12:07 BAUPRAXIS

Studie der Eawag: Der Kühleffekt der Bäume

Teaserbild-Quelle: Robert Bye, Unsplash

Bäume, Grasflächen oder Wasserbereiche können die zunehmende Hitze in den immer dichteren Städten mindern. Doch wie lange dauert es, bis sich ihre Wirkung messen lässt? Ein Team der Eawag hat diese Zeitspanne mittels Satellitendaten berechnet.

Arnold Circus in London aus der Vogelperspektive

Quelle: Robert Bye, Unsplash

Es braucht seine Zeit, bis der kühlende Effekt von Bäumen gemessen werden kann. Die Bäume auf dem Foto dürften allerdings schon länger für Kühlung sorgen: Sie stehen im Arnold Circus im Londoner East End. Der kleine Park ist um 1900 herum angelegt worden.

Wird es im Sommer immer wärmer, heizen sich auch die Städte in dieser Jahreszeit immer mehr auf. Und zwar so sehr, dass die Gesundheit der Bevölkerung gefährdet werden kann oder man sich zumindest nicht mehr wohl fühlt. Blau-grüne Infrastruktur oder vielmehr Grünflächen, Bäume, ­Teiche, offene Bachläufe und dergleichen können helfen, die Temperatur zu mindern. Doch bis solche Massnahmen eine messbare Wirkung entfalten, dauert es. Wie lange genau hängt von Umweltfaktoren ab, aber auch von der ­Gestaltung der Anlagen und davon, wie sie unterhalten werden. Einfache Formeln wie «jeder Baum kühlt ein Grad», gibt es dafür nicht.

CET steht in diesem Zusammenhang nicht für Central European Time, sondern für Cooling Establishment Time. Das heisst, für die Zeitspanne bis eine bestimmte Massnahme eine stabile Kühlleistung erbringt. Bisher ist die CET noch wenig erforscht. Ein Team des Wasserforschungsinstituts Eawag hat nun erstmals mittels Satellitendaten die CET blau-grüner Infrastrukturen untersucht. Quantifiziert wurden die Effekte von sechs verschiedenen ab 2002 in Zürich angelegten gepflanzten Strukturen, darunter fallen etwa die Bäume am Tessinerplatz beim Bahnhof Enge sowie die Rankgerüste und Wasserbecken im MFO-Park in Zürich-Oerlikon. Aus sinkenden Oberflächentemperaturen und steigenden Indizes für gesundes Grün – diese lassen sich jeweils aus den Satellitendaten ablesen  – ­haben die Wissenschaftler dann die CET berechnet.

In ihrer Arbeit – sie wurde kürzlich in der Zeitschrift «Sustainable Cities and ­Society» publiziert – weisen sie nach, dass Anlagen mit Bäumen oder Kletterpflanzen relativ lange benötigen, bis sich eine nennenswerte Veränderung der Oberflächentemperaturen feststellen lässt, nämlich sieben bis zehn Jahre. Hingegen wirken Grasflächen, Wiesen oder künstlich bewässerte Systeme bereits innerhalb von einem bis drei Jahren. Laut Eawag hängt aber noch von zahlreichen weiteren Faktoren ab, wie effizient die Temperaturminderung tatsächlich ausfällt. Auf den sechs untersuchten Flächen resultieren ­gegenüber direkt benachbarten Grundstücken reduzierte Oberflächentemperaturen zwischen 0,5 und gut 3 Grad Celsius.

Bessere, blau-grüne Infrastrukturen

MFO-Park in Zürich-Oerlikon

Quelle: Claudio Schwarz, Unsplash

Der MFO-Park in Zürich-Oerlikon: Das Blätterdickicht, das über das Gerüst wuchert, sorgt an heissen Tagen für kühlenden Schatten.

Die Arbeit ist Teil der Dissertation von ­Lucas Gobatti, Bauingenieur und Architekt. Sein persönlicher Favorit ist ein Umbau an der Heinrichstrasse: Statt heisse Fabrik­dächer messen die Satelliten dort seit der Erstellung eines begrünten Atriums 2005 um bis zu 3,5° C tiefere Temperaturen. Dazu trage nicht nur das Grün bei, sondern auch die Beschattung und vor allem die Bewässerung. «Wenn wir das Wasser während starker Regenfälle zurückhalten und es später für die Bewässerung einsetzen, können wir den Nutzen von blau-grünen Infrastrukturen massiv verbessern.» 

Es sei in der Studie nicht darum gegangen, eine Rangliste der besten Massnahmen zur Stadtkühlung zu erstellen, betont ­Gobatti. «Wir wollten eine Methodik erarbeiten, die uns mit Hilfe der Satelliten­daten zu verstehen hilft, welche Prozesse von welchen Massnahmen im Bereich der blau-grünen Infrastruktur beeinflusst werden.» Das sei Grundlage dafür, solche Infrastruktur optimaler zu planen und umzusetzen, sodass sie rechtzeitig messbare ­Resultate erziele. Nun müsse das Vorgehen noch verfeinert werden. Zum Beispiel würde aktuell die kühlende Wirkung von Bäumen noch unterschätzt, weil die Satelliten die Temperaturen in den Baum­kronen, nicht im Schatten unter den Bäumen, messen. Wie Umweltingenieur João Leitão, ­Gobattis Betreuer, erklärt, ist es wichtig, dass alle Nutzen dieser Infrastruktur berücksichtigt würden, also nicht nur eine mögliche Temperaturreduktion, sondern zum Beispiel auch das langsamere Abfliessen von ­Regenwasser oder Gewinne für die Biodiversität. (mgt/mai)

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