Ultrahochleistungs-Faserbeton bei Sanierung von Brücken eingesetzt
Bei der Sanierung dreier Brücken der Autobahn A4 kam es zu einer Schweizer Premiere. Das Astra setzte erstmals einen neu entwickelten Baustoff ein: Ultrahochleistungs-Faserbeton. Auf der Baustelle sorgt er für eine Vereinfachung und Beschleunigung der Abläufe.
Quelle: Ben Kron
Znünipause der Arbeiter auf der UHFB-Schicht, die ohne Abdichtung verbaut wird und nur noch eine Deckschicht aus Gussasphalt benötigt. Im Hintergrund die eigens für die Baustelle konzipierte Betonmischanlage der Kibag.
Das Schweizer Autobahnnetz entstand ab den 1960er-Jahren und umfasst heute fast 1900 Kilometer. Damit ist der damals vom Parlament gefällte «Netzbeschluss» weitgehend umgesetzt. Während an einigen neuralgischen Punkten das Netz der Nationalstrassen derzeit noch geschlossen wird, sind vielerorts Sanierungsmassnahmen von bereits in die Jahre gekommenen Abschnitten im Gange.
Eben fertiggestellt wurde ein Teilabschnitt des Erhaltungsprojekts Küssnacht – Brunnen auf der Autobahn A4, die auf total 165 Kilometern Länge von der deutschen Grenze bei Schaffhausen bis nach Altdorf UR führt.
Die Arbeiten des ersten Bauloses zwischen Arth und Goldau SZ betreffen rund fünf Kilometer Strecke und umfassen neben der Sanierung des Trassees und der Betriebs- und Sicherheitsanlagen auch zwei Überführungen, zwei Tunnel und fünf Brückenbauwerke. Die Gesamtkosten des Erhaltungsprojekts Küssnacht – Brunnen belaufen sich auf rund 240 Millionen Franken.
Medienrummel um Hightech-Baustoff
Auf grosses Medieninteresse stiess dabei die Sanierung der drei Zwillingsbrücken Boli, Mettlen und Linden, die zwischen 1973 und 1976 entstanden. Der Grund: Erstmals in der Schweiz setzt das Bundesamt für Strassen (Astra) bei der Erneuerung der Kunstbauten einen Hightech-Baustoff namens Ultrahochleistungs-Faserbeton (UHFB) ohne zusätzliche Abdichtung ein, der mehrere Arbeitsschritte und damit Zeit und Geld spart.
Das Material besteht aus Zement, Microsilica, Feinsand, Verflüssiger, Wasser und Stahlfasern; im Gegensatz zum herkömmlichen Beton enthält es keinen Kies, weshalb viele Experten den Begriff Ultrahochleistungsbaustoff verwenden.
Quelle: Ben Kron
Kein Kies, dafür bis zu 300 Kilogramm Stahlfasern und das Dreifache an Zement machen den Ultrahochleistungs-Faserbeton zum ebenso widerstandsfähigen wie elastischen Baustoff, der das Sanieren von Brücken wesentlich beschleunigt.
Statisch nicht ideal konzipiert
Christian Schmuckle, Chefbauleiter der «INGE A4SZ», erläutert die Herausforderungen der Sanierung: «Wir haben es mit drei Brücken zu tun, die aus 3 bis 13 Brückenfeldern von je 40 Meter Länge bestehen, insgesamt etwa 2 Kilometer Brückenlänge, mit Stützen von bis zu 30 Metern Höhe und einer Fahrbahnbreite von 8,9 Metern.»
Errichtet wurden die Brücken aus vorgespannten Fertigteilträgern, wobei der Steg nur rund 18 Zentimeter stark ist und die Bewehrung nur wenig Betonüberdeckung aufweist. «Auch sind die Brücken aus heutiger Sicht statisch nicht ideal konzipiert, ebenso ist die Lastverteilung in Querrichtung ungenügend.»
Bei den Konsolköpfen kam es nun fast auf der ganzen Länge der Brücken zu Abplatzungen. «Das Hauptproblem aber waren die undichten Anschlüsse der Entwässerungsschächte an die Sammelleitung. Hier drang mit Streusalz belastetes Fahrbahnwasser ein, was zu gröberen Schäden an der Bewehrung und Vorspannung führte.»
