Die Bibliothek der Universität Basel im Umbruch
Die Basler Universitätsbibiliothek wird zum Lernlaboratorium. Obwohl das Umbauprojekt der Schröer Sell Architekten seit letztem Herbst fertiggestellt ist, ist der Planungsprozess aber noch nicht abgeschlossen. Denn der Umbau ist lediglich der erste Schritt zur laufenden Anpassung an neue Lern- und Arbeitsmethoden.
Quelle: Mark Niedermann
Universitätsbibliothek Basel Haupteingang an der Schönbeinstrasse,
Mit der Digitalisierung haben sich die Anforderungen an Bibliotheken stark verändert, und sie werden sich auch in Zukunft weiterhin verändern. Während Studentinnen und Studenten im analogen Zeitalter die Bibliothek vorwiegend aufsuchten, um Bücher auszuleihen, nutzen sie die Räume heute vermehrt zum gemeinsamen Lernen sowie als Ort für den Austausch.
Die neue Art des Lernens führt dazu, dass bestehende Bibliotheken in Zukunft angepasst und umgebaut werden müssen. Deshalb hat auch die Universitätsbibliothek Basel (UB) vor drei Jahren eine Ideenstudie ausgeschrieben: einerseits, um dem wachsenden Bedarf an Lernplätzen gerecht zu werden und andererseits, um die bestehenden Räume an die heutigen und zukünftigen Lernbedürfnisse der Studentinnen und Studenten anzupassen.
Totalsanierung in den nächten Jahren
Schröer Sell Architekten haben den Planungsauftrag erhalten und die Umbau- und Sanierungsarbeiten der UB Hauptbibliothek gemeinsam mit Moosmann Bitterli Architekten aus Basel von September 2020 bis vergangenen Herbst bei laufendem Betrieb der Bibliothek umgesetzt.
Allerdings: Die Wiedereröffnung ist nur vorläufig, denn die Interventionen in der UB Basel sind nicht abgeschlossen. So steht in den nächsten Jahren eine Totalsanierung des komplexen Bestandes an. Mit dieser kann erst begonnen werden, wenn der zu schützende Sonderbestand aus dem Altbau in den eigens dafür noch zu planenden Neubau übersiedelt ist. Somit mussten die Architekten mit minimalen und vor allem reversiblen Eingriffen eine neue räumliche Ordnung entwickeln, die die ästhetische Struktur erhält und gleichzeitig flexibel auf zukünftige Veränderungen reagiert.
Im Wesentlichen besteht die UB Basel aus einem Altbau, von dem nur noch der Magazinbau von Emanuel La Roche aus dem Jahr 1896 besteht, und einem Erweiterungsbau von Otto Heinrich Senn aus den 1960er-Jahren. Besonders markant am neuen Bibliotheksbau ist der grosse Lesesaal mit Galerie, der von einer Betonschalen-Kuppel überspannt wird.
Beim Umbau orientierten sich die Architekten an den jeweiligen Stilen der beiden ineinander übergehenden, inventarisierten Gebäude: Die Massnahmen im Altbau orientieren sich mit den Schreibablagen aus massiver Eiche, den Ohrensesseln, gewebten Teppichen und den Metalllampen am ausgehenden 19. Jahrhundert. Im moderneren Senn-Bau wurden hingegen die kubischen Formen, das für die 1960er Jahre typische Ulmenfurnier, die Holzlamellen der Decke und die Leinenstoffe neu interpretiert und eingesetzt. Ausserdem konnten viele originale Möbel saniert und wiederverwendet werden.
Bibliothek als Lern- und Begegnungsort
Die Aufteilung der unterschiedlichen Raumfunktionen hat sich in der Vergangenheit bewährt und konnte beibehalten werden: der Kopfbau mit der freistehenden Treppenanlage und den Ausstellungs-, Veranstaltungs- und Seminarräumen sowie Cafeteria; im ersten Obergeschoss die Bibliothek mit der Abfolge von Lesesälen und dem Kuppelsaal und die direkte Anbindung an die Magazine des 19. Jahrhunderts; seitlich und separat erschlossen liegt der Verwaltungsflügel.
Was sich jedoch verändert hat, ist die vermehrte Nutzung der Bibliothek als Ort des Lernens und der Begegnung. Deshalb wurden die bestehenden Lernplätze durch zusätzliche 437 fast verdoppelt. Wie in einem „Lern-Laboratorium“ können jetzt neue Lernformen an langen oder runden Tischen, in Lounges oder abgetrennten Kabinen sowie in versteckten Nischen erprobt werden. Dafür haben die Architekten die Möbel grösstenteils selbst entworfen.
