Wohnungen statt Büros: Umnutzung kommt in Mode
Freie Wohnungen sind in der Schweiz knapp, hingegen stehen vielerorts Büroräume leer. Da zudem die Mieten beständig steigen, mehren sich in einigen Städten Umnutzungsprojekte. Die Umwandlung von Büros zu Wohnungen ist aber mit einer Reihe von Herausforderungen verbunden.
![BB_2501_OMU93_01](https://www.baublatt.ch/storage/images/crop1/157841_1.jpg)
Quelle: Ben Kron
Das ehemalige PTT-Hochhaus in Ostermundigen, am Stadtrand von Bern, wird zum Wohngebäude umfunktioniert.
![BB_2501_OMU93_02](https://www.baublatt.ch/storage/images/crop1/157842_1.jpg)
Quelle: Ben Kron
Da die Fassade unter Denkmalschutz steht, werden für die Sanierung entfernte Brise-Soleil-Elemente auf dem Gelände zwischengelagert und am Ende wieder eingebaut.
Die Bevölkerung der Schweiz ist in den letzten zehn Jahren
um zehn Prozent gewachsen. Zugleich sank die Zahl der pro Jahr neu erstellen
Wohnungen von über 53’000 auf 46’700, wie der «Beobachter» ausgerechnet hat.
Der Bedarf liegt aber bei rund 72’000, weshalb der Bund mit einem jährlichen
Defizit von 10’000 Wohnungen rechnet. Und dies bei stagnierender
Wohnbautätigkeit.
Die logische Folge: Eine Mietwohnung zu finden, wird in der
Schweiz immer schwieriger. Wie eine Studie der Raiffeisen-Bank ergab, sank der
Leerwohnungsbestand das vierte Jahr in Folge und liegt nun noch bei 1,44
Prozent. Vor einem Jahr waren es zum Stichtag am 1. Juni noch 1,6 Prozent
gewesen. Das Bundesamt für Statistik meldet zum selben Datum gar noch eine
Leerwohnungsziffer von 1,08 Prozent. Mit anderen Worten: Der Wohnungsbau hinkt
immer weiter hinter dem Bevölkerungswachstum her. Besonders prekär ist die Lage
in den Städten: Zürich als Paradebeispiel hat gerade noch 0,06 Prozent
freistehende Wohnobjekte – trotz intensiver Wohnbautätigkeit in den letzten
Jahren.
![BB_2501_OMU93_05](https://www.baublatt.ch/storage/images/crop1/157844_1.jpg)
Quelle: Ben Kron
Auf den einzelnen Stockwerken folgt als nächstes das Erstellen und Einteilen der bestehenden Obergeschosse in ansprechende Wohngrundrisse.
Immer mehr leere Büros
Auf der anderen Seite stehen in der Wirtschaftsmetropole
aktuell rund 200’000 Quadratmeter Büroflächen leer, teilweise auch
längerfristig. In Zahlen betrug der Büro-Leerstand 3,5 Prozent, in den Vororten
sogar 14,6 Prozent, so die Immobilienberatung CBRE. Das Unternehmen spricht von
einer Trendumkehr bei der Büroverfügbarkeit, denn die Leerstände steigen auch
in anderen Städten: In Basel stiegen sie von 3,7 Prozent Ende 2019 auf 5,4
Prozent Ende 2023. In Bern liegen die Zahlen etwas tiefer: Gemäss JLL Schweiz
stiegen die Leerstände auf einen aktuellen Wert von 2,1 Prozent oder 62’000
Quadratmeter.
Deshalb kommen immer mehr Immobilienbesitzer auf die Idee,
die Büros in Wohnungen umzunutzen. Seit 2015 entstanden so in Bern 1200 neue
Wohnungen – 845 davon allein seit 2020. In Zürich waren es im selben Zeitraum
1297 Wohneinheiten. Ein prominentes Beispiel für eine laufende Umnutzung ist
der ehemalige Swisscom-Tower in Bern: Das Gebäude wurde zwischen 1969 und 1972
für die damalige PTT erbaut, an der Grenze zwischen der Stadt und dem Vorort
Ostermundigen. Der markante, 87 Meter hohe Turm war bei seiner Fertigstellung
das höchste nicht-sakrale Gebäude der Schweiz. Hier wurde unter anderem das
erste portable Autotelefon, das Natel A, mit entwickelt. Doch seit 2015 stand
das Hochhaus leer.
![BB_2501_OMU93_03](https://www.baublatt.ch/storage/images/crop1/157843_1.jpg)
Quelle: Ben Kron
Der Eingangsbereich des OMU93 wird für die Umnutzung zu einer hellen, grosszügigen Lobby erweitert.
