10:34 BAUPRAXIS

Verwaltungszentrum «Sinergia» in Chur: BIM für den Hausmeister

Geschrieben von: Ben Kron (bk)
Teaserbild-Quelle: Hochbauamt Graubünden

In Chur entsteht das neue Verwaltungszentrum «Sinergia», das zahlreiche Abteilungen an einem Ort zusammenfasst. Das Projekt gehört zu den sieben «BIM Best Practice»-Beispielen, da es die Möglichkeiten der BIM-Strategie für das Facility Management konsequent ausnutzt.

Nächstes Jahr beziehen 14 Organisationseinheiten der Verwaltung des Kantons Graubünden das neue Verwaltungszentrum «Sinergia» in Chur. Im Neubau, der 72 Millionen Franken kostet, arbeiten anschliessend 440 Mitarbeiter der bisher dezentral organisierten Dienststellen gemeinsam unter einem Dach.

Das Projekt wurde letztes Jahr unter die sieben «BIM (Building Information Modeling) Best Practices» von Bauen digital Schweiz aufgenommen. Zusammen mit dem Generalplanerteam entwickelte das Hochbauamt Graubünden eine Methode zur Nutzung von digitalen Bauwerksdaten aus dem BIM-Planungsprozess in der Betriebsplanung und der späteren Betriebsführung: sogenanntes «BIM2FM».

15 Jahre Entstehungsgeschichte

Hinter «Sinergia» liegt eine fünfzehn Jahre währende Entstehungsgeschichte, wie Markus Dünner erzählt, der Dienststellenleiter des Hochbauamtes Graubünden: «Wir haben schon lange die Idee, die dezentral in Chur domizilierten Dienststellen der kantonalen Verwaltung zusammenzuziehen, um Synergien zu nutzen. Deshalb auch der Name, der auf Deutsch, Romanisch und Italienisch gut zu verstehen ist.»

Während die Mitarbeiter bislang in Einer- und Zweierbüros arbeiteten, geht die kantonale Verwaltung mit «Sinergia» neue Wege. «Ursprünglich waren Teambüros geplant, jetzt sind wir noch einen Schritt weiter zum Open Space gegangen, dem Arbeitsplatz 4.0. Wir schaffen offene Arbeitslandschaften, die für die Nutzer adäquate Bereiche bereitstellen.» Damit erreiche man eine Enthierarchisierung und zugleich ein innovatives Klima.

Nicht als BIM-Bestellung gestartet

Im Laufe der 15 Jahre Projektzeit gab es viele Änderungen. «Als wir begannen, hatte noch niemand ein Smartphone in der Tasche, und es gab noch kein W-LAN in der kantonalen Verwaltung.» Die Bündner hatten also eine ständige gesellschaftliche und technologische Entwicklung im Projekt zu berücksichtigen.

Gestartet ist «Sinergia» nicht mit einer BIM-Bestellung, so Pascal Dietschweiler, der für IT-Projekte zuständige Projektleiter in der Abteilung Bau. Erst im Laufe des Projekts habe man zusammen mit dem Generalplaner-Team das gemeinsame Interesse an der neuen Methode festgestellt.

«Wir hatten zu dieser Zeit parallel ein laufendes BIM-Pilotprojekt, einen Unterhaltsstützpunkt des Tiefbauamtes auf dem Berninapass, bei dem wir gute Erfahrungen mit der modellbasierten Planungskoordination und weiteren BIM-Themen machen konnten. Anhand einiger grundlegender Klassifikationsregeln konnten wir feststellen, dass für uns grosses Potenzial in der Mengenermittlung und der Identifikation und Dokumentation für die Instandhaltung relevanter Bauteile und Gebäudetechnik liegt.»

