Baspo-Neubau in Magglingen: Nervenzentrum der Wärmeversorgung
Wer im Nationalen Sportzentrum Magglingen (NSM) oberhalb von Biel auf fast 1000 Metern über Meer trainiert, ist froh, wenn wohl temperierte Räumlichkeiten bereitstehen. Deshalb soll der Campus eine neue Energiezentrale erhalten. Sie ist Teil eines Geothermie-Pionierprojekts. Den Architekturwettbewerb gewann ein zurückhaltender «Schaukasten».
Quelle: op-arch
Direkt vor der Energiezentrale sind die Bohrlöcher für die Erdwärmeförderung vorgesehen. Ein kreisförmiger Platz soll sie erkennbar machen. Ein Teil von ihm ist am rechten Bildrand erkennbar.
Das kleine Dorf Magglingen, Teil der Einwohnergemeinde Evilard, erstreckt sich über Rodungsinseln auf der südlichsten Antiklinalen der Jurakette. Die Waldlichtungen sind auch eine Sprachgrenze, auf Französisch heisst Magglingen Macolin. Die Südorientierung und die Fernsicht auf Bielersee und Alpen führten im späteren 19. Jahrhundert zum Bau eines palastartigen Kurhauses. Eine Standseilbahn verbindet seither die isolierte Streusiedlung direkt mit der Stadt Biel.
1944 schlug die Geburtsstunde des Sportmekkas, als das Magglingen heute bekannt ist: Mitten im Zweiten Weltkrieg wurde das Kurhaus von der Schweizerischen Eidgenossenschaft aufgekauft und zum Standort der neuen Eidgenössischen Sportschule auserkoren. Hier sollte das Lehrpersonal für den Turn- und Sportunterricht ausgebildet werden. Anfangs stand die Wehrertüchtigung im Vordergrund, später erhielten die Leistungssportförderung, die wissenschaftliche Forschung und der Breitensport (J+S) grosse Bedeutung.
1998 gründete man unter dem damaligen Bundesrat Adolf Ogi das in Magglingen beheimatete Bundesamt für Sport (Baspo). Es ist nach wie vor Teil des Militärdepartements, das in der Amtszeit von Ogi in Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) umgetauft wurde. Teil des Baspo ist die Eidgenössische Hochschule für Sport Magglingen (EHSM), die der Berner Fachhochschule (BFH) angegliedert ist. Sie hat den Auftrag, einen Beitrag zur Förderung des Schweizer Sports zu leisten.
Geht es um den Sport, lässt sich die Öffentlichkeit nicht lumpen. Auf den Rodungsinseln entstand mit den Jahren das NSM, neben diversen Aussenanlagen, unter anderem Ballspielplätzen, umfasst es Sporthallen, Unterkünfte, Schulungseinrichtungen, Sportmedizinräume und Verwaltungsbauten. Bauliche Schwerpunkte sind der erweiterte Bestand beim einstigen Kurhaus und ein etwas weiter westlich und höher liegendes Konglomerat mit Pavillons, Hallen und Infrastrukturanlagen. Beide Gruppen bestehen aus älteren und neueren Gebäuden und weiteren Infrastrukturanlagen. Weitere Projekte sind im Bau oder in Planung; im Sinne des «Aktionsplans Sportförderung» von 2016 findet eine allgemeine Aktualisierung und Erweiterung des NSM statt.
Quelle: ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Fotograf: Ziebold, Richard / AIC_02-0Y-322071-002 / CC BY-SA 4.0
Eine Luftaufnahme von 2007 zeigt das einstige Kurhaus mit der Seilbahnstation und den späteren Erweiterungen. Direkt darüber die Lichtung, auf der die Energiezentrale gebaut werden soll.
Erdwärme auf der Jurahöhe
Zu den Aktualisierungen gehört auch ein rund 2700 Meter langes, neues Fernwärmenetz. Es ist bereits im Bau und versorgt künftig praktisch alle Baspo-Gebäude mit erneuerbarer Wärme. Als zentrale Wärmequelle ist Erdwärme, respektive Geothermie vorgesehen. Warmes Wasser soll aus einer Tiefe von rund 1500 bis 2200 Metern nach Magglingen hochgepumpt werden. Das mit dem Projekt betraute Bundesamt für Bauten und Logistik (BBL) weist darauf hin, dass es in der Schweiz geothermische Anlagen dieser Grössenordnung noch praktisch kaum gibt. Eine vergleichbare Anlage mit dieser Tiefe existiere aktuell nur im baselstädtischen Riehen, sie sei bereits 30 Jahre alt. Erwartet wird, dass die Geothermie fortlaufend Wärme aus der Tiefe liefert. In einer Energiezentrale wird dem Wasser die Wärme entnommen und in das Fernwärmenetz abgegeben. Das abgekühlte Wasser fliesst zurück in die Tiefe. Erwartet wird von diesem Pionierprojekt eine Reduktion des jährlichen CO2-Ausstosses von heute mehr als 1300 Tonnen um über 90 Prozent auf noch rund 70 Tonnen.