Auch die Position dieser Anschlüsse war ungünstig: «Nach heutiger Norm nachgerechnet weisen die 40 Meter langen Brückenfelder bei den Viertelpunkten die grössten statischen Defizite in Bezug auf die Schubbelastung auf, also bei 8 und 32 Metern. Und genau dort, wo die statischen Reserven ohnehin knapp waren, befanden sich die Einlaufschächte.»
Eine Instandsetzung der rund 45 Jahre alten Brücken war also unumgänglich, wobei jeweils eine der Zwillingsbrücken gesperrt und der Verkehr auf die andere umgeleitet wurde. Um die Bauwerke zu ertüchtigen, mussten die Konsolköpfe komplett ersetzt werden, wie auch die gesamte Ausrüstung inklusive aller Lager und teilweise die Fahrbahnübergänge.
Quelle: Astra
Einbau des UHFB aus dem Betonkübel: Das Material muss rasch vor Ort transportiert und eingebracht werden. Der eigens eingeflogene Gleitschalungsfertiger verteilt das kostspielige Material auf den Millimeter genau.
Schutz vor Korrosion
«Bei der Sanierung wollten wir grössere Eingriffe an den schmalen Trägern vermeiden. Dies hätte die Baustellenarbeit erschwert: Es hätte viel Beton für die Reprofilierung entfernt werden müssen, was die schmalen Träger weiter geschwächt und Probleme mit der Statik verursacht hätte.»
Als erste Massnahme wurden vorgängig die kritischsten Stellen der Längsträger mit dem Ultrahochleistungs-Faserbeton saniert. Die weniger kritischen Stellen der Träger wurden mit einem kathodischen Korrosionsschutz geschützt: Hierbei werden Stahlstäbe als Anoden in die Träger gebohrt.
Durch sie wird, vereinfacht gesagt, ein Strom geleitet, der als Gegengewicht des Stromflusses dient, der bei der Korrosion entsteht, und diesen Vorgang neutralisiert: Statt an der Bewehrung bildet sich der Rost an den Anoden, die bei Bedarf ausgetauscht werden. Dank der Überwachung der Stromflüsse erhält man zugleich einen Blick ins Bauwerk und kann dessen Zustand kontrollieren.
Nach erfolgter Verstärkung der Brückenträger wurde zur Schub- und Biegeverstärkung ein flächiger Aufbeton aus UHFB auf den gesamten Brückenplatten aufgebracht, insgesamt auf einer Fläche von rund 17 500 Quadratmetern. Im Stützenbereich wurde das Material 10 Zentimeter dick und mit starker Bewehrung eingebracht, im Feldbereich in einer Stärke von 4,5 Zentimetern und konstruktiv bewehrt.
Quelle: Astra
Vor dem Einbringen des UHFB: Das Wasser, womit die Betonplatte angefeuchtet wurde, muss restlos entfernt werden.
Der grosse Vorteil des UHFB: Neben seiner Fähigkeit, starke Zugkräfte zu absorbieren, übernimmt er zusätzlich die Funktion der Abdichtung. Beim herkömmlichen Brückenaufbau wird auf die Brückenplatte eine Epoxiversiegelung und darauf eine Bitumendichtungsbahn verlegt, bevor die drei Schichten Gussasphalt aufgetragen werden, die bekannte Trag-, Binder- und Deckschicht.
«Beim UHFB fallen Epoxi und Bitumendichtung weg», erläutert Christian Schmuckle. «Wir können auf den Faserbeton direkt die letzten zwei Schichten Gussasphalt auftragen.» Zum einen wird bei dieser Methode weniger Material eingebaut, was die statische Belastung der Brücke reduzieren kann. Zum anderen spart man viel Zeit, da die Arbeitsgänge mit der Epoxiversiegelung und Bitumendichtung spezifische äussere Bedingungen benötigen.
«Da wir viel weniger von der Witterung abhängig sind, bringt uns der Baustoff UHFB eine hohe Projektstabilität», sagt Jürg Merian, der zuständige Projektleiter beim Astra. «In der Schweiz haben wir eigentlich für komplexe Brückensanierungen einen zu kurzen Sommer und zu wenige schöne Tage. Der Ultrahochleistungs-Faserbeton beschleunigt alle Bauabläufe, da er nach 24 Stunden soweit ausgehärtet ist wie herkömmlicher Beton nach 28 Tagen.»
