Der höchste Schweizer ist grün
Woche für Woche 3,35 Meter höher: An dieses rasante Wachstum hatten sich die Bewohner Zürichs während rund 17 Monaten gewöhnt. Inzwischen ist der Turm «erwachsen» und gleichzeitig der höchste der Schweiz. Stolze 126 Meter ragt der grün verglaste Prime Tower seit Mitte dieses Jahres in den Himmel von Zürich-West.
Beneidenswertes Umfeld
Standort des Prime Towers ist der südliche Bereich des ehemaligen Maag-Industrieareals unmittelbar bei der S-Bahn-Station Hardbrücke in Zürich-West. Die S-Bahn-Züge verkehren hier im Drei- bis Fünfminutentakt; dazu kommen mehrere Buslinien. Der Zürcher Hauptbahnhof mit seinen Intercity- und internationalen Verbindungen ist in zwei Minuten Fahrzeit erreichbar, der Flughafen in zwölf Minuten. Für den Privatverkehr besteht ein direkter Anschluss an den Autobahnzubringer zur A1 und die Zürcher Westtangente Richtung Nord und Süd.
Der von der Swiss Prime Site Immobilien AG als Bauherrschaft errichtete Turm ist Teil eines Gesamtkomplexes, zu dem auch die Annexbauten «Cubus», «Diagonal» und das Gebäude «Platform» gehören. Mit Gesamtinvestitionskosten von 355 Millionen Franken werden bis Sommer 2011 rund 40 000 Quadratmeter Mietflächen und 255 Parkplätze realisiert, wobei Raum für 1600 bis 2000 hochwertige Dienstleistungsarbeitsplätze entstehen. Gemäss Raumprogramm sind nebst Büros als hauptsächlicher Nutzung ein Mitarbeiter-Restaurant, eine Lifestyle-Lounge, ein Gourmetlokal sowie Ateliers, Verkaufs- und Veranstaltungsräume geplant. In unmittelbarer Nähe zum Prime Tower sind von anderen Investoren Hunderte von neuen Wohnungen projektiert oder im Bau. Ausserdem werden in der Umgebung Parks und weitere Grünflächen, Läden und Gastronomielokale entstehen.
Bewegungen und Vorsprünge
Der Prime Tower in seiner jetzt realisierten Form ist das einstimmig ausgewählte Siegerprojekt eines international hochkarätig besetzten Architekturwettbewerbs im Jahre 2004. Für den Entscheid zugunsten des Zürcher Architekturbüros Gigon/Guyer sprachen laut Jurybericht unter anderem «das kristalline Äussere, das sich vom Umfeld abgrenzt, die feinen Bewegungen und Vorsprünge, die vielfache Nutzbarkeit des pragmatisch grossen Grundrisses und die statische Konzeption mit den vorgespannten Decken» (Details im Kasten «Hintergrund» auf Seite 29). Die Handschrift von Gigon/Guyer tragen neben verschiedenen Privatvillen in Zürich unter anderem das Kirchner-Museum in Davos, das Liner Museum in Appenzell, der Hörsaal der Uni Zürich und die Wohnüberbauungen Broëlberg I und II in Kilchberg ZH.
Für die Ausführung des Prime Towers und der beiden Gebäude «Cubus» und «Diagonal» zeichnet eine Arbeitsgemeinschaft aus der Losinger Construction AG und der Karl Steiner AG unter Federführung von Losinger verantwortlich. Das Geschäftshaus «Platform» wird von der HRS Hauser Rutishauser Suter AG gebaut.
Das Gesamtgewicht des Turms beträgt rund 80 000 Tonnen. Die Fundationstplatte ist 2,2 Meter dick und liegt über 79 Betonpfählen mit einem Durchmesser von einem Meter und Längen zwischen 15 und 35 Metern. Um die Qualität der Gründungsfundamente eines solch hohen Gebäudes belegen zu können, wurden alle Pfähle geodätisch eingemessen und einer Homogenitätsprüfung mit Ultraschall unterzogen. Einige Pfähle wurden mit einer dynamischen Probebelastung auf ihre Tragfähigkeit untersucht. Zur Kontrolle der Pfahlstauchung und -setzungen während und nach der Bauzeit wurden Gleitmikrometer installiert.
Der Turm wurde auf seiner ganzen Höhe von 126 Metern mit Selbstkletterschalung ohne Fassadengerüst gebaut. Als Gerüstersatz diente ein Schutzschild, der jeweils an die bereits betonierten Etagen montiert wurde (Einzelheiten dazu im Bericht ab Seite 32). Damit konnte unabhängig von den Witterungseinflüssen die Sicherheit des Baustellenpersonals gewährleistet werden. Die selbstkletternde hydraulische Schalung hatte am Prime Tower ihre Schweizer Premiere an einem Büroturm und hat sich laut Jacky Gillmann, Verwaltungsratspräsident der Losinger Construction AG, bewährt. Das gleiche gilt für das innovative Deckenschalungssystem. Dank diesen Technologien konnte die Bauzeit gegenüber herkömmlichen Methoden wesentlich verkürzt werden.