Umfangreiches Sanierungsprojekt
Nun wird es von der Immobilien-Anlagestiftung Turidomus zum
Wohngebäude umgebaut, wofür 50 Millionen Franken veranschlagt sind. Die HRS
Real Estate AG realisiert als Totalunternehmerin das umfangreiche
Sanierungsprojekt mit 25 Etagen. Rund 90 Wohnobjekte und Büroflächen werden
auf 17 Etagen geschaffen. In den übrigen acht Etagen befinden sich Flächen für
mögliche Retail-Einheiten, Aufenthaltszonen für die zukünftigen Mieter sowie
diverse Technikräume und Allgemein-Flächen. Gekrönt wird der Bau von einer gemeinschaftlich
genutzten Dachterrasse in 75 Metern Höhe.
Die Vorgaben sind dabei eng, da die Fassade des Hochhauses
unter Denkmalschutz steht: Materialien, Farben und Dimensionen des Originalbaus
müssen erhalten bleiben. Für die Sanierung wurden deshalb zahlreiche der
vorgehängten Brise-Soleil-Elemente abmontiert und auf dem Bauplatz
zwischengelagert, bis sie am Ende der Sanierung wieder die geschosshohe
Aluminiumfassade einkleiden werden.
![BB_2501_OMU93_08](https://www.baublatt.ch/storage/images/crop1/157847_1.jpg)
Quelle: Ben Kron
Blick vom OMU93 Richtung Bern: Das neue Wohnhochhaus bietet in alle Richtungen einen prächtigen Weitblick.
Anspruchsvoller Brandschutz
Für die Umnutzung können die Verantwortlichen auf eine
solide Struktur aufbauen: Das Tragwerk des Hochhauses besteht aus einem
Skelettbau mit Stahlstützen, dazu besitzt es zwei durchgehende Betonkerne mit
Liften und Treppen. Durch weitere statische Massnahmen und die Instandstellung
der bestehenden Betontragstruktur wurde das Gebäude für die neue Nutzung
ertüchtigt. Daneben sind gemäss dem verantwortlichen Gesamtprojektleiter Rafael
White von der HRS drei weitere wesentliche Aspekte zu berücksichtigen: der Rückbau
und Ersatz sämtlicher haustechnischen Installationen und Liftanlagen, das
Erstellen und Einteilen der bestehenden Obergeschosse in ansprechende
Wohngrundrisse, sowie die Umsetzung der vorgegebenen Brandschutzmassnahmen für
Hochhäuser, welche – unter stetiger Berücksichtigung der vorhandenen
Bausubstanz in Bezug auf die aktuell gültigen Normen – teilweise stark von den
damaligen abweichen. «Das Erstellen der Gips-Trockenbau-Wände erfolgt dabei
fortlaufend und in stetigem Zusammenspiel mit der Montage der neuen
haustechnischen Installationen (HLSKE) und dem Umsetzen der erhöhten Brand-
sowie Schallschutzschutzmassnahmen.»
Aktuell stehen als nächste Meilensteine die Fertigstellung
der Montage der neuen Fassade an, sowie der Innenausbau der Wohngeschosse, nach
Abschluss der äusserst umfangreichen Schadstoffsanierung. Zeitgleich erfolgt
der Rückbau des ehemaligen Auditoriums, das sich im Untergeschoss befindet.
Rafael White: «Die Übergabe an die Bauherrschaft erfolgt im Frühjahr 2026.»
![BB_2501_OMU93_07](https://www.baublatt.ch/storage/images/crop1/157846_1.jpg)
Quelle: Ben Kron
Der Dachaufbau des früheren Bürogebäudes: Die Details der Gestaltung dieses Bereiches sind noch in Ausarbeitung.
”Die drei wichtigsten Massnahmen sind der Rückbau und Ersatz der Installationen, das Einteilen der Obergeschosse in Wohngrundrisse, sowie die Umsetzung der Brandschutz
Rafael White, Gesamtprojektleiter HRS Real Estate AG
Rafael White, Gesamtprojektleiter HRS Real Estate AG
Diverse Umnutzungen geplant
Neben dem Berner Sanierungsprojekt «OMU93» gibt es aktuell
einige Bauausschreibungen in der ganzen Schweiz, die Büros in Wohnungen
umfunktionieren wollen. Zum Beispiel das Projekt der Stiftung PWG: Sie will in
Zürich Leutschenbach zwei ehemalige SRF-Bürogebäude in Wohnungen für 200
Menschen umbauen, mit geplantem Baustart 2026. Das Versicherungsunternehmen
Mobiliar hat ein Projekt zur Umnutzung eines Bürobaus an der Langstrasse
lanciert, gleich beim Helvetiaplatz: Sofern die Baubewilligung rechtzeitig
erteilt werden kann, wird hier ein kleines Bürogebäude ab 2025 zu 37 Wohnungen
umgewandelt.
Gemäss NZZ hat ein Geschäftsleitungsmitglied des
Immobilienunternehmens Mobimo kürzlich zu Protokoll gegeben, Büros in Wohnungen
zu verwandeln sei hochkomplex, aber ebenso spannend; eine Königsdisziplin.
