18:41 BAUPROJEKTE

Ausstellungstipps: Auf den Spuren des Chalets um die Welt

Geschrieben von: Silva Maier (mai)
Teaserbild-Quelle: ETH-Bibliothek, Zürich, Bildarchiv, François-Frédérice Boissonnas

Von der Alp in die weite Welt hinaus: Die Ausstellungen im Zentrum für Architektur Zürich und im Heimatschutzzentrum – ebenfalls in Zürich – verfolgen die Spuren des Chalets. In Andermatt, in Wisconsin oder im Libanon.

Chalet an der Landesausstellung von 1896 in Genf im Village Suisse.

Quelle: ETH-Bibliothek, Zürich, Bildarchiv, François-Frédérice Boissonnas

Chalet an der Landesausstellung von 1896 in Genf im Village Suisse.

«Auf den blumigen Hügeln liegt ein einsamer Weiler, der eigentlich nur Liebenden zur Zufluchtsstätte dienen sollte. Rings um die Hauptwohnung liegen zerstreut in ziemlicher Entfernung einige Chalets, die dazu geschaffen sind der Liebe und Lust, diesen Freunden ländlicher Einfalt, zum Obdach zu dienen», hiess es im Jean-Jacques Rousseaus (1712 – 1778) im Jahr 1761 erschienen Briefoman die «Julie oder die neue Heloise». Die Liebesgeschichte eines Mädchens aus adliger Familie und seines bürgerlichen Haus-lehrers, die «in einer kleinen Stadt am Fusse der Alpen» stattfindet, war einer der beliebtesten Romane des 18. Jahrhunderts. Und nicht nur das. Rousseaus Bestseller war nebenbei eine Werbung für Reisen in die Schweiz: Mit der Entdeckung der Alpen begann damals der Tourismus in der Schweiz Fahrt aufzunehmen. 

Souvenirs von Schweizer Kleinmeistern

Derweil etablierten sich parallel zum aufkommenden Fremdenverkehr  die sogenannten Schweizer Kleinmeister: Maler, die idyllische Landschaften oder Stadtszenen in Aquarell oder Öl festhielten. Je nachdem skizzierten sie die Sujets auch nur, um später in der Werkstatt nach ihrer Vorlage Radierungen oder Stiche herzustellen. Die Ansichten wurden bis weit ins 19. Jahrhundert hinein von Touristen gerne als Souvenir gekauft. Oft zeigten sie auch Sennhütten, bäuerliche Alltagsszenen, dramatische Alpenpanoramen oder Ansichten von Seen und Gletschern. Damit begann sich nicht nur ein idyllisches Bild der Schweiz auszubreiten zudem auch das Chalet gehört.

Von der Reise des bescheidenen Holzhauses rund um den Globus und von seinem Wandel berichtet die aktuelle, ursprünglich vom Gelben Haus in Flims entwickelte Ausstellung «Mythos Chalet» (bis 9. März)  im Heimatschutzzentrurm, in der Villa Patumbah in Zürich. So brach etwa in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein regelrechter Chalet-Boom aus: Wer es sich leisten konnte, liess sich ein Wohnhaus in Form eines pitto-resken Chalets errichten. Möglich machten dies Chaletfabriken wie die international tätige Parquet- und Chaletfabrik Interlaken. Sie lieferte die vorgefertigten Einzelteile an, sodass sie vor Ort nur noch zusammengebaut werden mussten. Auch die englische Königin Victoria hatte ihre Liebe zu den Sennhütten zu entdeckt: Sie erfreute ihre Kinder mit einem kleinen Chalet, das sie für sie im Park von Osborne House, ihrem Landsitz auf der Isle of Wright, bauen liess. Wenig später erfasste die Chaletbegeisterung Skandinavien und Deutschland, trotz eigener Holzbautraditionen hinterliess der schweizerisch angehauchte «Laubsägeli-Stil» hier ebenfalls Spuren, etwa als Villen oder Hotels. Überdimensionierte Chalets in Form von Hotels gibt es allerdings nicht nur in Europa, sondern zum Beispiel auch im libanesischen Faraya-Skiresort. 