Für den Neubau der Energiezentrale wurde ein offener, einstufiger Projektwettbewerb für Planerteams mit Generalplaner unter der Leitung der Architektinnen oder Architekten durchgeführt. Die Ausschreibungsunterlagen bezeichnen das Projekt als «Nervenzentrum der Wärmeversorgung des Nationalen Leistungszentrums». Das Bedürfnis nach einer baukünstlerisch hochstehenden Architektur für diesen Infrastruktur-Zweckbau begründet das BBL einerseits mit dem gesellschaftlichen Wert von Magglingen als Naherholungsgebiet. Der guten Einbettung des Neubaus in die Landschaft misst man deshalb eine hohe Bedeutung bei. Andererseits besteht auch der Wunsch, dass sich der innovative, nachhaltige Charakter des Geothermie-Projekts in der Architektur der Energiezentrale zeichenhaft manifestiert. Damit das Bauvorhaben nicht nur in technischer, sondern auch in gestalterischer Hinsicht zu einem Leuchtturmprojekt der Nachhaltigkeit werden kann, hatten die Entwurfsteams auf Ressourceneffizienz in der räumlichen und konstruktiven Konzeption zu achten sowie auf die Verwendung ökologischer und wiederverwendbarer Baumaterialien.
Quelle: op-arch
Die Schnittzeichnung des siegreichen Wettbewerbsprojekts lässt die Dimensionen der geplanten Tiefenbohrung erkennen.
Quelle: op-arch
Die Energiezentrale schliesst eine Gebäudegruppe nach Nordwesten ab. Im Zentrum der anschliessenden, kreisrunden Platzfläche liegen die geplanten Bohrlöcher.
Der Standort der Energiezentrale befindet sich in der westlichen, oberen Ansammlung von Gebäuden. Nachbarn sind im Nordosten die Alte Sporthalle, der Kampfsportpavillon und der Nordic Pavillon, alles Teile des Siegerprojektes aus dem Architekturwettbewerb von 1945 für die Gesamtanlage. Sie werden von der Denkmalpflege des Kantons Bern als schützenswerte, respektive erhaltenswerte Objekte eingestuft. Westlich angeordnet sind die von den Bieler Bauzeit Architekten erbaute Sport-Toto-Halle (1999), die von den Freiburger Architekten Aeby Aumann Emery erbaute Ausbildungshalle (2022) und der Werkhof. Gegen Süden, also talseitig, liegen diese drei Baukomplexe in einer gemeinsamen Flucht, die etwa der Höhenlinie folgt. Der westliche Teil des Werkhofs befindet sich bereits im Projektperimeter. Ein Bearbeitungsperimeter dehnte sich weiter nach Norden und Osten aus. Er umfasst die Aussenbereiche der neueren Gebäude, und die Entwurfsteams mussten eine Aussage zur Erschliessung / Wegführung, der Gestaltung der Oberflächen, der Begrünung und zur Anordnung der Parkplätze präsentieren. Ein Teil des Strassenraums war als Begegnungszone zu gestalten.
Das Raumprogramm war aufgeteilt in Geothermiezentrale, Elektroanlagen und Werkhof. In der neuen Energiezentrale waren verschiedene vorgegebene Anlagen und Systeme unterzubringen, so die Geothermieanlage als «Herzstück». Zur Nutzung der Geothermie ist ausserhalb des Gebäudes die Bohrung von zwei Tiefbrunnen geplant. Die Brunnen sollen jeweils in einem eigenen Brunnenkeller gefasst werden. Ein Tunnel soll sie mit der Energiezentrale verbinden. Der Standort der Brunnen war vorgegeben. In das zu dämmende, aber nicht beheizte Gebäude waren unter anderem Netzpumpen, Druckhalteeinrichtung, die zentrale Steuerung, eine Transformatorstation, die Verteilung zur Transformatorstation, ein Raum für die Kommunikationsverkabelung und die Elektrohauptverteilung zu integrieren. Hinzu kam die Integration einer provisorischen Heizanlage, mit der bereits heute von einem Provisorium aus die Wärmeversorgung des Nahwärmenetzes erfolgt. Sie besteht aus zwei Pellets-Kesseln sowie einem Ölkessel. Die provisorische Wärmeerzeugung soll bei der definitiven Heizzentrale als Redundanz dienen.
