Neubau des Schwimmbads Sonnenberg in Engelberg
Der Fremdenverkehrsort Engelberg besitzt seit 1928 ein Freibad – damals soll es das erste geheizte Bassin der Schweiz gehabt haben. Jetzt wird es durch eine neue Anlage ersetzt. Nach längerer Diskussion entschied sich die Gemeinde für den ursprünglichen Standort. Dort wird das Bad weiterhin sein Daheim haben – und ein Daheim sein.
Quelle: Berrel Kräutler Architekten
Vom Areal des Aussenbades ist über das neue Hallenbad hinweg der Blick nach Süden, ins Alpenpanorama, frei.
Das Schwimmbad von Engelberg befindet sich am Südhang des Sonnenbergs, etwas westlich vom Ortszentrum mit Kloster und Kurpark. Es ist eng mit der Rolle des Fremdenverkehrs für die Gemeinde verbunden. Die ursprüngliche Anlage wurde von Beda Hefti (1897–1981) entworfen. Der Bauingenieur mit einem offensichtlichen Flair für Architektur machte sich zu Beginn seiner Karriere einen Namen als Spezialist für Frei- und Sonnenbäder. In den 1920er und 1930er-Jahren entwarf er eine ganze Reihe von ihnen, vor allem an Fremdenverkehrsorten in der Schweiz.
Neben jener in Engelberg entstanden zur selben Zeit auch Anlagen in Gstaad, in Wengen, beim Hotel Waldhaus Vulpera oder in Interlaken. Das heute bekannteste Werk von Hefti ist das kürzlich renovierte modernistische und bunte Panoramaschwimmbad Gruebi in Adelboden aus dem Jahr 1931. 2021 erhielt es die Auszeichnung Berner Baukultur.
Beim «Hotelbad» Engelberg bediente sich Hefti eines neoklassizistischen Ansatzes, der den modernen Körper- und Sonnenkult zelebrierte: Das Bassin mit seinem breiten, als Liegebereich ausgebildeten Rand wurde nördlich von Engelbergs Alten Gasse senkrecht zum Hang in eine Mulde eingepasst. Die nach Norden ansteigende Wiese mit einigen Baumgruppen wurde durch einen halbkreisförmigen Trakt mit Garderobekabinen und einem zentralen Pavillon getrennt. Er wirkte wie die Gloriette eines Schlossparks.
Rechtwinklig zu dieser Hauptachse wurde auf der Westseite des Bassins ein ebenfalls axialsymmetrisch aufgebautes Planschbecken mit flankierendem Bauschmuck angeordnet. Ende der 1960er-Jahre entstand nördlich des Bassins ein Hallenbad. Die damals vorgenommenen Ergänzungen zerstörten die Anlage von Hefti weitgehend, aber das Planschbecken mit seinen Beigaben und die letzten Kabinen am Westende des Halbrunds blieben als Fragment bestehen.
Erhalt des Standorts Sonnenberg
Der Betrieb des Schwimmbads erfolgte über Jahrzehnte durch privatrechtlich organisierte Trägerschaften. 1988 musste die Anlage aus finanziellen Gründen stillgelegt werden. Anfang der 1990er Jahre übernahm die Einwohnergemeinde Engelberg die Aktienmehrheit und eröffnete 1994 das Hallen- und Freibad nach einer durchgeführten Sanierung wieder.
Quelle: ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Fotograf: Comet Photo AG (Zürich) / Com_F63-00922 / CC BY-SA 4.0
Diese Laufaufnahme aus dem Jahr 1963 zeigt die originale Badanlage mit dem Halbrund der Garderobenkabinen.
Im Jahre 2012 befürwortete das Stimmvolk einen Umzug des Schwimmbades an den Standort Sporting Park, zu einer Anlage bei der Engelberger Aa, am Südrand der Gemeinde. Wirklich anfreunden konnte sich mit diesem Entscheid in der Folge allerdings keine Mehrheit. Im Jahre 2020 wurde er durch einen weiteren Urnengang wieder rückgängig gemacht. Somit bekannten sich die Stimmberechtigten schliesslich klar zum bestehenden Standort Sonnenberg. 2022 schrieb die Gemeinde einen Projektwettbewerb aus.
