16:18 BAUPRAXIS

Wenn das Elektroauto im Tunnel brennt

Teaserbild-Quelle: EliasSch, Pixabay-Lizenz

Was passiert, wenn ein Elektroauto in einem Tunnel oder einer Garage in Flammen aufgeht? In einem Versuchsstollen setzten Empa-Forscher und ein Tunnelsicherheitsexperte im Rahmen von Versuchen Elektroauto-Batteriezellen in Brand.

Test im Versuchsstollen.

Quelle: Amstein+ Walthert Progress AG / Empa

Ein Batteriemodul eines Elektroautos entwickelt beim Brand grosse Mengen von Russ, in dem sich giftige Metalloxide befinden.

Ein trockener Knall. Dann geht es los: Im Versuchsstollen Hagerbach steht die Batteriemodul eines Elektroautos in Flammen. Ein Video des Versuchs zeigt eindrücklich, welche Energie in solchen Batterien steckt: Meterlange Stichflammen zischen durch den Raum und erzeugen gewaltige Mengen an dickem, schwarzen Russ. Kurz darauf ist das Batteriemodul ausgebrannt. Asche und Russ haben sich im ganzen Raum verteilt.

Fehlende Fachliteratur und wenig Erfahrung

Der Versuch, der vom Schweizer Bundesamt für Strassen finanziert worden ist und an dem mehrere Forscher der Empa mitwirkten, fand bereits im Dezember 2019 statt. Mittlerweile liegt die Auswertung vor. „Wir haben bei unserem Experiment vor allem auch an private und öffentliche Betreiber von kleinen und grossen Tiefgaragen oder Parkhäusern gedacht“, sagt Projektleiter Lars Derek Mellert, Tunnelsicherheitsexperte bei der Amstein + Walthert Progress AG. Immer häufiger würden solche bereits bestehenden unterirdischen Bauten auch von Elektroautos benutzt, so Mellert. „Die Betreiber stellen sich die Frage: Was tun, wenn solch ein Auto Feuer fängt? Welche gesundheitlichen Gefahren entstehen für meine Beschäftigten? Welche Effekte hat solch ein Brand auf den Betrieb meiner Anlage?“ Bis anhin gab es kaum aussagekräftige Fachliteratur und kaum praktische Erfahrungen mit solchen Fällen.

Mit Unterstützung des Batterieforschers Marcel Held und des Empa-Korrosionsspezialisten Martin Tuchschmid entwickelte Mellert drei Szenarien. Tuchschmid erklärt hierzu: «Wir haben Test-Oberflächen im Brandraum montiert, auf denen sich der Russ absetzte. Die Oberflächen wurden nach dem Versuch chemisch analysiert und auch mehrere Monate lang in speziellen Räumen gelagert, um möglichen Korrosionsschäden auf die Spur zu kommen.» - Beteiligt waren ausserdem Experten der Versuchsstollen Hagerbach AG und des französischen «Centre d'études des tunnels» (CETU) in Bron.

  • Szenario 1: Brand in einer geschlossenen Parkgarage ohne mechanische Lüftung
    Angenommen wurde eine Stellfläche von 28 x 28 Metern Fläche und 2,5 Metern Geschosshöhe. Ein solches Parkgeschoss hätte 2000 Kubikmeter Luftvolumen. Angenommen wird der Brand eines Kleinwagens mit einer vollgeladenen Batterie von 32 kWh Leistung. Aus Gründen der Versuchsökonomie wurde bei allen drei Szenarien alles auf 1/8 verkleinert: In Brand gesetzt wurde ein vollgeladenes Batteriemodul mit 4 kWh Kapazität in einem Raum mit 250 Kubikmeter Luftvolumen. - Untersucht wurde, wie sich der Russ auf Tunnelwänden, Oberflächen und auf Schutzanzüge anwesender Feuerwehrleute absetzt, wie giftig die Rückstände sind und auf welche Weise sich der Brandort nach dem Ereignis reinigen lässt.

  • Szenario 2: Brand in einem Raum mit Sprinkleranlage
    Bei diesem Szenario wurden die chemischen Rückstände im verwendeten Löschwasser untersucht. Der Versuchsaufbau war identisch wie in Szenario 1. Doch diesmal wurde der Rauch aus der Batterie mit Hilfe eines Blechs unter eine Wasserdusche gelenkt, die einer Sprinkleranlage ähnelte. Das herunterregnende Russwasser wurde in einem Auffangbecken gesammelt. Die Batterie wurde dabei nicht gelöscht, sondern brannte ebenfalls vollständig aus.