Eine wesentliche Veränderung fand im Eingangsbereich und im Haupttreppenhaus des viergeschossigen Gebäudes statt. Diese wurden komplett freigespielt und durch eine Informationszone, eine Lounge und Steharbeitstische zu einer Aufenthalts- und Begegnungszone aufgewertet. Die aussergewöhnliche Treppenform kommt jetzt zur vollen Geltung, weil die Garderoben ins Untergeschoss und die Fluchtwege in zwei Nebentreppenhäuser verlegt wurden.
Ausserdem konnte dank der Einführung eines digitalen Ausleihsystems zusätzlicher Platz geschaffen werden. Auf dem zweiten und dritten Geschoss – auf dem Weg zu den verschiedenen Lernräumen – wird der Raum um das Treppenhaus durch Sofa-Inseln und Diner-ähnliche Tische neu auch als Arbeitsplatz genutzt. Neben einem Konferenzraum und Einzelarbeitsplätzen für verschiedene Lern- und Arbeitsformen steht den Studentinnen und Studenten im dritten Obergeschoss auch ein Familienzimmer zur Verfügung.
Lesen mit Blick in den Garten oder ins Fin de Siècle
Neue Lern- und Leseplätze sind auch im Zeitschriftenmagazin im ersten Untergeschoss entstanden. Aus klimatischen Gründen sind diese in orangen Sperrholz-Boxen untergebracht, die sich mit grossen Glasscheiben zum botanischen Garten hin öffnen. In anderen Nischen kann man hinter dicken, dunklen Vorhängen auf schwarzen Sitzsäcken entspannt lesen und arbeiten. Und im Freihandmagazin der Jahrhundertwende wurden ungenutzte Zwischenräume zu einladenden Lernplätzen im Fin-de-Siècle-Stil umgewandelt, indem man sie in die Fenstersimse und Nischen zwischen den historischen Bücherregalen einpasste.
Lerntechnologien entwickeln sich stetig weiter, und so ist
die UB Basel ein Projekt in fortlaufendem Prozess: Es ist geplant, das
Lernlaboratorium zu evaluieren, gegebenenfalls entsprechend anzupassen und die
Ergebnisse auf die Anforderungen an die geplante Generalsanierung anzuwenden. Weil
derartige Erkenntnisse auch auf andere Bibliotheken übertragbar sein werden, sollen
sie demnächst in einem Buch über „Neue Lernräume an der Universität Basel“
veröffentlicht. (mgt/mai)
Quelle: Mark Niedermann
Das neu gestaltete und bereinigte Foyer und Treppenhaus mit Lounge.
Quelle: Mark Niedermann
Steharbeitstische im Foyer erweitern das Angebot an Lernplätzen.
Quelle: Mark Niedermann
In den oberen Geschossen des Treppenhauses bieten die von den Architekten entworfenen Dinermöbel individuell nutzbare Arbeitsplätze.
Quelle: Andi Cortellini
Durch die Einführung eines digitalen Ausleihsystems konnten die Pult zur Lernbar umgenutzt werden.
Quelle: Andi Cortellini
Die Holzlamellen der Decken im Hauptbau inspirierten zur Gestaltung der Raumteiler im Lernzentrum.
Quelle: Andi Cortellini
Quelle: Andi Cortellini
Quelle: Mark Niedermann
Der von den Architekten entworfene Alkovensessel schafft eine entspannte Arbeitsatmosphäre.
Quelle: Mark Niedermann
Lernraum im dritten Obrgeschoss.
Quelle: Mark Niedermann
Weiterer Lernraum im dritten Obergeschoss.
Quelle: Mark Niedermann
Eine Einzelbox im Zeitschriftenmagazin
Quelle: Mark Niedermann
Gruppenarbeitsplatz im Zeitschrifenmagazin.
Quelle: Andi Cortellini
Mit wenigen Mitteln wurde innerhalb des Zeitschriftenmagazins eine Ruhezone intergriert.
Quelle: Mark Niedermann
Eine Leseecke im Freihandmagazin.
Quelle: Mark Niedermann
Eine weitere Lesecke im Freihandmagazin.
Quelle: Mark Niedermann
Lounge im ersten Obergeschoss des Freihandmagazins.
Quelle: Mark Niedermann
Die neue Einrichtung verleiht dem Zeitungslesesaal im Erdgeschoss eine wohnliche Atmosphäre.