Henri Muhr, CEO der Karl Steiner AG, verweist auf einen weiteren wesentlichen Vorteil der neuen Technologien, nämlich den massiv geringeren Materialverbrauch: «Dadurch profitierten wir von einer substanziellen Entlastung der äusserst knappen Lagerflächen auf dem Areal und generierten erheblich weniger Baustellenverkehr.» Bei allem Streben nach Geschwindigkeit ist sei man jedoch nie Kompromisse bei der Sicherheit eingegangen, betont Muhr. Das Fundament dazu legte ein akribisches Sicherheitskonzept, das vor Baubeginn mit der Suva, der Gebäudeversicherung und der Baupolizei erarbeitet wurde.
Grüne Glasfassade
Ein Markenzeichen des Prime Towers ist die grün schimmernde Glasfassade. Sie besteht aus rund 4400 je 400 Kilogramm schweren Fassadenelementen mit einer Gesamtfläche von fast 21 000 Quadratmetern. Herstellerin der vorfabrizierten und weitgehend standardisierten Elemente ist die Dobler Metallbau GmbH in München. Die mit Dreifachverglasung ausgerüsteten Teile gelangen vom Produktionswerk im niederbayerischen Deggendorf auf dem Strassenweg direkt auf den Bauplatz. Von dort werden sie mit dem Lastenaufzug in die einzelnen Stockwerke befördert und von innen her an Konsolen gehängt; die wiederum an Schienen befestigt sind, die in den Betonboden eingegossen wurden. Montiert wird mithilfe eines mobilen Minikrans, der mit dem Lastenaufzug von Geschoss zu Geschoss transportiert werden kann. Der grüne Farbton der Scheiben wurde von den Architekten in Absprache mit dem Bauherrn und den Zürcher Stadtbehörden ausgewählt. Die Fassadenmontage folgt dem Rohbau in einem zeitlichen Abstand von etwa acht Wochen und dürfte bei Drucklegung dieser Publikation annähernd montiert sein.
Der Prime Tower ist aber nicht nur farblich grün; er setzt in der Schweiz auch neue ökologische Massstäbe, wie Markus Graf, CEO der Swiss Prime Site AG, betont. Das Gebäude werde nach «greenproperty», einem neuen Nachhaltigkeitsrating der Schweiz, zertifiziert und sei für eine Zertifizierung nach dem internationalen Gütesiegel LEED vorgesehen. Damit sei der Prime Tower ein Symbol für ökologische Verantwortung und trage den zukünftigen Ansprüchen einer an Nachhaltigkeit orientierten Mieterschaft Rechnung.
Zum Zeitpunkt der Prime-Tower-Aufrichte lag der Vermietungsstand bei 68 Prozent. Ankermieter im Prime Tower sind die Wirtschaftsanwaltskanzlei Homburger AG und die Citibank (Switzerland). Zudem wird die Zürcher Kantonalbank im Erdgeschoss eine Filiale einrichten.
So geht es weiter
Der Baustart für den Prime Tower erfolgte am 18. Februar 2008, die Aufrichte – gemeinsam mit jener für das benachbarte Geschäftshaus «Platform» – am 7. Juli 2010. Beide Gebäude sollen im Mai 2011 fertiggestellt sein, sodass im Sommer 2011 die ersten Flächen bezogen werden können. Eine Eröffnungsfeier ist im Herbst 2011 vorgesehen.
Linktipp:www.primetower.ch
Architektur des Prime Tower
Architekten des Prime Tower sind Gigon/Guyer aus Zürich. Ihr Entwurf war 2004 aus einem international ausgeschriebenen Wettbewerb hervorgegangen, an dem sich unter anderem so renommierte Architekten wie Herzog & de Meuron aus Basel, David Chipperfield aus London oder Hamzah & Yeang aus Malaysia beteiligt hatten.
Zum Projekt von Gigon/Guyer hiess es damals Wettbewerbsjurybericht unter anderem: «Das kristalline, gläserne Äussere des Gebäudes ist sowohl im Grundriss als auch im Volumen durch feine Bewegungen und Vorsprünge gegliedert. Dieser kristalline Ausdruck vermag im städtebaulichen Kontext als Landmark zu erscheinen, erfordert allerdings eine äusserst exakte technische Realisierung. Die Verlagerung des Hauptzugangs zum Areal in die Verlängerung der Lichtstrasse führt zu einfachen, aber auch grosszügigen öffentlichen Räumen, die Charakteristik des Ortes fortschreiben und eine eigene Identität entwickeln. Der pragmatisch grosse Grundriss weist eine vielfache Nutzbarkeit auf. Die statische Konzeption des Gebäudes ist durch vorgespannte Decken und einem weitgehenden Verzicht auf innen liegende Stützen gekennzeichnet. Es bietet die Voraussetzungen für einen günstigen und raschen Baufortschritt.
Die zweischalige Fassade mit aussen liegender, flächiger Isolierverglasung und hinterlüfteten Lüftungsklappen bietet langfristig – trotz des damit verbundenen höheren Kühlbedarfs – gute Voraussetzungen für die integrierte Gebäudetechnik. Der gläserne, auf der natürlichen Färbung des Glases beruhende Charakter des Gebäudes grenzt sich vom Bestand ab. Insgesamt stellt das Projekt einen sensiblen Beitrag dar, der in seiner Mehrdeutigkeit zu einer differenzierten Lesart des Ortes führt.»