  • Szenario 3: Brand in einem Tunnel mit Ventilation
    Mit diesem Szenario sollte untersucht werden, wie sich ein brennendes Elektroauto auf eine Lüftungsanlage auswirkt: Wie weit verteilt sich der Russ in den Abluftkanälen? Setzen sich dort Substanzen ab, die zu Korrosionsschäden führen? Im Versuch zwar auch ein 4 kWh-Batteriemodul in Brand gesetzt, doch diesmal blies ein Ventilator den Rauch mit konstanter Geschwindigkeit (ca. 1.5 m/s) in einen 160 Meter langen Entlüftungstunnel. Im Abstand von 50, 100 und 150 Metern vom Brandort hatten die Forscher Bleche in den Tunnel montiert, auf denen sich der Russ absetzte. Die chemische Zusammensetzung des Russes und mögliche Korrosionseffekte wurden in den Labors der Empa analysiert.

Keine erhöhten Korrosionsschäden

Mittlerweile sind die Ergebnisse der Versuche publiziert worden: Ein brennendes Elektroauto ist in thermischer Hinsicht nicht gefährlicher als ein brennendes Auto mit konventionellem Antrieb, entwarnt Mellert. „Die Schadstoffemissionen eines Fahrzeugbrands waren schon immer gefährlich und unter Umständen tödlich“, heisst es im Abschlussbericht. Völlig unabhängig von der Antriebsform oder dem Energiespeicher müsse es oberstes Ziel sein, dass sich alle Personen möglichst schnell aus der Gefahrenzone begeben. Besonders die stark ätzende, toxische Flusssäure wird oft als besondere Gefahr bei brennenden Batterien diskutiert. In den drei Versuchen im Tunnel Hagerbach blieben die Konzentrationen jedoch unter dem kritischen Bereich.

Fazit: Eine Tunnellüftung, die auf aktuellem Stand der Technik ist, kommt nicht nur mit brennenden Benzinautos, sondern auch mit Elektroautos zurecht. Erhöhte Korrosionsschäden an der Lüftungsanlage oder der Tunneleinrichtung sind aufgrund der nun vorliegenden Resultate ebenfalls nicht zu erwarten.

Nichts Neues für die Feuerwehr?

Auch die Feuerwehren müssen laut Empa auf Grund der Versuche nichts neu lernen. Feuerwehrleute wissen, dass die Batterie eines Elektroautos nicht zu löschen ist und nur mit grossen Mengen Wasser gekühlt werden kann. So kann das Feuer möglicherweise auf einige Batteriezellen beschränkt bleiben, ein Teil der Batterie brennt dann nicht aus. Natürlich muss ein solches, teilweise ausgebranntes Wrack in einem Wasserbecken oder einem Spezialcontainer aufbewahrt werden, damit es sich nicht neu entzünden kann. Aber auch das ist bekannt.

Löschwasser übersteigt Grenzwerte um ein 70-Faches

Ein Problem bildet hingegen das Lösch- und Kühlwasser, das beim Löschen eines solchen Brandes und beim Lagern einer ausgebrannten Batterie im Wasserbad anfällt. Die Analysen ergaben, dass die chemische Belastung des Löschwassers die Schweizer Grenzwerte für Industrieabwässer um das 70-Fache übersteigt, das Kühlwasser liegt sogar bis zu 100-fach über dem Grenzwert. Es sei wichtig, dass dieses hochbelastete Wasser nicht ohne fachgerechte Vorbehandlung in die Kanalisation läuft, heisst es dazu in der Medienmitteilung der Empa.

Nach den Versuchen wurde der Raum von professionellen Brandsanierern dekontaminiert. Anschliessend entnommene Proben haben bestätigt, dass die Methoden und der Zeitaufwand auch für die Sanierung nach dem Brand eines Elektroautos ausreichen. Doch Mellert warnt vor allem private Besitzer von Tiefgaragen: «Versuchen Sie nicht, den Russ und den Dreck selbst aufzuwischen. Im Russ sind grosse Mengen von Kobaltoxid, Nickeloxid und Manganoxid enthalten. Diese Schwermetalle lösen auf ungeschützter Haut starke allergische Reaktionen aus.» Brandsanierung nach einem Elektroautobrand ist also auf jeden Fall ein Job für Profis im Schutzanzug. (mgt/mai)


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