Wo historische Bausubstanz auf moderne Einrichtung trifft
Die Stiftung Ferien im Baudenkmal bietet Häuser mit
historischer Bausubstanz als Ferienmietwohnungen an. Das Angebot erlebte
zuletzt durch die Coronapandemie einen regelrechten Boom.
Quelle: Bruno Helbling
Ferien in einem bauhistorischen Haus sind im Trend. Während der Pandemie waren gewisse Objekte der Stiftung Ferien im Baudenkmal komplett ausgebucht.
Wohnen in einem ehemaligen Zuckerbäckerhaus in Poschiavo
oder in einem Speicher in Attiswil? Oder doch lieber eine Woche Urlaub in einem
500-jährigen Steinhaus im Bündnerland? Ferien in der Schweiz haben durch Corona
eine neue Bedeutung erhalten – das spürte auch die Stiftung Ferien im
Baudenkmal. Durch die Pandemie hat sie mit ihren speziellen Baudenkmälern einen
regelrechten Boom erlebt, wie Nancy Wolf, Kommunikationsverantwortliche der
Stiftung, sagt. «Gewisse Objekte waren im Corona-Jahr komplett ausgebucht.»
Bevölkerung sensibilisieren
Mit ihrer Arbeit setzt sich die Stiftung schweizweit für den Erhalt von «bauhistorisch wertvollen Gebäuden» ein. Vom Abriss bedrohte oder dem Verfall ausgesetzte Baudenkmäler nimmt die Stiftung in ihr Inventar auf, restauriert diese sanft und macht sie danach als Ferienobjekte für die Öffentlichkeit nutzbar. «Dadurch wollen wir die Bevölkerung für das Thema historische Bausubstanz sensibilisieren und aufzeigen, welchen Wert alte Häuser besitzen», sagt Wolf.
Gegründet wurde die Stiftung im Jahr 2005 zum 100-Jahre-Jubiläum des Schweizer Heimatschutzes. Sie agiert jedoch selbständig. Derzeit hat sie 50 Baudenkmäler im Angebot. Eine aktive Akquise betreibt sie derweil nicht. «Wir verfügen über ein grosses Netzwerk. Die Häuser werden uns oftmals von den Besitzern gemeldet.»
Autobahnnähe ist tabu
Ob ein Objekt schliesslich ins Inventar der Stiftung aufgenommen wird, wird von einem Bauausschuss geprüft und danach vom Stiftungsrat entschieden. Dafür gibt es gewisse Kriterien. So muss das Gebäude als Ferienhaus angeboten werden. «Es muss ferientauglich sein. Ein Haus in der Nähe einer Autobahn würden wir wahrscheinlich nicht aufnehmen», sagt Wolf. Der wichtigste Kritikpunkt sei jedoch, dass das betreffende Gebäude einen hohen Anteil an historischer Bausubstanz aufweisen kann. «Wenn ein Haus schon zu stark umgebaut oder modernisiert wurde, ist es nicht mehr erlebbar.»
40 der 50 Objekte befinden sich in Privatbesitz und werden durch die Stiftung vermietet. Zehn gehören zu ihrem Eigentum. «Diese wurden uns jeweils zu einem symbolischen Preis verkauft oder im Baurecht übergeben», sagt Wolf. Die meisten geretteten Häuser stehen in den Kantonen Bern und Graubünden. «In der Westschweiz fehlt es uns noch an Objekten, dort sind wir aktuell auf der aktiven Suche.»
Quelle: Simona Ferrari
Das neuste Objekt im Portfolio der Stiftung: Die ehemalige Kaplanei in Ernen.
Das Portfolio der Stiftung wächst langsam, aber beständig. «Die Restaurierung der Häuser dauert jeweils mehrere Jahre und die Such nach den finanziellen Mitteln ist ein langwieriger Prozess», sagt Wolf. Für die Restaurierungen der Baudenkmäler ist die Stiftung jeweils auf Spenden und Beiträge angewiesen. «Wir haben gewisse Grossspender und Darlehensgeber, aber auch Kleinspenden sind immer willkommen», so Wolf.
Umbau einer alten Kaplanei
Derzeit läuft die Finanzierung für das neuste Objekt im Portfolio der Stiftung. Sie will die ehemalige Kaplanei in Ernen (VS) restaurieren. Das im Jahr 1776 wurde bis 1952 als Pfarrhaus genutzt, seither stand es grösstenteils leer und verfällt zusehends. Nun sind umfangreiche Sanierungsarbeiten geplant. Die Arbeiten am Haus aussen haben bereits begonnen.
Ab Herbst sollen die Innenräume instand gestellt werden, die Einbauten für Küche und Bad werden dagegen zurückhaltend in einer zeitgenössischen Formensprache ausgeführt. Nach der Renovation wird in der Kaplanei ein Ferienhaus für bis zu sechs Personen zu mieten sein.
Für die Arbeiten rechnet die Stiftung mit Kosten von rund 960'000 Franken. Davon wurden bislang knapp 890'000 Franken durch 52 verschiedene Unterstützer finanziert. «Ziel ist, dass wir die Ferienwohnung ab Frühling 2023 eröffnen können», sagt Wolf.
Drei Baudenkmäler in der Übersicht
Quelle: Gataric Fotografie
Das Haus Tannen in Morschach.
Das Älteste – Haus Tannen in Morschach (SZ)
Der zweigeschossige Blockbau wurde 1341 erstellt. Damit ist das Haus Tannen eines der ältesten Holzhäuser im Kanton Schwyz sowie in Europa. Nachdem das ehemalige Wohnhaus mehrere Jahre leer stand und einzustürzen drohte, wurde es 2016 von den Eigentümern im Baurecht an die Stiftung Ferien im Baudenkmal übergeben. Diese liess es in der Folge renovieren und stattete es mit modernen Küchen- und Sanitäreinrichtungen sowie Schweizer Designklassikern aus. Dadurch sei eine «reizvolle Kombination aus Gegenwart und Geschichte» entstanden, wie die Stiftung schreibt.
Quelle: Gataric Fotografie
Das Eichhölzli in Biel.
Das «Neuste» – Eichhölzli in Biel (BE)
Ein Ort für die Fans der gemässigten Moderne. Das 1933 erbaute Wohnhaus ist durch seine gerundeten Ecken und Balkone nämlich ein architektonisches Beispiel des modernen Bauens. Ursprünglich lag das Haus in den Rebbergen von Biel. Noch heute führen Rebwege direkt vom Baudenkmal aus in die Altstadt. Das Eichhölzli befindet sich in Privatbesitz und wird über die Stiftung Ferien im Baudenkmal vermietet.
Quelle: Gataric Fotografie
Die Blumenhalde in Uerikon.
Das Beliebteste – Blumenhalde in Uerikon (ZH)
Neben dem Haus Tannen in Morschach ist die Blumenhalde in Uerikon das meistgebuchte Objekt der Stiftung im Baudenkmal. Unter anderem, weil das Riegelhaus aus dem 18. Jahrhundert über einen direkten Seeanstoss verfügt und zum Gebäudekomplex der Ritterhäuser Uerikon gehört. Das sechs-Zimmer-Haus ist mit zwei Kachelöfen, originalen Holzböden sowie in Biederman-Farben bemalten Wand- und Deckentäfern ausgestattet. Das Haus ist in Besitz der Ritterhaus-Vereinigung Uerikon-Stäfa und wird durch die Stiftung Ferien im Baudenkmal vermietet.