Klingnauer Stausee: Symbiosen bei der Wassernutzung
Im Rahmen der Neukonzessionierung setzt die Aarekraftwerk Klingnau AG im Naturschutzgebiet diverse ökologische Ersatz- und Ausgleichsmassnahmen um. Über die Jahre hat sich rund um den Stausee ein von Menschenhand geschaffenes ökologisches Refugium entwickelt.
Quelle: zvg
Das Gebiet beim Klingnauer Stausee war ursprünglich eine flache Schwemmebene mit einer breit mäandrierenden Aare (Bild: Blick nach Süden).
Der Eisvogel taucht hier nach Fischen, im Auenlandwald hat der Pirol sein Revier. Zahlreiche Vogelarten finden Nist- oder Rastplätze, Fische, Reptilien und Wasserpflanzen ihr natürliches Habitat. Am Ausgang des unteren Aaretals und kurz vor der Mündung der Aare in den Rhein gelegen, konnte sich beim Klingnauer Stausee bei Fauna und Flora eine einzigartige Artenvielfalt entwickeln, die Ornithologen und Erholungssuchende zum Staunen bringt.
Das Gebiet beim Klingnauer Stausee war ursprünglich eine flache Schwemmebene mit einer breit mäandrierenden Aare, eine wilde und dynamische Flusslandschaft mit stellenweise mehreren Strömen. Regelmässige Überschwemmungen von Nutzflächen und Schäden in den Siedlungsgebieten veranlassten die Aargauer Regierung zum Bau von Schutzdämmen gegen Hochwasser, die schliesslich zwischen 1886 und 1906 mit dem Aarekorrektionsprojekt umgesetzt wurden. Mit dem Einstau entstand 1935 ein rund 1,5 Quadratkilometer grosser See.
Von Menschenhand geschaffenes Kleinod der Natur
Die Stauung vergrösserte den Strömungsquerschnitt und verringerte die Fliessgeschwindigkeit des Flusses. Die fehlende natürliche Dynamik der Aare führte in Bereichen des Sees mit geringerer Strömung zu Ablagerungen von Schwebstoffen und zu stetig wachsenden Schlickbänken mit Pflanzenbewuchs. Mittels Baggern mussten teils Uferabschnitte von Befestigungen befreit oder verlandete Altwasser und Gräben geöffnet oder wieder mit dem Hauptfluss verbunden werden.
Über die Jahre haben sich rund um den Klingnauer Stausee Gebiete mit unterschiedliche Lebensbedingungen entwickelt, was zu einem Artenreichtum bei Tieren und Pflanzen führte. So gehören das Giriz, das Gippinger Grien und das Gebiet Fischergrien-Werd zu den Amphibienlaichgebieten und Flachmoorgebieten von nationaler Bedeutung. Dennoch stellt die Verlandung Kraftwerksbetreiber vor Herausforderungen. Doch auch für die Tier- und Pflanzenwelt stellt sie ein Problem dar, da Vogelarten bei der Nahrungssuche auf seichte Uferzonen angewiesen sind, was immer wieder bauliche Interventionen notwendig machte.
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Die Staumauer und das Turbinenhaus der Aarekraftwerk Klingnau AG wurden 1935 fertiggestellt. Seither waren zu Gunsten von Fauna und Flora immer wieder bauliche Massnahmen notwendig.
Auengebiet von nationaler Bedeutung
In drei Etappen wurden zwischen 1997 und 2000 im Gippinger Grien, einer 39 Hektaren grossen ursprünglichen Auenlandschaft, viele der verschlammten und zum Teil zugewachsenen Gewässer mit Baggern wieder geöffnet. Für die Amphibien wurden dadurch neue, flachgründige Wasserflächen angelegt.
Auch beim Koblenzer Giriz gab es zum Erhalt des Auenwalds im Altlauf der Aare Eingriffe. Um den ehemaligen Seitenarm des Flusses zu reaktivieren, wurden bereits früher über 7000 Kubikmeter Schlamm und Kies ausgehoben. Dadurch entstand ein 600 Meter langes Fliessgewässer, das mit der Aare verbunden ist und ständig Wasser führt.
Mit Baggern gegen die Verlandung
Die zunehmende Verlandung zeigt sich auch beim 13,4 Hektaren grossen Schutzgebiet Machme im Osten des Stausees mit Lebensraum für Amphibien, Fische und Vögel. Bereits 1995 startete der Kanton deshalb ein Bauprojekt zur Aufwertung der Machme.
Mittels Saugbagger wurden 13000 Kubikmeter Verlandungssedimente entfernt, um offene Wasserfläche wiederherzustellen. Rund um einen weiteren Altarm der Aare im Süden des Stausees erstreckt sich das rund 23 Hektaren grosse Schutzgebiet Fischergrien-Werd.
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Wegen der reduzierten Fliessgeschwindigkeit lagerten sich über die Jahre Schwebstoffe ab, die zu einer Verlangung führten. Entstanden sind auf diese Weise neue Lebensräume für eine Vielzahl von Tieren.
Neue Ausgleichs- und Ersatzmassnahmen
Im Sommer 2018 hat das Wasserkraftwerk Klingnau eine Konzession für 60 Betriebsjahre erhalten. Wie bei Konzessionsverfahren üblich, verpflichtete sich die Betreibergesellschaft Aarekraftwerk Klingnau AG (AKA), verschiedene Ausgleichs- und Ersatzmassnahmen umzusetzen. Erste Vorbereitungsarbeiten wurden bereits im Januar vorgenommen, diese Tage starten nun die eigentlichen Bauarbeiten.