Verlangt wurde von den beteiligten Teams ein Hallenbad mit Vario- und Multifunktionsbecken mit vier 25-Meter-Bahnen und einen Lernschwimmbereich, ein Kleinkinderplanschbecken, eine Rutschbahn von ca. 50 – 60 Meter Länge und ein Warmaussenbecken. Hinzu kam das Freibad mit einem Multifunktionsbecken mit zwei bis drei 25-Meter-Bahnen, einem Nichtschwimmerbereich und einer Sprunganlage mit 1-Meter- und 3-Meter-Brett und 5-Meter-Plattform. Erwartet wurde im Aussenraum zudem ein Kleinkinderplanschbecken mit angegliederter Spiellandschaft sowie eine Aussenrutsche von circa 60 bis 80 Metern Länge.
Entsprechend der Lage an der Alten Gasse, einem historischen Strassenzug mit einem älteren Baubestand, sah das Programm für Gäste und Mitarbeitende lediglich circa zehn Auto-Abstellplätze zur Ganzjahresnutzung und 100 Velo-Abstellplätze vor. An Spitzentagen möchte man die Parkierung für Gäste «extern regeln» und die Zufahrt Zubringern vorbehalten.
Quelle: Berrel Kräutler Architekten
Das Hallenbad stellt durch lange Fensterfronten eine Verbindung zwischen dem Freibadgelände und dem Dorf her.
Durchlässige Trennung
Im offenen, anonymen Wettbewerb galt es, 29 Vorschläge zu begutachten. Das Preisgericht nahm einstimmig eine Rangierung vor, welche dem Projekt «Kaleidoskop» von Berrel Kräutler Architekten AG, Zürich, mit dem Landschaftsarchitekturbüro Bryum GmbH, Basel, den ersten Preis zusprach und es zur Weiterbearbeitung empfahl.
Der siegreiche Entwurf nimmt eine Terrassierung der bestehenden Mulde vor: Im südlichen Drittel wird ein rund 60 Meter langes und 27 Meter breites, im Grundriss rechteckiges Volumen mit dem Hallenbad quer in die Parzelle eingefügt. Es nimmt einen Höhenversatz von rund 3 auf. Im Süden, in dem mit neuen Bäumen bepflanzten südlichen Arealteil, hinter den Häusern an der Alten Gasse, befindet sich der Parkplatz, wobei den Zweirädern weit mehr Raum als den vierrädrigen Fahrzeugen gewährt wird. Westlich davon liegt ein amöbenhaft geformtes, sich über rund 84 Quadratmeter ausdehnendes Warmaussenbecken.
Quelle: Berrel Kräutler Architekten
Das siegreiche Wettbewerbsprojekt stellt das Hallenbad quer zum Hang. Es schottet das Areal des Freibads zum Dorf hin ab.
Der Eingang zur Anlage befindet sich an der Ostflanke der Mulde, ungefähr am bisherigen Ort, oberhalb des neu geplanten Parkplatzes, der von der Zufahrt über eine Rampe erschlossen ist. Der Zugangsweg vom Siedlungsgebiet her bleibt sich daher gleich, räumlich wird deutlich gemacht, dass ein Besuch der Anlage zu Fuss am direktesten und gewissermassen «privilegiert» ist. Er führt in einen Trichter zwischen der Ostfassade des Neubaus und einer Stützmauer, die eine Höhe von rund vier Metern erreicht.
In der Nordostecke befinden sich die Eingänge zum Hallen- und zum Freibad. Die Stützmauer erhält hier eine lange Nische für einige Sitzplätze des Bistros. Dieses ist mit der Kasse und einer kleinen Küche in der Nordostecke des neuen Hallenbads untergebracht und kann sowohl den Aussenraum wie die Eingangshalle bespielen. Weiter nördlich sind am Rand des Freiareals einige Garderobenkabinen und ein Geräteraum in die Stützmauer integriert.
Das neue Hallenbad wirkt somit in der Geländemulde wie eine Sperre zwischen dem hangseitigen Naturraum und dem talseitigen Siedlungsgebiet. Oberhalb von ihm befindet sich ein abgeschirmter Park mit dem organisch geformten, in die Topografie eingepassten Aussenbecken. Die baumbestandene Liegewiese steigt allseitig in die Hangflanke hinan. Das an die Ränge eines antiken Theaters erinnernde Halbrund der Ursprungsanlage bleibt hier spürbar. Das Beckenufer ist mit Waschbeton als abstrahierter Kiesstrand geplant, ein Holzsteg in den untiefen Bereich verstärkt den Eindruck eines natürlichen Weihers.