Quelle: op-arch
Die Intervention mit der Energiezentrale führt zu einer Verdichtung auf der Waldlichtung und dank der Aussenraumgestaltung zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität, von der auch das Wandervolk profitiert.
Quelle: op-arch
Der Neubau ist in die bestehende Geländeterrassierung eingefügt.
«Schaukasten» und Bohrlochplatz
Es wurden für diesen Wettbewerb insgesamt 24 Projekte eingereicht. Das Verfahren führte zu einem «identitätsstiftenden Siegerprojekt», wie das Preisgericht sich ausdrückt. Es empfahl der Ausloberin einstimmig das Projekt «Saknussemm» des Teams um Op-arch AG, Zürich, zur Weiterbearbeitung. Der Projektname stammt vom fiktionalen isländischen Alchemisten Arne Saknussemm aus Jules Vernes Roman «Die Reise zum Mittelpunkt der Erde», erstmals erschienen 1864. Er stellt somit einen Bezug zum Thema Geothermie her. Inspirationsquelle der Projektverfasser war allerdings weniger Science Fiction-Pionier aus der Belle Epoque als das Kunstwerk «The Vertical Earth Kilometer», das der Konzept- und Landart-Künstler Walter De Maria 1977 für die Ausstellung «documenta 6» in Kassel schuf: Stangenfolgen im Boden, von denen nur das Ende der obersten Stangen sichtbar ist.
Das Entwurfsteam schlägt am Standort einen «Schaukasten» vor. Dieser ist als östlicher Abschluss des Werkhofs konzipiert, der am anderen Ende mit der Sport-Toto-Halle verbunden und in den Höhenversatz an der Bergflanke eingepasst ist. Das Preisgereicht lobt den geringen Aushub, den das Projekt benötigt. Die Topographie wird so genutzt, dass der Zugang zum «Schaukasten» von Osten her, bei der Zufahrt zum Werkhof, über eine Vorzone möglich ist. Darüber befindet sich das Parkdeck neben dem Eingang der Sport-Toto-Halle, welches das Projekt erweitert. In der erwähnten Vorzone befinden sich die beiden vorgesehenen Bohrlöcher. Ihr näheres Umfeld soll ganz im Sinne des «Vertical Earth Kilometer» mit Intarsien eingefasst sein, um sie herum wird ein weiter, von einem kleinen Graben begrenzter Kreis geschlagen, in dem sich der Belag klar von der restlichen Platzfläche abhebt. Die Vorzone ist auch vom unterhalb verlaufenden Wanderweg über eine Treppe erschlossen, eine weitere Treppe führt auf das Eingangsniveau der Sport-Toto-Halle, wo entlang der bestehenden Strasse ein Grünstreifen mit Baumreihe und Sitzgelegenheiten die gewünschte Begegnungszone in aller Schlichtheit herstellt. Mit der Hervorhebung der Bohrlöcher wird das Pionierprojekt somit mit der gebotenen Diskretion öffentlich gemacht und beinahe feierlich zur Geltung gebracht.
Quelle: op-arch
Der neue Kopfbau am Ende des Werkhofs bietet über eine interne Spindeltreppe auch Zugang zum Parkdeck vor der Sport-Toto-Halle.
Der streng orthogonal aufgebaute «Schaukasten» ist als Hommage an die «Solothurner Schule» zu verstehen, Architekten vom Jurasüdfuss, welche während der Hochkonjunktur des späteren 20. Jahrhunderts rational-moderne Bauten mit viel Stahl und Glas realisierten. Als Tragwerk wird eine Skelettbaustruktur in Recyclingbeton vorgeschlagen. Eine mittig angeordnete Hochleistungspilzstütze mit Pendelstützen entlang der Fassade verspricht grösstmögliche Flexibilität in der Raumaufteilung. An den beiden fensterlosen Seitenfassaden ist eine Unterkonstruktion aus Re-Use-Metallprofilen vorgesehen, unterschiedliche Wellbleche aus Rückbauten sollen die Dämmelemente verkleiden. Das Entwurfsteam stellte sich ein «Wellblech-Patchwork» vor, das mit einem einheitlichen Schutzanstrich behandelt wird. Die «Schauseite» mit dem Eingang ist im Erdgeschoss mit Falttoren und in den darüber liegenden beiden Geschossen mit transparenten, gedämmten Profilitgläsern geplant. Das Dach soll intensiv begrünt werden.
Quasi als «Auftakt» werden hinter den Profilitglädern der Wasserspeicher der Geothermie und die beiden geforderten Pelletstanks inszeniert. Die Schaufront ist höher als der dahinter liegende Gebäudeteil. Eine gut sichtbare Spindeltreppe führt in ihr entlang der Tanks in die Höhe, zu einem Ausgang auf das Parkdeck. Expressive Architektur und funktionale Technik finden sich im «Schaukasten» in einer spannenden Komposition. Sie bringt in einem gewissen Sinne auch die Dynamik sportlicher Tätigkeiten zum Ausdruck.