Die Zeiteinsparung gegenüber einer herkömmlichen Sanierung beziffert man beim Astra auf sechs bis acht Wochen. Für den Astra-Projektleiter ist deshalb klar: «Wir werden in Zukunft Brückensanierungen mit dieser Methode deutlich schneller bewältigen können.»
Quelle: Astra
Notwendige Instandsetzung nach rund 45 Jahren: Die Sanierung der Zwillingsbrücken erfolgt unter Sperrung der einen Brückenhälfte, während der Verkehr in beiden Richtungen über die andere geleitet wird.
Spezialanfertigung aus den USA
Der Einbau des UHFB erfolgt über bekannte Arbeitsschritte: Nach dem Abtragen der alten Asphaltschichten wird die Betonplatte aufgeraut und 24 Stunden gewässert. Dann wird das übrige Wasser abgesaugt, die Bewehrung montiert und die Fugen werden ausgebildet.
«Der Einbau des Materials erfolgt via Silokipper, die den Beton vom nahen Mischwerk anliefern. Umgefüllt in Betonkübel wird der UHFB vor den Gleitschalungsfertiger geleert, der den Baustoff sauber verteilt, verdichtet und am Ende mit einer Abziehbohle glättet», erklärt Christian Schmuckle. Ein anschliessendes Taloschieren des UHFB entfällt.
Beim Fertiger handelt es sich um eine 28 Tonnen schwere und 2600 PS starke Spezialanfertigung, Marke Gomaco GP 2400, die eigens aus den USA eingeflogen wurde. «Die Maschine ist 3D-gesteuert, so dass der Maschinist lediglich die Geschwindigkeit und die Vibratoren überwacht. Das Trassee wurde vorgängig exakt vermessen und definiert und der Einbau mittels Tachymeter gesteuert.»
Elefantenhaut nach 60 Minuten
Wichtig bei der Arbeit ist die exakte Abstimmung der einzelnen Prozesse und die präzise Etappierung des Einbaus, da der UHFB schnell abbindet. «Das Material fühlt sich an wie Honig», meint der Polier. Um lange Transportwege und Unsicherheiten zu vermeiden, hat der Hersteller, die Kibag AG, ein eigenes Mischwerk mitten auf der Baustelle zwischen den beiden Fahrspuren errichtet.
Denn 30 Minuten nach dem Abfüllen in den Fahrmischer sollte der Beton verbaut werden, da sich nach spätestens 60 Minuten eine Elefantenhaut bildet und das Material kaum mehr zu bearbeiten ist. Da man aber den Output der Mischanlage mit der Geschwindigkeit des Fertigers koordinieren und die Transportwege kurz halten konnte, erreichte man eine Tagesleistung von 170 Metern.
Quelle: Astra
Nachdem der UHFB eingebracht, mit dem Gleitschalungsfertiger gleichmässig verteilt und verdichtet wurde, belegen ihn die Arbeiter mit einer Folie, damit er nicht zu rasch austrocknet. Anschliessend verschwindet er für fünf Tage unter einer Thermomatte. Danach kann bereits die Fahrbahn asphaltiert werden.
Als Nachbehandlung wird der UHFB mit einer Folie zugedeckt, damit er nicht austrocknet. Danach wird er mit Thermomatten belegt, welche die Wärme speichern oder bei grosser Hitze eine zu starke Aufheizung des Materials verhindern. So bleibt der Hightech-Baustoff fünf Tage liegen, bevor als letzter Arbeitsschritt vor dem Asphaltieren noch Lunker oder allfällige kleine Risse repariert werden.
Bleibt die Frage nach dem Preis des neuartigen Baustoffs. Jürg Merian vom Astra erklärt: «Das Material ist wesentlich teurer als herkömmlicher Beton. Während dieser pro Kubikmeter 150 bis 200 Franken kostet, liegt der Preis des UHFB bei 3500 Franken pro Kubik.» Eine Schubkarre voll des Materials koste rund 180 Franken, oder schon eine einzige Schaufel fünf Franken. «Dank der enormen Zeiteinsparung und Vereinfachung auf der Baustelle rechnet sich der Einsatz trotzdem.»