Ufergestaltung Ifang und drei Beobachtungsplattformen
An der Stauwurzel des Klingnauer Stausees auf Höhe des Wasserkraftwerks Beznau entsteht ein neues verzweigtes Nebengerinne der Aare. Gemäss dem Kraftwerksunternehmen werden mehrere hundert Meter neue Uferlinie und natürliche Lebensräume für Fische und Wasserpflanzen geschaffen.
Entlang des linken Seeuferwegs entstehen drei neue Vogelbeobachtungsplattformen. Sie werden an ornithologisch besonders interessanten Stellen realisiert. Die Standorte wurden in Absprache mit Vertretern von Birdlife und involvierten Naturschutzvereinen ausgewählt.
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Die Auenwälder beim Kraftwerk sind Rückzugsgebiete für seltene Vögel. Unterhalb des Kraftwerks bei einem Altarm der Aare wird eine neue schwimmende Brutplattform für Flussseeschwalben gebaut. (Bild: Blick nach Norden)
Nistwand und Bruthilfe
Südlich des Zufahrtsdammes zum Kraftwerksgebäude entsteht eine künstliche Nistwand für Uferschwalben. Diese Vogelart brütet in Kolonien und ist in der Schweiz gefährdet. In Ergänzung dazu werden Kleinlebensräume für Amphibien, Reptilien, Heuschrecken und Wildbienen geschaffen, wie die AKA mitteilte.
Im Altarm des Gippinger Grien unterhalb des Kraftwerk Klingnau wird eine neue schwimmende Brutplattform für Flussseeschwalben eingewässert. Mit dieser Massnahme sollen die Flussseeschwalben im Raum des Klingnauer Stausees wieder angesiedelt werden.
Vitalisierung der Sickergräben
Der Sickergraben soll seine sicherheitsrelevanten Funktionen beibehalten, darüber hinaus aber auch Gewässerlebensraum werden. Dafür werden entlang der gesamten Fliessstrecke Strukturen wie Wurzelstöcke, Buchten, Buhnen und Belebungssteine angeordnet.
Analog zum rechten Sickergraben werden auch der linke Sickergraben und der untere Bereich des Leuggernbachs ökologisch aufgewertet. Im Zuge der Bauarbeiten wird zudem der vor der Mündung in den Sickergraben liegende Fussgängersteg über den Leuggernbach rückgebaut.
Watfläche im See und Uferstrukturierung Giriz
Die stetige Verlandung der Flachwasserzone beim Klingnauer Stausees hat dazu geführt, dass heute ist das Wasser nur noch wenige Zentimeter tief ist. Deshalb werden auf einer Fläche von 8000 Quadratmetern die oberen Sedimentschichten abgetragen, um Wassertiefe von etwa 50 Zentimetern zu erreichen. Auf diese Weise wird der Bereich wieder zum Lebensraum für Wasser- und Watvögel.
Auch der Uferbereich entlang des Giriz zwischen dem Kraftwerk Klingnau und der Rheinmündung wird aufgewertet. Zwischen dem Kraftwerk und der Eisenbahnbrücke werden für die Uferverbauung so genannte Blocksteinbuhnen gesetzt, das sind Steinblöcke mit einem Gewicht von zwei bis drei Tonnen. Unterhalb der Eisenbahnbrücke entstehen so im Abstand von etwa 50 Metern insgesamt neun neue Buchten.
Unter Schutz und im Richtplan
Mit dem Ramsarabkommen von 1971 verpflichtete sich die Schweiz zum Schutz der Feuchtgebiete von internationaler Bedeutung. 1988 hat der Kanton Aargau Schutz- und Nutzungsbestimmungen für den Klingnauer Stausee erlassen zur Erhaltung und Förderung des Auengebiet mit ursprünglicher Tier- und Pflanzenwelt und ein international bedeutendes Nahrungs-, Rast- und Überwinterungsgebiet für ziehende Wasser- und Watvögel geschaffen.
Seit den Jahren 1996 und 2001 sind Teile des Klingnauer Stausees sowie die umliegenden Gebiete Giriz, Gippinger Grien, Machme und Fischergrien-Werd im Richtplan des Kantons als nationale und kantonale Auengebiete aufgeführt. Aus der Kantonsverfassung leitet sich die Verpflichtung ab, dass mindestens ein Prozent der Kantonsfläche aus Auenschutzparks bestehen muss.
Bauarbeiten dauern zwei Jahre
Die Bauarbeiten werden über zwei Jahre mehrheitlich zwischen Juli und Oktober ausgeführt und voraussichtlich im September 2022 abgeschlossen sein. Die Kosten belaufen sich auf rund 4 Millionen Franken. Das Wasserkraftwerk Klingnau produziert jährlich rund 210 Gigawattstunden Strom. Das entspricht dem Stromverbrauch von gut 5000 durchschnittlichen Vierpersonenhaushalten. An der Aarekraftwerk Klingnau AG ist die Axpo Hydro AG zu 60 und die AEW Energie AG zu 40 Prozent beteiligt.
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An diesen Stellen werden in den nächsten zwei Jahren die behutsamen Eingriffe stattfinden für den Erhalt der Artenvielfalt in einer einzigartigen Landschaft.