Nachgefragt... bei Barbara Suter
Quelle: BBL
Barbara Suter ist dipl. Architektin ETHZ und beim BBL Leiterin Bauprojekte Inland III.
Der Campus in Magglingen ist sehr
ausgedehnt. Nach welchen Kriterien wurde der Standort der Geothermie-Bohrungen
ausgewählt? Befindet er sich in der geographischen Mitte des Fernwärmenetzes?
Bei der Standortevaluation der
Energiezentrale und des Bohrplatzes wurde insbesondere die
Entwicklungsgeschichte des Nationalen Sportzentrums in Magglingen
berücksichtigt. Dabei stehen die harmonische Einbettung in die Landschaft, die
Geländekammer und die Topo-graphie im Vordergrund. Aus diesem Grund empfiehlt
auch das Baureglement der Gemeinde Evilard bei grösseren Bauvorhaben die
Durchführung eines Architekturwettbewerbes.
Für den Standort Werkhof sprachen
technische Aspekte wie die zentrale Lage, hydraulische Vorteile für das
Fernwärmeverteilnetz und der Konzentration von Infrastrukturbauten (Werkhof,
Tankstelle, etc.) an einem zentralen Ort. Es waren aber vor allem auch ortsbauliche
Über-legungen, welche zu dieser Standortwahl geführt haben Das Volumen hat das
Potenzial, den Standort mit der zurzeit unklaren ortsbaulichen Situation als
Abschluss zu stärken. Eine Einbettung in den bereits stark betrieblich
geprägten Kontext ist auch aus betrieblicher Sicht sinnvoll.
Bei der Ausschreibung des Wettbewerbs hatte
man für die Geothermie noch keine Probebohrungen vorgenommen. Weshalb wurde der
Architekturwettbewerb schon vorher ausgeschrieben?
Bevor die Produktionsbohrung in Magglingen
starten kann, muss das Eidgenössische Parlament den dafür notwendigen Kredit
genehmigen. Dieser Kredit be-inhaltet einerseits die Kosten für die Bohrung
jedoch auch für die Energiezentrale. Deshalb haben wir bereits zu einem frühen
Zeitpunkt den Architekturwett-bewerb für die Zentrale gestartet.
Die Wettbewerbsteams mussten eine
Energiezentrale planen, die auch einer Heizung mit anderen Wärmequellen dienen
kann, beispielsweise einer Holzschnitzel-heizung. Hatte diese gewünschte
«Redundanz» nach Ihren Beobachtungen einen starken Einfluss auf die eingereichten
Projekte?
Die Wettbewerbsteams mussten in erster
Linie eine Energiezentrale für den Energieträger Erdwärme planen. Im
Wett-bewerbsprogramm haben wir erwähnt, dass auch ein anderer Energieträger zum
Einsatz kommen kann, falls kein warmes Wasser gefunden wird. Somit hatte die-se
«Redundanz» keinen Einfluss auf die Projekte.
Das Siegerprojekt hat konkrete Vorstellung
hinsichtlich der Kreislaufwirtschaft. Bildet sich der Aufwand für die damit
verbundene Suche nach gebrauchten Baumaterialien und eventuell deren Lagerung
im Baubudget ab?
Im Rahmen des Vor- und Bauprojektes muss
der genaue Kostenrahmen erar-beitet werden. Dabei sind die auch die Suche und
Lagerung von gebrauchten Baumaterialien zu berücksichtigen. Erste Abklärungen
haben ergeben, dass wir die gebrauchten Materialien auf dem bundeseigenen Areal
des Zeughauses in Biel lagern können.
Welches ist der aktuelle Stand des
Projekts? Wann sind die Geothermie-Probebohrungen geplant?
Zurzeit werden die Messdaten der erfolgten
Seismikkampagne ausgewertet. Das ist aufgrund der geologischen Begebenheiten an
diesem Standort herausfordernd und muss mit der notwendigen Sorgfalt gemacht
werden. Zeigen die Daten erfolgsversprechende Resultate, kann mit der Planung
der Bohrung gestartet werden. Erfolgsversprechend heisst in diesem Kontext,
dass sich aus den Daten mögliche Bohrziele ablesen lassen. Anschliessend ist
wie erwähnt eine Kreditgenehmigung durch das Eidgenössische Parlament notwendig.
Die Bohrung findet somit frühestens 2026/2027 statt.
(Interview: Manuel Pestalozzi)