Quelle: Berrel Kräutler Architekten
Der Eingang zu den beiden Bädern befindet sich in einem trichterförmigen Freiraum an der Ostgrenze des Areals.
Die neue Gliederung des Areals verfolgt klar ein anderes Ziel als die ursprüngliche Anlage mit ihrer Längsachse, die direkt ins Siedlungsgebiet führte. Es scheint das Freibad vom Alltag entrücken zu wollen. Allerdings ist der Neubau als lichte Struktur geplant: Lange Fensterfronten in den Längsfassaden schaffen eine optische Verbindung zwischen den beiden Arealteilen.
Hangseitig hat die Fassade des Hallenbads die Höhe eines eingeschossigen Pavillons, so dass das Bergpanorama auf der anderen Talseite gut sichtbar ist. Den nahen Horizont bildet eine niedrige, begrünte Dachlandschaft mit vier Aufbauten, von denen drei das Innere mit Tageslicht versorgen. Die vierte überdeckt den Aufgang zur Innen-Rutschbahn.
Spiel und Erholung
Der Hallenbad-Neubau besteht aus einer Sockelpartie aus Beton, welche die Geländeterrasse ausbildet, und einem Aufbau in Holzbauweise, der Überdeckung des Hallenbads, seiner Garderoben und Duschen, von Bistro, Eingangshalle und eines grösseren Multifunktionsraums. Die Dachlasten werden über vorfabrizierte, gedämmte Hohlkästen zu blockverleimten Rahmen aus Brettschichtholz weitergeleitet.
Diese rahmenartigen Tragelemente verlaufen in Nord-Südrichtung, wodurch sie die Verbindung zwischen den Terrassenstufen quer durch das Gebäude akzentuieren. Im Sockel sind neben den Technikräumen auch Büros untergebracht, er nimmt auch eine Treppe auf, welche das Warmaussenbecken vor der Südfassade erschliesst. Dieses soll über das ganze Jahr benutzbar sein.
Quelle: Berrel Kräutler Architekten
Die Eingangshalle wird durch ein Oberlicht mit Tageslicht versorgt, im Becken des Hallenbads geschieht dies über einen Aufbau.
Der Aussenraum wurde unter den Kronen von Laubbäumen in verschiedene Bereiche zoniert, welche den Bedürfnissen der verschiedenen Nutzergruppen nach Spiel und Erholung entsprechen will. Dem «Jugendliche Bereich» auf der Westseite wird am meisten Raum gewährt, was der durch den Hang mäandrierenden Rutschbahnanlage und einem Anteil am Aussenbassin geschuldet sein mag.
Gleich neben ihm sieht das Entwurfsteam die Ruhezone, die sich gewissermassen in einer Sandwichsituation zwischen den Jugendlichen und dem «Kleinkindparadies» mit dem Planschbecken auf der Ostseite wiederfindet. Vervollständigt wird die Zonierung durch den «Sportler Bereich», der aus den Schwimmbahnen im Aussenbecken und der Aufenthaltszone zwischen diesen und der Nordfassade des Hallenbads besteht. Selbstverständlich sind die Zonengrenzen im parkartigen Aussenraum fliessend.
Aus Sicht der Gemeinde war der gewählte Fokus dieses Projekts «auf ein familienfreundliches Schwimmbad mit einem hohen Erlebnisfaktor» ausschlaggebend für den Erfolg. Der Entwurf weckt auch die Hoffnung auf einen effizienten, wirtschaftlichen Sommer- und Winterbetrieb. Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger gaben mit ihrer Zustimmung zum Budget 2023 dem Planungskredit für das Schwimmbad ihr Plazet.
Quelle: Berrel Kräutler Architekten
Der Längsschnitt durch das Areal zeigt, wie im Siegerprojekt das Hallenbad einen Niveausprung integriert.
Nachgefragt bei Seppi Hainbuchner
Quelle: Einwohnergemeinde Engelberg
Statthalter Seppi Hainbuchner, ist Engelbergs Departementschef Finanzen und Sicherheit, Präsident der Betriebskommission Sporting Park und verantwortliches Gemeinderatsmitglied für das Projekt.
