Wohnhof Colmarerstrasse in Basel: Vielfalt auf kleinstem Raum
In einem Basler Hinterhof ist ein dichtes städtisches Ensemble mit Mietwohnungen, Kleingewerbe und Ateliers entstanden. Bestehende Gebäude wurden umgenutzt und durch Neubauten ergänzt. Die räumliche und soziale Mitte des Projekts bildet ein gemeinschaftlicher Hof.
Quelle: WEISSWERT
Der Innenhof wirkt trotz der neu eingefügten Wohn- und Nutzbauten licht und freundlich, zudem beleben die geplanten Gewerbe- und Gemeinschaftsnutzungen die neu gestalteten Freiräume.
In den Hinterhöfen der typischen Basler Blockrandbebauungen
der Jahrhundertwende haben sich im Laufe der Zeit kleine Handwerksbetriebe
angesiedelt. So auch an der Colmarerstrasse 14, in der Werkstätten, Unterstände
und ein Pferdestall direkt an die Grundstücks- und Brandmauern gebaut wurden.
Ein grosser, überhoher Natursteinkeller lässt zudem vermuten, dass hier einmal
Wein in Fässern gelagert wurde.
Bei der Umgestaltung des Gewerbehofes in einen Wohn- und
Arbeitsort legten Rahbaran Hürzeler Architekt:innen besonderen Wert darauf, die
idyllische und kleinräumige Atmosphäre der Parzelle trotz der geforderten
maximalen Ausnutzung zu bewahren. Die vorgefundene Situation mit dem von
Natursteinwänden gefassten und von kleinteiligen Bauten und Kletterpflanzen
geprägten Hofraum bildete auch die Leitidee für die Neusetzung der Bauten und
den Entwurf der Freiräume.
Die Architektinnen Shadi Rahbaran und Ursula Hürzeler
liessen sich dabei von den vorgefundenen Strukturen inspirieren, führten den
erhaltenswerten Bestand einem neuen Zweck zu und ergänzten die Bebauung mit
neuen Gebäudekörpern unter Nutzung der bestehenden Fundamente und Keller. Der
Innenhof wirkt damit trotz der neu eingefügten Wohn- und Nutzbauten licht und
freundlich, zudem beleben die geplanten Gewerbe- und Gemeinschaftsnutzungen die
neu gestalteten Freiräume.
Wohnraum durch Nachverdichtung
Den grössten Zuwachs an Wohnraum ermöglichte das neue
Vorderhaus an der Colmarerstrasse 14. Hier wurde das baufällige,
dreigeschossige Wohnhaus durch vier Voll- und zwei Attikageschosse ersetzt und
in der Gebäudetiefe um eine Raumschicht erweitert. In den Regelgeschossen
entstanden so 4.5-Zimmer-Wohnungen, die vor allem für Familien geeignet sind,
und im Attika eine weitere grosse Wohnung über zwei Ebenen.
Die Tragstruktur wurde als schlankes Platten-Stützen System
in Beton geplant, welches sich zwischen die seitlichen Brandmauern aus
Naturstein einpasst und von einem aussteifenden Treppenkern gehalten wird. Die
Fassade und sämtliche inneren Trennwände sind in Leichtbau konstruiert und bei
Bedarf anpassbar. Dadurch lassen sich sowohl grosszügige zusammenhängende
Wohnflächen wie auch einzeln abtrennbare Zimmer schaffen. Dabei sind die
Wohnflächen knapp geschnitten, was zu einem geringen Flächenverbrauch pro Person
und damit auch zu vergleichsweise kostengünstigen Wohnungen führt.
Im Hof entstehen weitere Wohnungen: So reihen sich drei
neue, knapp geschnittene Townhouses an der nördlichen Brandwand aneinander. Die
Häuser zeichnen sich durch eine grosse Wohnküche auf der Hofebene, private
Zimmer im Obergeschoss und einen gemeinschaftlichen Dachgarten aus.
Quelle: Rahbaran Hürzeler Architekten
Städtebauliches Ensemble: Axonometrie.
Quelle: Rahbaran Hürzeler Architekten
Längsschnitt.
Der historische Pferdestall, der am tiefsten Punkt der
Parzelle steht und zwischen den Grundstücksmauern aus Naturstein eingepasst
ist, wurde zu einem offenen Atelier für Wohnen und Arbeiten ausgebaut. Minimale
Einbauten bieten die notwendige Infrastruktur, und eine Wendeltreppe aus Stahl
erschliesst die Ebenen vom Hof über die darüber liegenden Wohnebene bis hin zur
offenen Galerie im Dach.
Als viertes und letztes Gebäude steht in der Parzellenmitte
ein Pavillon in Holzbauweise. Der grosse, durch Vorhänge unterteilbare Raum
bietet sich als Gemeinschafts-, Werkraum oder auch für temporäres Wohnen an.
