Carlo Ratti will Fussgänger- und Radweg als Baumpfad bauen
Der Vento-Radweg, der über 700 Kilometer dem Po entlang führt, soll über einen Baumpfad mit Sabbioneta in der Lombardei verbunden werden. Hinter dem Projekt stehen Carlo Ratti und das auf Baubotanik spezialisierte Büro OLA.
Quelle: Carlo Ratti Associati
Zwischen den Bäumen hindurch: der künftige Baumpfad. Allerdings sollen die Bäume nach und nach mit dem Geländer verwachsen.
„Was wäre, wenn man eines Tages Architektur wie einen Baum wachsen lassen könnten“, fragt Carlo Ratti, Architekt und Direktor des „Senseable City Lab“ am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und gibt die Antwort gleich selbst. Von dieser Zukunft sei man noch sehr weit entfernt, aber man könne damit anfangen, die Konvergenz von Natur und Technik zu erforschen. - Konvergenz bedeutet in der Biologie, dass Arten Ähnlichkeiten aufweisen, obwohl sie gar nicht oder nur entfernt miteinander verwandt sind.
Bäume als Bauelemente zu nutzen und die Entwicklung des Bauwerks mit Hilfe digitaler Technologien zu überwachen und zu untersuchen ist für Ratti ein solcher Anfang. Zusammen mit dem auf Baubotanik spezialisierten Stuttgarter Büro OLA plant er ein solches Projekt.
Tausend Bäume für Fuss- und Veloverkehr
Wer in wenigen Jahren zu Fuss oder mit dem Velo nach Sabbioneta unterwegs ist, soll auf einem Baumpfad in luftiger Höhe wandeln oder fahren. Er verbindet den rund 700 Kilometer langen Vento-Radweg, der dem Po entlangführt, mit Sabbioneta.
Als Baumaterial dienen rund tausend Bäume, die im Lauf der Zeit zu einer Brückenkonstruktion zusammenwachsen sollen. Ganz ohne herkömmliches Material kommt das Bauwerk nicht aus: Das Brückengeländer besteht aus rostfreiem Stahl; Es wird allerdings so angelegt, dass Bäume oder vielmehr Äste mit ihm verwachsen und auf diese Weise im Lauf mehrerer Jahre schliesslich die Brückenkonstruktion bilden können und gestalte. Zudem wird der Pfad auf drei Ebenen angelegt, die je nach bis zu sechs Meter über dem Grund zu liegen kommen und den darunter hindurchführenden Strassenverkehr und Wasserläufe überbrücken.
Sensoren messen die Luftqualität
Das Gedeihen des Pfads hängt von vielen Faktoren ab. Deshalb wird er – damit sein Wachstum überwacht und untersucht werden kann – mit Sensoren ausgerüstet, die unter anderem die Luftqualität messen. Sie dokumentieren aber auch Gesundheitszustand und Wachstum der einzelnen Bäume. Zudem sollen sie Flora und Fauna entlang des Bauwerks dabei unterstützen, auf ihre sich verändernde Umgebung und die statische Belastung zu reagieren. Dies mit dem Ziel die Vision eines laut der Website von Carlo Ratti Associati „Internets der Bäume“ zu verwirklichen. (mai)
Quelle: Carlo Ratti Associati
Das Aussehen des Baumpfads wandelt sich mit dem Wachstum der Bäume.
Quelle: Carlo Ratti Associati
Der Baumpfad kann auch als Aussichtspunkt dienen.
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