Wenn die Drohne gegen vereiste Rotorblätter hilft
Feuchte Kälte ist der Feind der von Windturbinen: Setzen die Rotorblätter eine Eisschicht an, kann dies die Rotation stören, wodurch die Turbinen schneller verschleissen. Teams vom Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (IFAM) und vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) wollen dies ändern – und die Blätter mit Hilfe von Harnstoff, Wachs und Drohnen imprägnieren.
Quelle: Johne Goerend, Unsplash
Wenn der Winter Windturbinen zusetzt: Setzen die Rotorblätter Eis an, müssen Windturbinen schneller ersetzt werden.
Bislang mussten Anlagenbetreiber, die ihre Windkraftanlagen vor Vereisung schützen wollen, tief in die Tasche greifen: In die Flügel integrierbare Heizmatten oder Systeme, die warme Luft in die Rotoren pumpen, sind teuer – ebenso wie Helikopter, die Enteisungsmittel versprühen. «Drohnen, die nur im Bedarfsfall eingesetzt werden, sind eine preiswerte Alternative», sagt Andreas Stake, Projektleiter am Fraunhofer IFAM. Damit sie präventiv gegen Vereisung eingesetzt werden können, müssen allerdings verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein: Man braucht umweltverträgliche Beschichtungsmaterialien, die gut haften und beständig genug sind, um über Wochen auf den Rotoren zu verbleiben und diese vor Vereisung schützen. Ferner bedarf es einer Spritzvorrichtung, die sowohl sehr präzise ist als auch wenig wiegt. Und schliesslich sind Drohnen benötigt, die sich genau steuern lassen und gleichzeitig eine grosse Tragkraft haben.
Harnstoff, Wachs und ein Pumpsystem
Im Rahmen des Projektes «TURBO» entwickelten das Team um Stake nun ein Prototyp, der all diesen Anforderungen Rechnung trägt: Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entwickelten dazu ein Beschichtungsmaterial aus Harnstoff und Wachs, das umweltverträglich ist und gut haftet. Zudem kann es schnell und einfach mittels Spritzapplikation aufgetragen werden und trocknet schnell an. Dass die Beschichtung zuverlässig vor Reifbildung schützt, konnte mit Tests in einer Eiskammer am Institut nachgewiesen werden, wie der Medienmitteilung zu entnehmen ist.
Quelle: Fraunhofer IPA
Simulation der Beschichtung mittels Drohne unter Windeinfluss.
Ein Team vom Fraunhofer IPA baute
das Applikationsgerät, mit dem die Beschichtung aufgebracht wird: Es
besteht aus einer kleinen Pumpe, die das flüssige
Harnstoff-Wachs-Gemisch mit hohem Druck in eine lange, dünne Lanze
presst. An deren Spitze befindet sich eine Düse mit einem Durchmesser
von nur 0,3 Millimetern. Mit diesem sogenannten Airless-Pumpsystem – es
funktioniert ohne die Beimischung von Luft - können Tröpfchen mit 100
Mikrometern Durchmesser erzeugt werden. Diese können auch bei Wind von
35 Stundenkilometern noch punktgenau auf die Kanten der Rotorblätter
gespritzt werden, wo sie erstarren. Die Kanten sind besonders wichtig:
Trifft nasse und kalte Luft auf die Anlage, beginnt hier der
Vereisungsprozess.
Auch geeignet für Gebäude
Die technischen Parameter – zum Beispiel den benötigten Druck, die effiziente Zerstäubung und die optimale Tröpfchengrösse – ermittelte Oliver Tiedje, Projektleiter am Fraunhofer IPA, und seine Kollegen mithilfe fluid-dynamischer Simulationen. «Dabei hat uns die jahrzehntelange Erfahrung mit der Modellierung von Lackierprozessen sehr geholfen. Auf dieses Know-how konnten wir zurückgreifen», so sich Tiedje. «Wir mussten die Prozessparameter allerdings an die komplexe Geometrie der Windkraftanlagen anpassen.»
In einem nächsten Schritt wollen die Forscher nun die Technik zusammen mit Partnern aus der Industrie bis zur Serienreife weiterentwickeln. Für die Beschichtungstechnik durch Drohnen gibt es eine Vielzahl von Anwendungen: Das Spektrum reicht vom Vereisungsschutz für Windkraftanlagen und Oberleitungen im Bahnverkehr bis zur Sanierung von Gebäuden, beispielsweise für das Ausbessern von Defekten im Verputz an schwer zugänglichen Stellen von Gebäuden. (mgt/mai)