Unesco-Welterbestätten: Gefahr von Sturmfluten nimmt zu
Welterbestätten wie der Lagune von Venedig, der Altstadt von Dubrovnik oder den Überresten Karthagos bei Tunis ist gemein, dass sie allesamt in unmittelbarer Meeresnähe liegen. Zudem dürften sie in naher Zukunft verstärkt mit den Folgen des Klimawandels zu kämpfen haben: Wissenschaftler der deutschen Universität Kiel und ihre Kollegen rechnen damit, dass dort die Gefahr von Sturmfluten bis Ende des 21. Jahrhunderts um 50 Prozent zunimmt. Die Risiken einer Küstenerosion dürften sich um 13 Prozent erhöhen.
Quelle: Candre Mandawe, unsplash
Venedig leidet nicht nur zunehmend unter den Touristenströmen, sondern auch unter dem steigenden Meeresspiegel.
Im Rahmen einer Studie haben die deutschen Forscher zusammen mit internationalen Partnern untersucht, wie sich der steigende Meeresspiegel und die damit verbundene Küstenerosion auf 49 Welterbestätten im Mittelmeerraum auswirken. Bis zu 37 dieser Stätten seien durch eine Jahrhundertsturmflut bedroht, heisst es dazu in der Medienmitteilung der Universität Kiel. Eine solche findet mit einer jährlichen, einprozentigen Wahrscheinlichkeit statt. Durch Küstenerosion gefährdet sind 42 Stätten. „Einzelne Weltkulturerbestätten könnten durch ihre exponierte Lage sogar noch weitaus stärker betroffen sein“, kommentiert Lena Reimann von der Universität Kiel die Studienergebnisse.
„Mit unserer Arbeit möchten wir die Anpassungsplanung zum Schutz des Weltkulturerbes vorantreiben“, sagt Reimann. Die Studie identifiziere, wo dringender Bedarf für Anpassungen bestehe. Laut Reimann besteht unmittelbarer Handlungs- und Anpassungsbedarf. Es müssten Massnahmen für grössere Bedrohungen entwickelt werden, die sich in die Stätten einfügen, ohne deren Welterbestatus zu beeinträchtigen. Eine solche Massnahme befindet sich derzeit in Venedig im Bau: das „MOSE“-Projekt. Dabei handelt es um eine Anlage aus absenkbaren, an den Öffnungen der Lagune installierten Flutwehren. Sie sollen Stadt und Lagune vor steigenden Wasserständen von bis zu drei Metern schützen.
Datenbank zu Lage und Form der Stätten
Um die Gefährdungspotenziale eruieren zu können, hat das Forschungsteam eine räumliche Datenbank aller Unesco-Weltkulturerbestätten in tiefliegenden Küstengebieten des Mittelmeerraums erstellt. Neben Lage und Form der Stätten flossen auch die Art des Kulturerbes, die Entfernung zum Meer oder ihre Lage in urbanen respektive ländlichen Gebieten mit ein. Mittels dieser Datenbank und mit Hilfe von Modellsimulationen von Überschwemmung unter Berücksichtigung verschiedener Szenarien des Meeresspiegelanstiegs konnten Indizes für Flutrisiko und für Erosionsrisiko entwickelt werden. So berücksichtigt der Flutrisikoindex die potenziell überflutete Fläche und die maximale Fluttiefe jeder Weltkulturerbestätte. Der Erosionsrisikoindex basiert auf der Entfernung jeder Stätte von der Küste und den Eigenschaften der Küste, die den Grad der Erosion massgeblich mitbestimmen, etwa die Tatsache ob dort der Grund eher sandig ist oder aus Fels besteht. (mai/mgt)