Obel-Award geht nach Bangladesch: Preis für „Ort der tiefen Freude“
„Anandaloy“ ist eine Textilwerkstatt für Frauen und ein Therapiezentrum in Bangladesch, gebaut aus Lehm und Bambus. Die Architektur dazu entwärf Anna Heringer. Das Projekt wurde vor kürzlich mit dem Obel-Award geehrt.
„Architektur ist ein Werkzeug um das Leben zu verbessern“, sagt die deutsche Architektin Anna Heringer die sich nicht nur als Architektin sondern auch als Sozialarbeiterin und Aktivistin versteht.
Und so umfasst für sie das Projekt „Anandaloy“ in Rudrapur, einem Dorf im Norden Bangladeschs, Einiges mehr als Architektur. „Anandaloy“ bezeichnet im lokalen Dialekt einen Ort der tiefen Freude. Im Fall von Heringer ist dieser ein zweistöckiges Gebäude, in dem sowohl ein Therapiezentrum für behinderte Menschen als auch die Textilwerkstatt Dipdii Textiles untergebracht sind. Die Werkstatt ist unter anderem von Heringer und der NGO Dipshikha gegründetes Projekt, das lokale Textiltraditionen fördern und die Arbeitsmöglichkeit für Frauen aus der Umgebung verbessern will.
Heringer hat ihren „Ort der tiefen Freude“ als einen geschwungenen, luftig anmutenden Bau aus Bambus und Lehm entworfen. Dabei kam die Lehmwellerbau- oder vielmehr die „Cob“-Technik zum Einsatz, bei der Lehm, Wasser und Fasern wie Stroh miteinander vermengt werden. Aus diesem Material besteht auch die grosszügige Rampe, die ins leicht erhöhte Parterre führt, wo sich das Therapiezentrum befindet. Darunter hat die Architektin an Höhlen erinnernde, gemütliche Räume angelegt, die sowohl als Rückzugsort dienen als auch zum Spielen und Entdecken animieren dürften.
Lokale Materialien und globale Kreativitäz
„Dieses Gebäude bringt alles zusammen: lokale Materialien, lokale Energiequellen und globale Kreativität“, erklärt Heringer. Es sei ihr wichtig zu zeigen, „dass das Material unter unseren Füssen und die Dinge, die um uns herum wachsen, genug sind, um etwas Schönes daraus zu machen“. Die Inspiration für das Gebäude lieferten darum wohl vor allem die örtlichen Handwerkstraditionen. Bei der Fassade lieferte allerdings ein klassisches Flechtmuster die Vorlage, wie man es etwa auf Thonet-Stühlen findet. „Die Arbeiter mochten dieses Design, und es war einfach, es mit dem Bambus umzusetzen.“
Nicht das erste Projekt in Bangladesch
„Anandaloy“ ist übrigens nicht Heringers erstes Projekt in Bangladesch.
Sie hat - ebenfalls in Rudrapur - eine Schule gebaut. Der entfernt an Anandaloy
erinnernde Bau ist mit einem Aga-Khan-Award ausgezeichnet worden.
Derweil hat Anandaloy dieser Tage den Obel-Award erhalten. Mit dem Preis will die
dänische Obel Foundation Architektur auszeichnen, die auf herausragende Weise zur
menschlichen Entwicklung beiträgt. Erstmals ist die Auszeichnung im 2019 verliehen worden, damals erhielt ihn der Japaner Junya Ishigami für seinen
Wassergarten. (mai)