07:01 BAUPRAXIS

Wenn Drohnen auf der Baustelle unterstützen und Katastrophenhilfe leisten

Teaserbild-Quelle: Empa

Geht es nach einem internationalen Forschungsteam unter Leitung der Empa und der ETH Lausanne, dann übernehmen Flugroboter künftig an schwer zugänglichen Orten oder in grosser Höhe Bau- und Reparaturarbeiten vor, etwa in Katastrophengebieten. Bestehende Systeme sollen sie allerdings nicht ersetzen, sondern sie vielmehr ergänzen.

Testsituaiton mit Roboterdrohne im Drone Hub des NEST.

Quelle: Empa

Testwand im Drone Hub mit modularen Bauelementen für Versuche mit fliegenden Baurobotern.

Zwar sind Roboterarme und 3D-Druckportale auf Baustellen bereits anzutreffen – aber in der Regel als schwere, fest installierte Systeme am Boden. Auf unwegsamem Gelände oder in grossen Höhen stossen sie schnell an ihre Grenzen. Doch nun hat ein Team unter der Leitung des Laboratory of Sustainability Robotics der Empa und der ETH Lausanne (EPFL) untersucht, wie sich Flugroboter künftig als autonome Baumaschinen einsetzen lassen könnten.

 Wie es um das Potenzial dieser Technologie bestellt ist und auf welchem Stand sie sich derzeit befindet, zeigen die Fachleute in der aktuellen Titelgeschichte des Wissenschaftsmagazins «Science Robotics» auf: Baudrohnen können an Orte vordringen, die für konventionelle Maschinen unzugänglich sind – sei es im Gebirge, auf Dächern, in Katastrophengebieten oder aber auch auf fernen Planeten. Ausserdem brauchen sie keinen festen Bauplatz, sie  können im Schwarm arbeiten und sie  verfügen damit laut Empa über ein hohes Mass an Flexibilität und Skalierbarkeit. Gleichzeitig könnten sie Transportwege verkürzen, den Materialverbrauch reduzieren und Baustellen sicherer machen, so die Erkenntnisse des Forschungsteams.

Unterwegs in zerstörten Regionen

Im Besonderen eignen sich solche Flugroboter für Katastropheneinsätze – etwa in überfluteten oder zerstörten Regionen, in denen sonst kein Durchkommen mehr ist. Hier könnten Flugroboter zum Beispiel Baumaterial transportieren und Notunterkünfte errichten. Auch für Reparaturarbeiten an schwer zugänglichen Stellen erachtet man bei der Empa und der EPFL die fliegenden Helfer als vielversprechend: Sie könnten selbstständig Risse an Hochhausfassaden oder Brücken erkennen und ausbessern. «Die existierenden Roboter-Systeme am Boden sind oft mehrere Tonnen schwer, benötigen viel Aufbauzeit und haben einen begrenzten Arbeitsradius», sagt Hauptautor Yusuf Furkan Kaya vom Laboratory of Sustainability Robotics der Empa und der EPFL. «Baudrohnen dagegen sind leicht, mobil und flexibel – sie existieren bisher allerdings nur auf niedrigem technischem Niveau. Ein industrieller Einsatz steht noch aus.»

Illustrationen von den drei Hauptkategorien der der luftgestützten additiven Fertigung. (Grafik)

Quelle: Empa

Der aktuelle Stand der Technik im Bereich der luftgestützten additiven Fertigung lässt sich in drei Hauptkategorien einteilen: Konstruktion mit modularen Bauelementen (Discrete Aerial AM), Konstruktion von Zugstrukturen mit linearen Elementen (Tensile Aerial AM) und Konstruktion durch kontinuierliches Auftragen von Material (Continuous Aerial AM).

Es gibt bereits zahlreiche Prototypen für unterschiedliche Methoden des luftgestützten Bauens: Sie reichen von der Platzierung einzelner Bauelemente über das Spannen von Seilstrukturen bis hin zum schichtweisen Drucken von Baumaterialien. So sind etwa an der Empa Flugroboter beispielsweise so programmiert worden, dass sie zusammen oder vielmehr im Team schichtweise Materialien für den Bau oder die Reparatur von Strukturen drucken.