Zudem würden Umnutzungen den firmeninternen Klimazielen entsprechen. Das
Immobilienunternehmen hat letztes Jahr sein Tiergarten-Projekt fertiggestellt:
Ein Büro- und Laborgebäude aus den 90er-Jahren, mit der üblichen
Plattenfassade, wurde in ein Wohnhaus mit 59 Einheiten umgebaut, die alle
vermietet sind. Bei dem Projekt im Stadtzürcher Kreis 3 konnten im Vergleich zu
einem Ersatzneubau insgesamt 60 Prozent graue Energie eingespart werden. Ein
anderes Beispiel ist «The Brick 80»: Aus dem ehemaligen SRF-Bürogebäude in
Zürich Nord wurde ein Wohn- und Geschäftshaus mit 110 Loft-Wohnungen.
![Sunrise Hochhäuser Zürich Oerlikon](https://www.baublatt.ch/storage/images/crop1/157806_1.jpg)
Quelle: Ikiwaner - Selbst fotografiert, wikimedia, CC BY-SA 3.0
Auch die ehemaligen Sunrise-Tower in Zürich Oerlikon, seit dem Untergang der CS leer, werden in Wohnungen umfunktioniert.
Wohnen in den Sunrise-Towers
Kürzlich wurde ein weiteres, prominentes Umnutzungsprojekt
vorgestellt: Auch aus den ehemaligen Sunrise-Hochhäusern in Zürich-Oerlikon
sollen Wohnungen werden, nachdem noch vor einem Jahr rund 1000 Mitarbeiter der
Credit Suisse hier tätig waren. Konkret will die Zürcher Pensionskasse als
Eigentümern in einem Teil der 88 und 72,5 Meter hohen Gebäude total 260
Wohnungen erstellen. Geplant in den Stockwerken 7 bis 25 sind mehrheitlich
kleine Appartements für ein urbanes Publikum, während in den unteren Geschossen
Dienstleistungs- und Verkaufsflächen geschaffen werden sollen. 2028 soll die
Umnutzung der beiden Türme vollzogen sein.
Gemäss NZZ entstehen zurzeit in Zürich, Bern, Basel und Genf
zusammen mindestens 420 neue Wohnungen in ehemaligen Büros. Was auffällt: Die
Projekte sind gross und die Besitzer der Liegenschaften vornehmlich
Immobiliengesellschaften und -investmentfirmen. Und sie haben fast alle einen
Schönheitsfehler: Sie schaffen keinen günstigen Wohnraum, da der
Sanierungsaufwand bei solchen Gebäuden oftmals beachtlich ist, wie auch die
Stadt Zürich schreibt: «Bei Bauten, die ein Alter von etwa dreissig bis vierzig
Jahren aufweisen, sind meist umfassende technische Verbesserungen in den
Bereichen Statik, Wärmedämmung, Schallschutz oder Energieversorgung
erforderlich.» Bürogebäude verfügen zudem über wesentlich weniger, meist
zentral platzierte Nasszellen, was für Wohnungen komplett geändert werden muss.
Auch fehlen meist Küchen und Balkone.
![projekt mobiliar tagi](https://www.baublatt.ch/storage/images/crop1/157840_1.jpg)
Quelle: Ben Kron
Ein kleineres Umnutzungsprojekt an der Zürcher Langstrasse: In diesem Gebäude sollen 37 Wohneinheiten geschaffen werden.
Oft Zonenänderung nötig
Weiter unterscheiden sich Bürogebäude in Raumtiefen,
Lichtdurchflutung und Energieerschliessung oft stark von Wohngebäuden, was den
Umbau für die Planer und Architekten zusätzlich anspruchsvoll macht.
Entscheidend ist jedoch die Zonenfrage: Liegen die Gebäude in reinen
Industrie-, Büro- oder Gewerbezonen, ist eine Umnutzung in Wohnraum gar nicht
erlaubt. Liegen Bürogebäude zentral in den Städten, ist eine Umwandlung oft aus
Lärmschutzgründen nicht möglich. Bei all diesen Massnahmen muss am Ende eine
Miete erzielt werden, welche die Investitionskosten rechtfertigt. Da aber
aktuell die Mietpreise explodieren, die Büromieten aber stagnieren, steigt der
Anreiz für eine Umnutzung.
Für Donato Scognamiglio vom Immobilien-Beratungsunternehmen
IAZI ist deshalb klar: «Wir werden uns daran gewöhnen müssen, dass wir Büros
auch fürs Wohnen brauchen.» Und je mehr Büros längere Zeit leer stünden, desto
grösser sei das Potenzial. Zugleich sei der Effekt solcher Umnutzungsprojekte
aber nicht zu überschätzen: «Die Wohnungsknappheit lässt sich allein mit der
Umnutzung von Büros wohl kaum lösen, aber immerhin entschärfen.»