14:23 BAUPRAXIS

Unterhalt Kunstbauten: Unterwegs auf Brückeninspektion

Geschrieben von: Stefan Breitenmoser (bre)
Teaserbild-Quelle: Stefan Breitenmoser

Im Schweizer Nationalstrassennetz gibt es 4556 Autobahnbrücken. Damit diese nicht wie in Genua plötzlich zusammenstürzen, kontrolliert und inspiziert sie das Astra regelmässig. Dieser Job ist enorm wichtig, findet aber kaum Beachtung. Deshalb hat sich das Baublatt mit auf Brückeninspektion begeben.

Der Schock sass tief, als im August des letzten Jahres die Morandi-Brücke in Genua plötzlich in sich zusammenfiel und 43 Todesopfer forderte. Denn viele von uns fahren tagtäglich über Autobahnbrücken, ohne sich zu fragen, ob diese der Last standhalten. Dazu kommt, dass Genua nicht weit entfernt liegt.

Deshalb kam sofort die Frage auf, ob solch eine Katastrophe auch in der Schweiz möglich wäre. Und um es vorwegzunehmen: Nein ist es nicht. «Zwar kann nicht jedes Risiko vollumfänglich abgedeckt werden. Bei aussergewöhnlichen Ereignissen wie beispielsweise der Explosion eines Lastwagens, Hochwasser oder Steinschlag kann ein Versagen einer Brücke nicht ausgeschlossen werden.

Ein Ereignis wie bei der Morandi-Brücke, das mutmasslich wegen mangelnden Unterhalts verursacht wurde, kann aber mit grösster Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden», erklärt Thomas Zwicky, Fachspezialist Zustandserfassung Kunstbauten in der Filiale Zofingen des Bundesamtes für Strassen (Astra). Dem Unterhalt kommt also eine entscheidende Bedeutung zu. Einfach und billig ist das nicht (siehe Info-Box ).

Ausserdem werden die Strassen, Brücken und Tunnel älter und der Verkehr nimmt weiter zu. Per 1. Januar 2020 kommen noch 383 Kilometer Kantonsstrassen zum schon jetzt knapp 1900 Kilometer langen Nationalstrassennetz dazu.Deshalb ist eine straffe Organisation des Astra unabdingbar. Aufgeteilt ist es in die Abteilungen Strasseninfrastruktur West mit den Filialen Estavayer-le-Lac und Thun und Strasseninfrastruktur Ost mit den Filialen Zofingen, Winterthur und Bellinzona. Diese Abteilungen sind für die Ausarbeitung und Durchführung von Projekten für den Unterhalt, Ausbau und die Engpassbeseitigung verantwortlich. Parallel dazu gibt es elf Gebietseinheiten, denen mittels Leistungsvereinbarungen der Betrieb und der laufende Unterhalt der Nationalstrassen übertragen wurde.

Eindrücklich: Dank des Brücken- untersichtsgeräts eröffnen  sich ganz neue Blickwinkel auf die Aarebrücke bei Bad Schinznach.

Quelle: Stefan Breitenmoser

Eindrücklich: Dank des Brückenuntersichtsgeräts eröffnen sich ganz neue Blickwinkel auf die Aarebrücke bei Bad Schinznach.

Die Wissenschaft der Risse

Für Thomas Zwicky heisst dies, dass ihm in der Filiale Zofingen sechs Inspektoren und drei Gebietseinheiten mit zwölf Kantonen unterstehen, welche von Basel über den Aargau bis tief in die Innerschweiz reichen. Was die Hauptinspektionen betrifft, ist das Astra Zofingen unterschiedlich organisiert. Teils gibt es langjährige Verträge mit Ingenieurbüros, welche die Inspektionen durchführen, teils sind es erfahrene Mitarbeiter der Gebietseinheiten.

«Der Vorteil, wenn immer die gleichen Leute die Inspektionen vornehmen, ist sicher, dass sie die Geschichte der Brücken besser kennen. Der Nachteil kann aber die Betriebsblindheit sein», meint Zwicky. Da es keine spezifische Ausbildung für Brückeninspektoren gibt, fördert er durch jährlich durchgeführte Workshops den Erfahrungs- und Wissensaustausch. Letztes Jahr wurden bei so einem Workshop Risse näher beleuchtet. Diese bilden eine Wissenschaft in sich. Denn es gibt Biege-, Trenn-, Haar-, Netz-, Schwind- und Schubrisse. «Und wir müssen alle erkennen», meint Zwicky.

Eine grosse Bedeutung kommt bei der täglichen Arbeit der Datenbank «Kuba» zu, in welcher alle Kunstbauten aufgelistet sind. Darin sind für jedes Bauwerk rund ein Dutzend Bauteile vermerkt, denen eine besondere Beachtung zu schenken ist. Nach oder während einer Inspektion tragen die Fachleute, welche allesamt mit Tablets ausgerüstet sind, ihre Beobachtungen und Fotos in die Datenbank ein.

Dabei vergibt der Brückeninspektor Noten von 1 bis 5 für jedes Bauteil, wobei 1 für «gut», 2 für «annehmbar», 3 für «schadhaft», 4 für «schlecht» und 5 für «alarmierend» steht. «Ich habe in meinen zwölf Jahren beim Astra allerdings noch nie eine 5 gehabt, die Note 4 gibt es durchschnittlich einmal pro Jahr. Eine 3 gibt es immer mal wieder, allerdings nie für das ganze Bauwerk, sondern nur für einzelne Bauteile», sagt Zwicky. Laut Netzzustandsbericht 2017 war die durchschnittliche Note für das gesamte Nationalstrassennetz eine 1,82.

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