Nicht übers Ziel hinausschiessen

«Im Projekt ‹Sinergia› sind wir deshalb einen Schritt weiter gegangen und haben gemeinsam mit dem Generalplanerteam die Struktur und Tiefe der Informationen exakt festgelegt, die wir für die Instandhaltung und für weitere Betriebsprozesse benötigen.» In diesem Arbeitsschritt bestehe die Gefahr, über das Ziel hinauszuschiessen, zu viele Daten zu bestellen und damit unnötig grossen Aufwand zu erzeugen.

Die Festlegung der Informationsanforderungen geschah deshalb in gemeinsamer Abstimmung zwischen der Abteilung Betrieb des Hochbauamtes und dem Planungsteam. Wichtig sei auch der phasengerechte Aufbau: «Wir haben uns auf ein Terminprogramm für die Datenübergaben geeinigt und in den Informationsanforderungen festgelegt, welche Komponenten von Interesse sind, wie diese klassifiziert werden und wann welche Attribute im digitalen Bauwerksmodell vorhanden sein müssen.»

Pascal Dietschweiler betont die Vorteile der Methode: «Früher erhielten wir die Bauwerksdokumentation am Ende des Projekts in unzähligen Bundesordnern, viel Papier, Pläne und Listen, dazwischen einzelne Datenträger.»

Aus diesem Material musste man die für den Betrieb des Gebäudes relevanten Daten ausfindig machen und in der eigenen Datenbank nachträglich erfassen: die Gebäudeteile, Geschosse, Räume, Flächen, Oberflächen und Nutzungen, die betriebstechnischen Anlagen, deren Standorte, Typen- und Produktinformationen. «Nun wollten wir nicht wie bisher mit einzelnen Dokumentationsauszügen, sondern mit einem einzigen digitalen Bauwerksmodell als Grundlage arbeiten, um die relevanten Informationen in strukturierter Form aus der Planungs- in die Bewirtschaftungswelt zu übertragen.»

Blick ins Innenleben des Gebäudes: Die Visualisierung macht deutlich, welche komplexen Strukturen und Zusammenhänge der Gebäudetechnik zu koordinieren und für den Unterhalt zu berücksichtigen sind.

Quelle: Hochbauamt Graubünden

Blick ins Innenleben des Gebäudes: Die Visualisierung macht deutlich, welche komplexen Strukturen und Zusammenhänge der Gebäudetechnik zu koordinieren und für den Unterhalt zu berücksichtigen sind.

Datenflut vermeiden

Dabei sei es wichtig, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. «Sonst kommt es zu einer Datenflut, die nicht kontrolliert werden kann und die nicht die erhofften Mehrwerte, sondern auf allen Seiten Mehraufwand bringt», betont Markus Dünner.

Bei der Ausschreibung des Wettbewerbs für «Sinergia» waren die Bündner noch herkömmlich unterwegs. «Einer unserer nächsten Wettbewerbe wird ein Projektwettbewerb für die Fachhochschule Graubünden sein, das gibt sicher ein BIM-Projekt», so Dünner. «Hier wollen wir wenn möglich bereits im Wettbewerb keine Eingaben auf Papier mehr, sondern Modelle und Pläne, die wir an Bildschirmen in einem entsprechend ausgestatteten Jurierungsraum beurteilen können.»

Eigener virtueller Projektraum

Pascal Dietschweiler erhofft sich davon mehrere Vorteile: «Im Wettbewerb steht für uns primär die Modellgeometrie im Vordergrund. Wir glauben, dass die Vergleichbarkeit der Entwürfe und die Beurteilung der Konzepte innerhalb des städtebaulichen Kontexts vom digitalen Wettbewerbsverfahren und dreidimensionalen Modellen profitieren können. Dabei ist uns aber bewusst, dass der geforderte Detaillierungsgrad der Entwurfsphase entsprechen muss.»

Für den Datenaustausch in der Projektierung und Realisierung nutzt das Hochbauamt in all seinen Projekten einen eigenen virtuellen Projektraum. Hier haben die Planungsbüros ihren Zugang und ihre Bereiche, wo sie Planungsdaten halten können.

