Kernfusionsanlage Wendelstein 7-X erreichte Meilenstein
Das Kernfusionsexperiment Wendelstein 7-X in Greifswald (D) hat vor Kurzem eine wichtige Zielmarke erreicht. Den Fusionsforschern ist es gelungen, den Energieumsatz um den Faktor 17 zu erhöhen und bei der Entladungszeit einen neuen Bestwert zu erreichen.
Quelle: MPI für Plasmaphysik, Wolfgang Filser
Eines der fünf Teilstücke des Aussengefässes von Wendelstein 7-X.
Erstmals konnte die Fusionsforschung bei der Anlage im norddeutschen Greifswald einen Energieumsatz von 1,3 Gigajoule erreichen. Damit konnten die Forscherinnen und Forscher den bisherigen Bestwert um das Siebzehnfache überbieten, wie es in einer Mitteilung des Max Planck Instituts für Plasmaphysik (IPP) in Greifswald heisst.
Der Energieumsatz ergibt sich aus der eingekoppelten Heizleistung multipliziert mit der Dauer der Entladung. Nur wenn es gelingt, kontinuierlich grosse Energiemengen ins Plasma einzukoppeln und die entstehende Wärme wieder abzuführen ist ein Kraftwerksbetrieb möglich.
Heizung und Kühlung optimiert
Den Forschungserfolg möglich gemacht haben Umbauten der Anlage Wendelstein 7-X. Ausgestattet wurde der Forschungsreaktor mit einem erweiterten Heizsystem und einer Wasserkühlung der Wandelemente. Weil sich mit dem neuen Heizsystem doppelt so viel Leistung ins Plasma einkoppeln lässt als zuvor, kann das Kernfusionsexperiment in neuen Parameterbereichen betrieben werden.
«Wir tasten uns jetzt an immer höhere Energiewerte heran», erklärt Thomas Klinger, Leiter des Bereichs Stellarator-Dynamik und -Transport am IPP. «Dabei müssen wir Schritt für Schritt vorangehen, um die Anlage nicht zu überlasten und zu beschädigen.»
Plasmaentladung von acht Minuten Dauer
Die grössten Wärmeflüsse führen laut Angaben des IPP bei Wendelstein 7-X über besonders hitzebeständige, sogenannte Divertor-Prallplatten. Sie sind Teil der Innenwand, die seit dem Umbau von einem Netz aus Wasserrohren mit einer Gesamtlänge von 6,8 Kilometer gekühlt wird. Keine andere Fusionsforschungsanlage weltweit verfügt heute über eine so umfassend gekühlte Wand. Unter einem Plasma versteht man ein ionisiertes Gas, das aus einem Gemisch von Ionen, Elektronen und neutralen Teilchen besteht.
Die Plasmaheizung besteht aus drei Komponenten. Neben der neu eingebauten Ionenheizung wird das Plasma mittels Neutralteilcheninjektion und Mikrowellen auf hohe Temperaturen gebracht. Der aktuelle Rekord ist laut Mitteilung vor allem auf die Elektronen-Mikrowellenheizung zurückzuführen. Denn nur sie sei in der Lage, über Zeiträume von mehreren Minuten grosse Leistungen einzuspeisen.
Der Energieumsatz von 1,3 Gigajoule wurde mit einer durchschnittlichen Heizleistung von 2,7 Megawatt erreicht, wobei die Entladung über 480 Sekunden andauerte – auch das ist ein neuer Bestwert für Wendelstein 7-X und laut Mitteilung des Instituts einer der besten der Welt. Vor dem Umbau erreichte Wendelstein 7-X maximale Plasmazeiten von 100 Sekunden bei deutlich geringerer Heizleistung.
Quelle: MPI für Plasmaphysik, Beate Kemnitz
Eine der 50 supraleitenden Magnetspulen für die Fusionsanlage Wendelstein 7-X, eingehängt in ein drehbares Tragegeschirr.
18 Gigajoule als Ziel
Innerhalb weniger Jahre, so der Plan der Forscherinnen und Forscher, soll der Energieumsatz bei Wendelstein 7-X auf 18 Gigajoule gesteigert werden, wobei das Plasma dann für eine halbe Stunde lang stabil gehalten werden soll. Ziel der Fusionsforschung ist es, ein klima- und umweltfreundliches Kraftwerk zu entwickeln. Ähnlich wie die Sonne soll es aus der Verschmelzung von Atomkernen Energie gewinnen.
Das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik verfolgt dabei den Weg der magnetischen Fusion. Weil das Fusionsfeuer erst bei Temperaturen über 100 Millionen Grad zündet, darf der Brennstoff – ein dünnes Wasserstoffplasma – nicht in Kontakt mit kalten Gefässwänden kommen. Von Magnetfeldern gehalten, schwebt er nahezu berührungsfrei im Inneren einer Vakuumkammer. Den magnetischen Käfig von Wendelstein 7-X erzeugt ein Ring aus 50 supraleitenden Magnetspulen.
Es handelt sich um eine Anlage vom Typ Stellarator, bei dem die speziellen Formen der Spulen das Ergebnis ausgefeilter Optimierungsrechnungen sind, wie es in der Mitteilung heisst. Mit Hilfe dieser Spulen soll die Qualität des Plasmaeinschlusses in einem Stellarator das Niveau der konkurrierenden Anlagen vom Typ Tokamak erreichen. (mgt /sts)
Quelle: MPI für Plasmaphysik, Beate Kemnitz
Zusammenbau eines Halbmoduls: Eingehängt in ein drehbares Gestell wird eine der 50 Stellaratorspulen auf ein Segment des Plasmagefässes gefädelt.