Ursprünglich sollte das Freibad
Touristinnen und Touristen anlocken. Will man das mit der neuen Anlage auch
wieder? Oder dachte man doch eher an die einheimische Bevölkerung?
Seppi Hainbuchner: Der Einwohnergemeinderat
will ein familienfreundliches Erlebnisbad realisieren. Dieses soll sowohl
Einheimische wie auch Gäste ansprechen. Engelberg lebt vom Tourismus, und eine
Verbesserung des touristischen Angebotes ist dem Einwohnergemeinderat ein
Anliegen. Darum soll das Schwimmbad mit entsprechenden Erlebnissen ausgestattet
werden und nicht «nur» den Fokus auf das Schwimmen setzen. Wir sehen zwischen
der «einheimischen Bevölkerung» und «Touristinnen und Touristen» keine grossen
Unterschiede. Ein tolles Bad für die Gäste ist auch ein tolles Bad für die
Einheimischen.
Man plante, das Schwimmbad an den Rand des
Siedlungsgebietes «auszulagern» und entschied sich schliesslich, doch den
angestammten Ort weiter zu nutzen. Was waren die Hauptgründe für diesen
Gesinnungswandel?
Die Gründe sind vielseitiger Natur. Der
Entscheid, das Schwimmbad zu verlegen, erfolgte ohne detaillierten Plan, wie
das Schwimmbad am neuen Standort integriert werden soll. Die diesbezüglichen
Planungen wurden nach dem Entscheid über die Verlegung aufgenommen und
vermochten die Stimmbevölkerung nicht zu überzeugen. Der Entscheid für die
Verlegung war ausserordentlich knapp und kam nur mit wenigen Stimmen Unterschied
zu Stande. Dieser Umstand führte dazu, dass es die Planungen am neuen Standort
von Anfang an ziemlich schwer hatten. Auch die historische und sonnige Lage am
heutigen Standort führte schlussendlich dazu, dass die Bevölkerung auf ihren
Entscheid zurückgekommen ist und den heutigen Standort schlussendlich klar
bestätigt hat.
Der Standortentscheid bedeutet eine geringe
Zahl von Auto-Parkplätzen. Wo stehen solche bei grossem Andrang zur
Verfügung?
Das Schwimmbad liegt zentral. Zu Fuss haben
Sie fünf Minuten vom Bahnhof Engelberg. Es gibt in Gehdistanz bereits heute
diverse Parkmöglichkeiten im Dorfzentrum. Weiter werden Veloabstellplätze in
genügender Anzahl geplant. Zudem ist der Einwohnergemeinderat mit dem Tourismusverein
in Kontakt, um auf einer Parzelle des Tourismusvereins in der öffentlichen
Zone Parkplätze für das Schwimmbad realisieren zu können. Diese würden sich
dann zu Fuss drei Minuten vom Schwimmbad entfernt befinden. Beim neuen Bad
werden rund zehn Parkplätze geplant. Sie sind im Winter und in der Zwischensaison
ausreichend. Personen, die vor das Schwimmbad fahren müssen, können dies tun.
Das Entwurfsteam des siegreichen Wettbewerbsprojekts
schlägt beim Bau die Verwendung von lokalem Holz und anschliessend eine
Beheizung des Hallenbads und des Aussenbeckens mit Fernwärme vor. Können diese
Vorschläge berücksichtigt werden?
Das Thema Nachhaltigkeit ist für uns von
grosser Bedeutung. Der im Wettbewerbsprojekt vorgesehene Holzanteil soll
realisiert werden. Auch die Beheizung mit Fernwärme steht nach wie vor im Raum.
Diese ist eine von mehreren nachhaltigen Optionen, welche allenfalls in
Kombination mit anderen realisiert werden kann. Der diesbezügliche Entscheid
steht noch aus.
Wo steht das Projekt heute. Wann ist mit
dem Spatenstich, wann mit der Einweihung zu rechnen?
Das detaillierte Projekt soll bis Ende Jahr
erarbeitet sein, damit im Frühjahr 2024 eine Volksabstimmung über den Objektkredit
durchgeführt werden kann. Wenn dieser angenommen wird, so steht einem Start der
Bauarbeiten im Herbst 2024 nichts mehr im Weg. Im Idealfall kann das Bad dann
im Herbst 2026 eröffnet werden. (Interview: Manuel Pestalozzi)