Neues Leben in alten Mauern
Eine aussergewöhnliche Umnutzung erfuhr auch der ehemalige
Weinkeller unterhalb der neu erstellten Reihenhäuser. Die Architektinnen
erkannten die Qualität dieser überhohen, imposanten Halle im Untergrund und die
Möglichkeit, daraus etwas Besonderes zu gestalten. Über eine neu eingefügte
Aussentreppe und einen Lichthof wird der Naturkeller zum Tageslicht hin
geöffnet und mit kleinen abgesenkten Gärten ergänzt. Eine neu eingezogene
Glasfassade schafft einen wettergeschützten, beheizbaren und multifunktionalen
Raum für die Bewohnerinnen und Bewohner.
Beim Entwurf der Wohnungen wurde darauf geachtet,
materialgerecht zu konstruieren und möglichst umfassend mit nachwachsenden
Materialien wie Holz zu bauen. Deshalb kommt Beton nur dort zum Einsatz, wo er
statisch sinnvoll und notwendig war. Etwa bei den Schotten zwischen den
Townhouses, um die Brandwand im Rücken des Gebäudes zu stabilisieren. Die
restlichen Wand- und Deckenaufbauten sind in vorfabrizierter Holzbauweise
ausgeführt.
Quelle: WEISSWERT
Colmi Pferdestall: der ehemalige Pferdestall wurde zum Atelier und Wohnhaus umgebaut.
Quelle: WEISSWERT
Eine Umnutzung erfuhr auch der ehemalige Weinkeller unterhalb der neu erstellten Reihenhäuser: Eine neu eingezogene Glasfassade schafft einen wettergeschützten, beheizbaren und multifunktionalen Raum für die Bewohner.
Quelle: Rahbaran Hürzeler Architekten
Detail der erhaltenen Wand und Stahlträger des ehemaligen Weinkellers.
Gesichter zum Hof und zur Strasse
Durch differenziert gestaltete Gebäudefassaden entsteht im
Hof der Eindruck eines kleinen, über die Jahre gewachsenen Ensembles mitten in
der Stadt. Silbergraue Holzverkleidungen wechseln sich ab mit grossformatigen
Fenstern in taubenblau und salbeigrün. Dazu bilden sowohl der ehemalige
Pferdestall mit seinen Massivsteinmauern und roten Sandsteingewänden als auch
das Vorderhaus mit den raumhohen Verglasungen und auskragenden runden Balkonen
ein kontrastreiches Gegenüber.
Die Strassenfassade bezieht sich in ihrer Gestaltung und
Proportion auf die vertikale Gliederung der Nachbargebäude der
Jahrhundertwende. Die hohen Fensterformate mit faltbaren Klappläden sind eine
Referenz an das nahe Frankreich, worauf auch der Strassenname verweist. Die auf
den ersten Blick klassische Lochfassade entpuppt sich bei genauerem Hinsehen
jedoch als Leichtbau: Die weiss Wellbandfassade aus Metall strahlt eine
spielerische Leichtigkeit aus und ihre hellen Farben changieren im Sonnenlicht.
Die grün glasierten Keramikplatten des Sockelgeschosses hingegen betonen die
Massivität und erzeugen einen robusten Übergang zum öffentlichen Strassenraum.
Analog zu den Nachbarbauten befindet sich auch hier auf Erdgeschossebene ein
kleines Ladengeschäft, das zur Belebung des Quartiers beiträgt.
Der hinzugewonnene Wohnraum wird durch den neu gestalteten Freiraum im Hinterhof ergänzt. Zwischen den Hofbauten verläuft ein zentraler Weg, dessen offenfugiger und sickerfähiger Belag von mit Bäumen und Stauden bepflanzten Grünflächen begleitet wird. Wie bereits im 19. Jahrhundert bleibt das Gewerbe auch in Zukunft ein Bestandteil des Ensembles. Im Vorderhaus an der Colmarerstrasse werden je ein Gewerberaum zur Strasse und zum Hof angeboten; auch Teile des Naturkellers und des Pferdestalls im Innenhof könnten wieder gewerblich genutzt werden. So entsteht nicht nur eine grüne Oase und ein Gemeinschaftsort, sondern auch ein lebendiger Hofraum im Quartier. (pd/bb)
Quelle: WEISSWERT
In der Parzellenmitte steht ein Pavillon in Holzbauweise (rechts). Der grosse, durch Vorhänge unterteilbare Raum bietet sich als Gemeinschafts-, Werkraum oder für temporäres Wohnen an.
Quelle: WEISSWERT
Strassenansicht des Vorderhauses: Die Fassade bezieht sich in ihrer Gestaltung und Proportion auf die vertikale Gliederung der Nachbargebäude der Jahrhundertwende.
Quelle: WEISSWERT
Den grössten Zuwachs an Wohnraum ermöglichte das neue Vorderhaus: Das baufällige, dreigeschossige Wohnhaus wurde durch vier Voll- und zwei Attikageschosse ersetzt.