Von Glarus nach Wisconsin

Als Cabaña Suiza trifft man von Sennhütten inspirierte kleine Bauten in Mittel- und Südamerika an. «Die Holzhäuschen sind allesamt sehr freie Interpretationen des Chalets, liegen aber oft in Landschaften, welche der Schweiz ähnlich sehen», heisst es dazu in der Ausstellung. Nord-, Mittel- und Südamerika waren im 19. Jahrhundert ein beliebtes Ziel für Auswanderer aus der Schweiz, die vor Armut und Hunger flüchteten und in Übersee ihr Glück zu finden hofften. 


Chalets in New Glarus

Quelle: Brian Griffin

Chalets in New Glarus: Seit 25 Jahren sorgen Bauvorschriften dafür, dass der schweizerische Charakter des Ortes gewahrt bleibt.

Ein solcher Ort ist New Glarus im US-Bundesstaat Wisconsin: Im Jahr 1845 liessen sich rund 230 Kilometer nordwestlich von Chicago 108 Siedler aus Glarus nieder und begannen hier Vieh- und Milchwirtschaft zu betreiben. Von den Schweizer Wurzeln des Ortes künden zahlreiche an Chalets erinnernde Bauten. Jedoch ist die beinahe durchgehend klischeehaft anmutende Architektur von New Glarus erst wenige Jahrzehnte alt. Dies, weil sie weniger in der Herkunft der Gründer des Ortes wurzelt, als vielmehr in wirtschaftlichen Schwierigkeiten: «Denn nachdem der Ort unter Mitte des 20. Jahrhunderts unter ökonomischen Niedergang litt, entdeckten seine Bevölkerung das Image ihres kulturellen Erbes als einen möglichen Weg aus der Krise. So begannen 1950 einige lokale Geschäftsleute – einige aus dem Kanton Glarus stammend – ihre Geschäftsfassaden zu ‹verschweizern›, um ihre Herkunft zu betonen», erfährt man in der von Architecture Office kuratierten  Ausstellung «I love Chalets»  (bis 18. Mai) im Bellerive ZAZ Bellerive Zentrum für Architektur Zürich, unweit der Villa Patumbah. Die Strategie ging auf, die kleine Schweiz von New Glarus avancierte schnell zum beliebten Ausflugsziel. Seit 1999 sorgen gar spezifische Bau-vorschriften dafür, dass die «traditionelle» Chalet-Ästhetik bewahrt bleibt. Allerdings entsteht dabei eigentlich ungewollt Neues: Durch die importiertem Bauelemente und lokalen Einschränkungen der Konstruktion und der Baumaterialien entstehe eine unerwartete, neue transkulturelle Umgebung, die visuell kulturelle Werte vermittle, die weder dem amerikanischen noch dem europäischen Bild entsprächen, schreibt das ZAZ. 

Was dabei herauskommt, illustriert die Fotoserie mit Aufnahmen aus New Glarus von Brian Griffin. Die Bauten haben einen skurrilen Charme und ihre Beschriftungen wollen nicht so recht passen, etwa Brenda’s Blumenladen oder Krankenwagen Haus. New Glarus dient als Ausgangspunkt für die Ausstellung. Während in die Schau in der Villa Patumbah eine Auslegeordnung bieten will, «erforscht» das ZAZ das Schweizer Chalet und seinen Wandel, der Fokus liegt vor allem auf Architektur und Bauweise. Ein separater Bereich thematisiert übrigens Andermatt und seine neuen rund 40 Chalets – inklusive des Luxus-hotel The Chedi. Die einzelnen Projekte werden jeweils mit Wettbewerbs- oder Projektvisualisierungen, Verkaufsanzeigen der Andermatt Swiss Alps und Aufnahmen der fertigen Bauten präsentiert. Auch hier wird der Wandel deutlich.

Weitere Informationen zu den Ausstellungen:
«I Love  Chalets» bis 18. Mai im ZAZ Bellerive Zentrum für Architektur Zürich, www.zaz-bellerive.ch
«Mythos Chalet» bis 9. März, Heimatschutzzentrum, Zürich, www.heimatschutz.ch

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Quelle: Gabriel Ludwig Lory, Gemeinfrei

Aquarell einer Ansicht des Rosenlauigletschers mit Wellhorn und Wetterhorn um 1823, von Gabriel "Père" Ludwig Lory.

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