Daneben gibt es einen separaten Bereich für die Bauwerksdokumentation, die nach Richtlinien erfolgt, die auf Empfehlungen der eidgenössischen Koordinationskonferenz der Bau- und Liegenschaftsorgane der öffentlichen Bauherren basieren. «Wir haben also eine Kollaborationsplattform, in der alle Beteiligten während dem Projekt laufend ihre Daten bearbeiten und nach Ende der Planungsphasen digital abgeben können. Teil des Projektraums ist auch ein integrierter BIM-Viewer. Hier lassen sich Modelle rasch und einfach zusammenführen und visualisieren.»

Virtueller Blick in einen Technikraum: Schon während der Planung wurden die Struktur und Tiefe der Informationen exakt festgelegt, die für die Instandhaltung und für weitere Betriebsprozesse benötigt werden.

Quelle: Hochbauamt Graubünden

Virtueller Blick in einen Technikraum: Schon während der Planung wurden die Struktur und Tiefe der Informationen exakt festgelegt, die für die Instandhaltung und für weitere Betriebsprozesse benötigt werden.

Mitunter reicht 2D

«Der BIM2FM-Datentransfer ins Immobilienmanagement-System geht nach Phasenabschluss aber nicht einfach so vonstatten. Die Voraussetzung bilden maschinenlesbare Formate und konsistente Daten», so Dietschweiler weiter. «Früher hatte wir einen grossen Aufwand, um beispielsweise die für die Instandhaltung relevanten, technischen Anlageteile im Immobilienmanagement-System aufzunehmen und zu dokumentieren. Das wird mit dieser Methode viel einfacher, und wir können phasengerecht neue Planungsstände aktualisieren. Dadurch stehen wichtige Informationen für die Betriebsplanung wesentlich früher zur Verfügung.»

Während der Projektierung liegt der Fokus bei der Koordination der Planungsdisziplinen zuerst auf der Modellgeometrie. Die Bewirtschaftung selbst spielt sich aber am Ende kaum noch im Koordinationsmodell ab, sondern im eigenen Immobilienmanagementsystem. «Die Leute im Unterhalt arbeiten eher auf der Basis von Raumflächen», ergänzt Markus Dünner. «Sie nutzen portable Geräte wie Tablets oder Smartphones, um Standorte und Wartungspläne von technischen Anlagen oder einzelne Räume abrufen zu können.»

Meist ist die abstrahierte, zweidimensionale Darstellung dazu besser geeignet. Zur Störungsanalyse und um komplexe, betriebstechnische Systeme im Gebäude zu verstehen, ist die Modelldarstellung aber auch im weiteren Gebäude-Lebenszyklus von Nutzen. «Wir halten in unserem System deshalb die Bezüge zum digitalen Bauwerksmodell aufrecht und können es unterstützend zur Visualisierung verwenden.»

Datenqualität entscheidend

«Konsistente Daten und deren Qualitätskontrolle sind bei der Anwendung der BIM-Methode generell von zentraler Bedeutung», unterstreicht Dietschweiler. Es benötige insgesamt eine hohe Disziplin der Beteiligten und klare Prozesse. Die «Planung der Planung» sei dafür ein entscheidender Erfolgsfaktor. Bereits ein kleiner Schreibfehler kann in den weiteren Arbeitsschritten Probleme erzeugen.

«Hinzu kommt, dass für uns als Vertreter der öffentlichen Hand nur Open BIM und das Arbeiten mit offenen Schnittstellen infrage kommt. Bei der Planungssoftware gibt es bezüglich offener Schnittstellen aber noch Bedarf an Standardisierung. Heute interpretiert jede Planungssoftware das Austauschformat IFC noch ein wenig anders. Wir beobachten indes, dass sich in der Softwarebranche viel bewegt und erwarten diesbezüglich mittelfristig Vereinfachungen.»

