teilweisen Abschied von der sehr aufwendigen rollenden Planung, welche das Baugewerbe bis jetzt charakterisiert. Ebenso kann das unkoordinierte und zu hohen Kosten führende Nebeneinander in ein Miteinander überführt werden.
Um den beschriebenen Workflow umsetzen zu können, braucht es eine detailliertere und präzisere Planung. So muss etwa der Architekt den Wandaufbau oder die Materialisierung detailliert definieren. Der Elektroplaner wiederum muss die Produkte inklusive deren Besonderheiten wie beispielsweise die Montagelöcher bei Stützen oder den Mittelpunkt bei Tastern viel früher und genau definieren, und zwar in sehr enger Zusammenarbeit mit dem Elektroinstallateur. Nur so kann das BIM-Modell die korrekten Daten liefern und damit auch die richtigen Punkte projizieren.
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Von der Blackbox zum transparenten Gewerk: Mit Hilfe des BIM-Modells können auch spätere Anpassungen an der Elektroinstallation problemlos ausgeführt werden.
Zahlreiche Vorteile
Für die Elektroinstallationsbranche bietet BIM verschiedene Vorteile. Die höhere Genauigkeit bei der Planung begünstigt eine reibungslose Ausführung. Der Nachweis der installierten Kabel und Produkte, aber auch die Rapportierung der geleisteten Arbeit, sind einwandfrei und nachvollziehbar möglich.
Beides ist im Sinn der Transparenz und des fairen Wettbewerbs zu begrüssen. Nicht zuletzt verändert und erweitert sich die Tätigkeit des Elektroinstallateurs. Die Arbeit mit umfassenden Datenmodellen und modernster Technik wertet den Beruf auf und macht ihn für neue Zielgruppen interessant.
*Stefan Ulrich ist Leiter Swiss Projects bei der Burkhalter-Gruppe und Leiter der unternehmensinternen BIM-Fachgruppe.
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Der Innovationspark Zentralschweiz hat sich auf dem Suurstoffi-Quartier in Rotkreuz ZG einquartiert.
BIM bei Burkhalter
Die Burkhalter-Gruppe ist eine der führenden Anbieterinnen von Elektrotechnik-Dienstleistungen am Bauwerk und mit über 40 Gruppengesellschaften an fast 100 Standorten in der Schweiz vertreten. Um eine firmenübergreifende BIM-Struktur aufbauen zu können, wurde 2016 eine interne BIM-Fachgruppe gegründet.
Sie besteht aus den Geschäftsführern der grösseren Gruppengesellschaften. Ergänzt wird die BIM-Fachgruppe von einer Technischen Kommission (TK). Mitglieder der TK sind Mitarbeitende, die im Tagesgeschäft mit BIM konfrontiert sind, etwa Projektleiter, Bauleiter oder Planer.
Verschiedene Untergruppen der TK beschäftigen sich mit praktischen Fragen: Wie können zum Beispiel Stücklisten direkt aus dem BIM-Modell generiert werden? Wo kann die Koordination auf der Baustelle dank BIM verbessert werden? Das Ziel ist stets ein durchgängiger Workflow, welcher den Mitarbeitenden einen echten Nutzen bringt – etwa durch schlankere Abläufe, Zeitersparnis oder höhere Genauigkeit. (stu)
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Im Gebäude gibt es unter anderem auch modernste Workshop-Zonen.
Der Innovationspark Zentralschweiz
Nach zweijährigem Betrieb in temporären Räumlichkeiten ist der Innovationspark Zentralschweiz Ende September 2019 auf dem Suurstoffi-Areal in Risch-Rotkreuz ZG eingezogen. Der Innovationspark vernetzt etablierte Unternehmen, Start-Ups, akademische Institutionen und die öffentliche Hand, um «Building Excellence» zu schaffen.
Für die Elektroinstallation wurden im Innovationspark von der Marcel Hufschmid AG unter anderem rund 14 Kilometer Installationskabel, 100 Abzweigdosen und 390 Leuchten eingebaut. Die Absteckung für diese und weitere Gewerke wurde mit dem beschriebenen papierlosen Verfahren (Lasermarkierung durch Totalstation) realisiert. Die Burkhalter-Gruppe, zu welcher die Marcel Hufschmid AG gehört, ist Partner des Innovationsparks Zentralschweiz.(stu)