Aerial AM bringt neue Herausforderungen

Das Potenzial der Drohnen sei disruptiv, schreibt die Empa. Theoretisch könnten sie überall fliegen und bauen, wenn die Energieversorgung und der Materialtransport sichergestellt seien. Und: Im Katastrophenfall könnten unmittelbar Hunderte von Flugrobotern temporäre Infrastrukturen in abgelegenen Gebieten errichten.

Parallel dazu bringt diese Technologie neue Herausforderungen mit sich. Eine zentrale Hürde ist laut dem Forschungsteam die Interdisziplinarität der Technologie: Das sogenannte «Aerial Additive Manufacturing»  - oder«Aerial AM» - braucht Fortschritte in gleichzeitig drei Bereichen: Robotik, Materialwissenschaft und Architektur. Mirko Kovac, Leiter des «Laboratory of Sustainability Robotics» der Empa und EPFL, beschreibt das Zusammenspiel so: «Eine Drohne kann vielleicht präzise fliegen, aber ohne leichte, tragfähige und verarbeitbare Materialien kann sie ihr volles Potenzial nicht entfalten. Und selbst wenn beides vorhanden wäre, müssen die Bauentwürfe auf die begrenzte Präzision der Flugroboter angepasst werden, um tragfähige Strukturen zu ermöglichen.»

Neben dieser disziplinübergreifenden Abstimmung müssen aber auch bei der Robotik technische Hürden überwunden werden, das gilt etwa für die begrenzte Flugzeit, für die Nutzlast oder Autonomie. Dazu stellt die Studie ein Autonomie-Framework in fünf Stufen vor – vom einfachen Flug entlang einer Route bis zur vollen Unabhängigkeit, bei der Flugroboter die Bauumgebung analysieren, Fehler erkennen und sogar in Echtzeit das Design anpassen können. Wie Yusuf Furkan Kaya erklärt, ist das nicht nur ein theoretisches Modell, sondern auch ein klarer Entwicklungsplan. «Unser Ziel sind Flugroboter, die verstehen, mit welchem Material und in welcher Umgebung sie bauen – und die entstehende Struktur während des Baus intelligent optimieren.»


Vorerst bleibt Aerial AM gemäss Studie eine ergänzende Lösung zu bestehenden bodengebundenen Robotersystemen. Zumal der Energieverbrauch von Drohnen aktuell noch acht- bis zehnmal höher und das Bauvolumen, das sie bewerkstelligen können,  begrenzt ist. Aus diesem Grund raten die Forscherinnen und Forscher zu einem kombinierten Ansatz: Während konventionelle Systeme die unteren Bereiche eines Bauwerks errichten, übernehmen ab einer bestimmten Höhe die Drohnen und bringen dort ihre Stärken in Flexibilität und Reichweite ein.

Ein «NEST» für die Drohnen

Eine Schlüsselrolle für Aerial AM spielt der neue, sogenannte Drone Hub am Forschungs- und Innovationsgebäude NEST der Empa. Diese Robotik-Testinfrastruktur soll als Brücke zwischen Labor und industrieller Anwendungen dienen. «Baudrohnen können hier unter realen Bedingungen getestet, weiterentwickelt und zur Marktreife gebracht werden», sagt Kovac, er leitet die in Zusammenarbeit mit dem Imperial College London entwickelte NEST-Unit. 

Der Drone Hub unterstützt die neue gemeinsame Professur für «Sustainability Robotics» zwischen der Empa und der EPFL; Sie ist zentral für die erweiterte Partnerschaft mit dem Imperial College. - Mit dieser europaweit einzigartigen Infrastruktur stehe der Empa eine Plattform zur Verfügung, auf der fliegende Baumaschinen erstmals ausserhalb des Labors erprobt werden könnten, heisst es weiter in der Medienmitteilung. - Erste Feldversuche sind noch in diesem Jahr geplant. (mgt/mai)

Weitere Informationen zum Drone Hub auf der Website der Empa.



Film der Empa über den Drone Hub. (Englisch)

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