Offene Bürolandschaft: Im Verwaltungsneubau waren ursprünglich Teambüros geplant, doch dann ging man noch einen Schritt weiter zum Open Space, der auch eine Enthierarchisierung bewirken soll.

Quelle: Hochbauamt Graubünden

Offene Bürolandschaft: Im Verwaltungsneubau waren ursprünglich Teambüros geplant, doch dann ging man noch einen Schritt weiter zum Open Space, der auch eine Enthierarchisierung bewirken soll.

Die BIM-Methode hatte bei «Sinergia» auch Auswirkungen auf den Bauablauf, wie Dünner an einer Episode illustriert. «Wir haben aktivierte Deckensegel, mit denen wir die Räume heizen und kühlen. Diese Segel haben je vier Aufhängepunkte an den Decken. Als wir auf der Baustelle waren, haben wir gesehen, wie ein Arbeiter diese alleine einmisst und montiert.» Die Befestigungspunkte hatte er auf sein kalibriertes Lasergerät transferiert, welches ihm dann die Bohrlöcher punktgenau anzeigte.

Prinzip «Simplicity»

Als Anliegen für die weitere Entwicklung von BIM nennt Pascal Dietschweiler das Prinzip «Simplicity»: «Ziel muss es sein, bessere und einfachere Prozesse zu etablieren. Dazu lohnt es sich, erst mal auf diejenigen Themen zu fokussieren, die einen unmittelbaren Nutzen bringen und nicht auf alles, was technisch möglich wäre.»

Für Markus Dünner ist es bezüglich BIM wichtig, «dass man den Versuch wagt. Wir wollten die Mitarbeiter nicht in mehrmonatige Weiterbildungskurse schicken, sondern in kontrolliertem Rahmen eigene Erfahrungen sammeln. Es kann auch mal etwas schief gehen. Das haben wir auch erlebt, aber wir konnten auf diesem Weg sehr viel lernen.»

Datentransfer vollzogen: Für den Betrieb und Unterhalt wurden alle benötigten Daten schon in der Planungsphase ins eigene Immobillienmanagement-System überführt, damit das Facility Management seine gewohnte Benutzeroberfläche beibehalten konnte.

Quelle: Hochbauamt Graubünden

Datentransfer vollzogen: Für den Betrieb und Unterhalt wurden alle benötigten Daten schon in der Planungsphase ins eigene Immobillienmanagement-System überführt, damit das Facility Management seine gewohnte Benutzeroberfläche beibehalten konnte.

Projekt «Sinergia»

In Chur entstehen auf 6600 Quadratmetern Hauptnutzungsfläche 440 Arbeitsplätze für die Verwaltung des Kantons Graubünden. Markus Dünner: «Wir wollen ein Verwaltungszentrum für die heutigen und die zukünftigen Generationen bauen.» Das Gebäude wird nach Minergie P-Eco zertifiziert, und eine Zertifizierung durch den Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz ist ebenfalls vorgesehen. Möglich wäre auch die Zertifizierung als 2000-Watt-Areal: «Die Voraussetzungen dafür erfüllen wir.»

Betriebliche Elemente wie das Mobilitätsmanagement mit Velo- und Autopool wie auch Standort-Kriterien, zum Beispiel die Nähe der ÖV-Anbindungen, seien dazu wichtig. Das Gebäude weist ausserdem eine gute Tageslichtnutzung auf, verfügt über eine PV-Anlage auf dem Dach und ist an ein Anergie-Netz angeschlossen. «Energetisch sind wir also nicht komplett autark, erreichen aber sehr gute Verbrauchswerte.»

Das 72 Millionen Franken teure Projekt wird vom Generalplaner-Team Implenia und den Churer Architekten D. Jüngling + A. Hagmann geplant. Das Projekt liegt gemäss Markus Dünner im Zeit- und Kostenplan; nächstes Frühjahr kann der Neubau bezogen werden.(bk)

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Freier Mitarbeiter für das Baublatt.

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