14:52 BAUPRAXIS

Studie der Hochschule Luzern: Wie lässt sich klimagerecht bauen?

Teaserbild-Quelle: Alexandre Perrotto, Unsplash

Auch in der Schweiz werden die Sommer langfristig wärmer. In der Folge brauchen Wohnungen künftig mehr Kühlung. Mit der richtigen Planung kann auf energiefressende Klimaanlagen verzichtet werden. Wie, zeigt eine Studie der Hochschule Luzern.

Schattenwurf auf Fassade eines Gebäudes

Quelle: HSLU

Ob und wie ein Haus von Nachbargebäuden verschattet wird, hat einen Einfluss auf die Behaglichkeit. Die Experten der HSLU raten deshalb, Gebäude fassadenweise zu planen.

Beim Bau von Wohnungen war bislang immer das Heizkonzept wichtig. Das Kühlkonzept spielte hingegen eine geringe Rolle. Dies werde sich ändern, wenn die Klimaveränderungen auch hierzulande vermehrt zu heissen Sommern führe, wie die Hochschule Luzern (HSLU) am Montag mitteilt. Im Rahmen der Studie «Bereit für den Klimawandel?» untersuchte ein Team der Hochschule, was dieser Umstand für die Planung neuer Gebäude bedeutet. 

Geschoss- und fassadenweise planen ist sinnvoll 

Sowohl die Temperatur in Wohnräumen als auch das Tageslicht werden unter anderem davon beeinflusst, in welcher Umgebung das Haus liegt. Steht es frei oder wird es von Häusern beschattet? Nach welcher Himmelsrichtung ist es ausgerichtet? In welcher Etage befindet sich die Wohnung? – «Planerinnen und Bauherren müssen deshalb ihre Pläne an die Umgebung und den Standort eines Hauses ausrichten und fassaden- und geschossweise planen», erklärt Gianrico Settembrini vom Institut für Gebäudetechnik und Energie der HSLU in der Mitteilung. 

Für die Studie hat Settembrini mit seinem Team konkrete Handlungsempfehlungen erarbeitet, um Bauherrinnen und Planer für diese Thematik zu sensibilisieren. Da zudem nur ein energetisch optimal funktionierendes und lichtmässig behagliches Gebäude über seinen gesamten Lebenszyklus hinweg seinen Wert erhalte, seien die Empfehlungen auch für Käuferinnen und Mieter interessant, die ein Objekt bewerten möchten, heisst es weiter. 

Häuser mit den Klimadaten der Zukunft planen 

Die Studie wurde finanziell von EnergieSchweiz – einem Programm des Bundesamtes für Energie (BFE) – unterstützt und mit weiteren Partnern durchgeführt. Das Forschungsteam hat im Zuge ihrer Untersuchungen elf Parameter ausfindig gemacht, die einen Einfluss auf den Energieverbrauch sowie die thermische und visuelle Behaglichkeit in einer Wohnung haben, die Bauherren und Planerinnen bei ihrer Arbeit berücksichtigen sollten. 

Die Parameter wie Eigenschaften der Fenster, Sonnenschutz- oder Beschattungselemente wurden in einem für das Mittelland typischen Referenzgebäude in Basel-Binningen simuliert. Dann wurden die Parameter nach den Kriterien thermische Behaglichkeit, nötiger Energieaufwand übers Jahr und Einfall des Tageslichts gewichtet und bewertet. 

«Noch immer richtet sich die Architektur der Schweiz zu sehr darauf, Wohnungen im Winter angenehm und energieeffizient zu machen», sagt Settembrini. Es sei jedoch entscheidend, dass Gebäude mit Klimadaten der Zukunft geplant werden und nicht wie heute mit solchen, die auf vergangenen Werten beruhen. 

Verschattete Treppe zwischen zwei Gebäuden

Quelle: HSLU

Ob und wie ein Haus von Nachbargebäuden verschattet wird, hat einen Einfluss auf die Behaglichkeit.

Fenster: Tageslicht versus Kühlung

Ein wichtiger Faktor für die Zukunftsfähigkeit der Wohnungen sind laut Mitteilung die Fenster. Hier gelte es, zwei widersprüchliche Erwartungen in Einklang zu bringen. So ist für den Wohnkomfort ist unter anderem viel Tageslicht wichtig. Dafür hilft es, tiefe Räume zu vermeiden, bewegliche Sonnenschutzelemente zu bevorzugen, Stürze über den Fenstern zu minimieren und helle Oberflächen zu verwenden. Geht es aber darum, ein Gebäude im Sommer kühl zu halten, sind grosse sonnenseitige Fensterflächen ein Problem. 

Deshalb wurde für die Studie das Team des Tageslichtexperten Björn Schrader miteinbezogen. Das Fazit: Von Fenstern, die bis zum Boden reichen, wird im untersuchten Zusammenhang abgeraten. «Sie bringen nicht wesentlich mehr Tageslicht in die Wohnung, heizen aber den Boden auf.» Doch auch grosse Südfenster halten nicht, was sie versprechen: Im Sommer müssen sie im Gegensatz zu Nordfenstern beschattet werden. 

Das verdunkle wiederum das Zimmer und verdecke die Aussicht. Deshalb sind Nordräume in heissen Sommern nicht nur kühler, sondern oft auch heller als Räume, die nach Süden zeigen. In Wohnungen mit Grundrissen, die eine flexible Nutzung ermöglichen, könne man die Räume je nach Jahreszeit anders nutzen. 

Nächtliches Kühlen mit guter Fenster-Ausrichtung

Die Ausrichtung der Fenster ist auch für eine effiziente Lüftung in der Nacht wichtig, wie aus der Mitteilung hervorgeht. Dabei sollten die Windrichtungen im Sommer Massstab sein. «Unsere Studie hat gezeigt, dass es auch im Jahr 2060 noch gelingen kann, eine Wohnung kühl zu halten, wenn über Nacht richtig und konsequent gelüftet wird», sagt Gianrico Settembrini. 

Natürlich müssten hierbei auch Umstände wie Lärmbelastung oder Einbruchschutz berücksichtigt werden. Vor allem aber habe das Verhalten der Bewohnerinnen und Bewohner einen entscheidenden Einfluss auf die Energieeffizienz und angenehme Temperaturen im Gebäude. Manche der Aufgaben könnten künftig automatisiert betrieben werden. «Nutzerinnen und Nutzer akzeptieren die Automation aber nur, wenn sie sie bei Bedarf übersteuern können», so Settembrini. 

Einsatz von Kühl- und Klimageräten vermeiden

Grundsätzlich sollte ein Gebäude von Anfang an so entworfen werden, dass es möglichst wenig geheizt und gekühlt werden muss. «Der Einsatz von Kühl- oder Klimageräten soll vermieden werden, technische Lösungen dürfen erst zum Zug kommen, wenn die passiven Möglichkeiten ausgeschöpft sind», sagt Adrian Grossenbacher vom Bundesamt für Energie. 

Der Gebäudepark verbraucht rund 40 Prozent des Endenergiebedarfs der Schweiz. Dieser müsse weiter gesenkt werden. Würde jedoch ein vermehrter Einsatz von Klimageräten nötig werden, droht dieser Wert stattdessen noch zu steigen. (mgt/pb)

Weitere Informationen: www.hslu.ch

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