Man müsse aber die Arbeiter für den hohen Wert des Baustoffs sensibilisieren und beim Einbau auf Präzision achten: «Tragen wir den UHFB auf zwei Kilometern Länge nur einen Millimeter dicker auf als geplant, entstehen Mehrkosten von rund 100 000 Franken.» Darum der Einsatz des Präzisionsfertigers, der millimetergenau arbeitet.
Der Einsatz des Ultrahochleistungs-Faserbetons rechnet sich aber nicht nur auf der Baustelle, sondern auch bei langfristiger Betrachtung. «Aufgrund der erfolgten umfangreichen Tests gehen wir davon aus, dass das hoch stabile Material auf viele Jahre hinaus keine Reparaturen benötigt», so Merian. Und falls doch, könne man den Gussasphalt und den defekten Baustoff herausnehmen und neuen UHFB einbringen. «Wiederum ohne dass eine Abdichtung angebracht werden muss.»
Ultrahochleistungs-Faserbeton (UHFB)
Quelle: Astra
Ganz zu Beginn der Arbeiten mussten unterhalb der Brücken die Träger und Konsolköpfe komplett ersetzt werden, inklusive Lager. Bei den beengten Platzverhältnissen eine knifflige Aufgabe.
Die Entwicklung des Ultrahochleistungs-Faserbetons begann bereits vor über 50 Jahren in Dänemark, wo erste Versionen des Baustoffes gemischt wurden. Auch in Deutschland forscht man mit dem Material, das dort «ultrahochfester Beton» heisst. Der vom Astra verwendete UHFB wurde unter Mitwirkung von Professor Eugen Brühwiler an der ETH Lausanne entwickelt, bei dem Christian Schmuckle studierte. Der fertige Baustoff «Ahadur» wurde von der Kibag entwickelt.
Kein Kies als Zuschlagsstoff
«Als Hauptunterschied zum herkömmlichen Beton weist der UHFB nur Feinsand bis zu einer maximalen Körnung von einem Millimeter auf», erklärt Ursina Jenny von der Kibag Management AG, die das Baustofflabor leitet und das Material zur Einsatzreife weiterentwickelt hat. «Dazu kommen 250 bis 300 Kilogramm Stahlfasern pro Kubik und rund dreimal so viel Zement.»
Das Gesamtgewicht von 2500 bis 2600 Kilogramm pro Kubikmeter ist ähnlich wie beim «normalen» Beton. Das Material hat eine mechanisch hohe Druckfestigkeit wie Beton generell, verfügt daneben aber über ein grosses Verformungsvermögen. Zudem ist es resistent gegen Säure, Sulfat, Frost und Karbonatisierung, wie auch gegen mechanischen Abrieb.
Härtetest im Steinbruch
Die Kibag hat den UHFB auf ihrem Steinbruch beim Lauerzersee einem Härtetest unterzogen: Vor dem Steinbrecher, den grosse Pneulader jeweils befüllen, befindet sich eine Betonplatte, die wegen der hohen Belastungen beim Anfahren und Bremsen immer wieder gebrochen ist und ersetzt werden musste. In einem Vorversuch wurde diese Platte mit einer Schicht des Faserbetons UHFB überzogen. Seither hat man vor dem Steinbrecher Ruhe.
Für die Baustelle der A4 hat die Kibag eine spezielle Anlage konzipiert und direkt auf der Baustelle montiert. Diese besteht aus zwei Mischern, die pro Stunde zusammen 14 bis 16 Kubikmeter herstellen können, und fünf Komponentensilos. Der Mischprozess erfolgt nach bekannten Abläufen. Lediglich bei den Stahlfasern, die in Big Bags aufbewahrt werden, muss vorgängig durch einen Rüttler sichergestellt werden, dass sich die feinen Fasern nicht verklumpen.
Der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein SIA legte 2016 das Merkblatt 2052 «Ultra-Hochleistungs-Faserbeton (UHFB) – Baustoffe, Bemessung und Ausführung» vor, das die Basis für eine spätere SIA-Norm bilden soll. (bk)