„Statt eines Ferrari habe ich zehn Bagger in der Garage“
Paul Accola war schon zu seiner Aktivzeit auf einem Menzi Muck anzutreffen – damals vor allem als Ausgleich zum stressigen Skizirkus. Heute verdient er seinen Lebensunterhalt auf dem Bau. Der Davoser über optimales Arbeitsgerät, seine Ablehnung von Atomkraftwerken und Parallelen in seinen Berufen als Skirenn- und Baggerfahrer.
Quelle: milan dietiker
Der ehemalige Skistar Paul Accola verdient heute seinen Lebensunterhalt als Unternehmer und ist fast immer auf Baustellen oder bei Waldarbeiten anzutreffen.
Dass er ein guter Diplomat geworden wäre, daran mag Paul Accola nicht glauben. Der ehemalige Spitzensportler sagt von sich selbst, er sei «en ehrleche Siech». Direkt und unverblümt äusserte er sich schon während seiner grossen Zeit im Skiweltcup. Einer, der sich nicht verdrehen lässt und es auch in Kauf nimmt, mit seinen Antworten zu provozieren. Selbst die Bosse der SVP, für die er im Herbst ins Rennen um einen Nationalratssessel steigt, dürften nicht nur Freude an ihrem prominenten Nachwuchskandidaten haben. Denn Accola ist und war schon immer ein Gegner der Atomkraft – im Gegensatz zur Parteipolitik der SVP.
Paul Accola from Matthias Dietiker on Vimeo.
Bei welcher Arbeit haben wir Sie gerade angetroffen?
Hier in der Davoser Stilli wird ein Riesenhotel gebaut, und jetzt haben wir mit dem Aushub begonnen. Am Morgen standen die Erstellung einer Baupiste und Containerversetzen auf dem Programm. Momentan helfe ich beim Wegräumen von gesprengtem Fels.
Während Ihrer Aktivzeit hat man Sie immer wieder auf dem Bagger gesehen – war
das nur Show?
Nein, nur ganz logisch für mich: Im Winter bin ich Ski gefahren, und im Sommer habe ich auf dem Bagger gearbeitet. Leider musste ich jedoch für die ungeliebten Sommertrainings immer wieder von der Maschine runter, obwohl ich mir auf dem Bau eine gute Fitness geholt hatte.
Sind Sie noch auf den Skis anzutreffen, wenn Sie nicht gerade Bagger fahren?
Auf jeden Fall, es gibt immer wieder Anlässe, bei denen ich auf die Bretter stehe.
Durch Sie wurde der Schweizer Baggerproduzent Menzi Muck einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Wie ist es zu dieser Verbindung gekommen?
Als wir unser Elternhaus umbauten – ich war etwa 18 Jahre alt –, hatte ich die Möglichkeit, mit einem Menzi Muck zu fahren. Da hat es mir «den Ärmel reingenommen»! Ich habe ursprünglich Zimmermann gelernt, bin nachher aber ins Baggerfahren abgedriftet.
Gibt es eine Arbeit auf dem Bagger, die Sie besonders mögen?
Spontan kann ich mich nicht für eine einzige Tätigkeit entscheiden. Es gibt sehr viele schöne Arbeiten auf dem Bagger, am liebsten habe ich die Abwechslung. Zwei Monate auf dem gleichen Gerät zu sitzen, würde mich langweilen.
Welches ist Ihre Lieblingsmaschine?
Das kommt immer auf die Arbeit an. Ich mag es ebenso sehr, einen 1,5- oder einen 5-Tönner zu bewegen oder wie hier gerade auf der Baustelle ein so grosses «Viech» mit vielleicht 28 Tonnen. Es gibt für mich nur eins: Man braucht immer die richtige Maschine für die entsprechende Arbeit.
Besitzen Sie auch Bagger?
Bei mir zu Hause stehen anstelle von Luxuskarrossen zehn verschiedene Bagger. Einen Ferrari brauche ich definitiv nicht.
Was ist für Sie besonders wichtig bei einer Baumaschine?
Ich mag es, wenn die Baumaschine über möglichst wenig Elektronik verfügt. Wenn der Bagger Öl verliert, sehe ich das sofort, und ich kann es vielleicht selber reparieren. Bei der Elektronik kann irgendwas kaputt gehen, sofort braucht man den Monteur und kann nicht arbeiten.
Welches ist für Sie die wichtigste Eigenschaft, über die ein Baggerführer verfügen sollte?
Am wichtigsten ist, dass er auch in hektischen Situationen einen kühlen Kopf bewahrt.
Sehen Sie Parallelen zwischen Ihrer heutigen Tätigkeit als Baggerführer und als Skirennfahrer?
Auf jeden Fall. Vor allem die Fähigkeit, sich konzentrieren zu können, verbindet diese beiden Berufe. Weiter ist für beide Tätigkeiten wichtig, dass man genau weiss, was man tun soll, und dies dann auch kontrolliert erledigt.
Wie der Baggerführer ist auch der Skirennfahrer auf sich allein gestellt.
Als aktiver Sportler ist man über weite Strecken auf sich selber angewiesen, muss selber die Entscheidungen treffen. Dies ist auch für den Baggerführer von grosser Bedeutung. Oder mit anderen Worten ausgedrückt: Selbstständigkeit.
Wie selbstständig lassen Sie Ihre Angestellten arbeiten?
Wenn der Tag kommt, an dem ich vor den Mitarbeitern den Chef markieren muss, höre ich auf. Ich hätte keine Lust, dauernd hinter den Angestellten herzueilen und ihre Arbeit zu kontrollieren. Die Leute müssen selbstständig arbeiten und selber denken – genau so, wie ich es auch von mir verlange.
Nach den Wahlen im Herbst werden Sie vermutlich nicht mehr so oft auf dem Bagger anzutreffen sein?
Klar ist, wenn ich gewählt werde, muss die Zeit an einem anderen Ort eingespart werden. Das dauert aber noch einige Zeit und ich werde mich gern überraschen lassen.
Wofür würden Sie sich als Nationalrat zuerst einsetzen?
Gerade hier auf dem Bau sind es zwei Punkte. Einerseits ist das Thema Partikelfilter noch zu wenig ausgewogen betrachtet worden, anderseits wird der Diesel immer teurer. Ich bin der Meinung, dass diejenigen Personen, die auf Kraftstoff für die Ausübung Ihrer Arbeit angewiesen sind, anders behandelt werden müssen als die Hobbyautofahrer, die übers Wochenende jeweils die Strassen verstopfen.
Haben Sie politische Vorbilder?
Als Bub hat mich der ehemalige Bundesrat Kurt Furgler fasziniert – warum, weiss ich bis heute nicht. Später waren es Adolf Ogi und Christoph Blocher.
Karriere und Höhepunkte
Paul Accola (Jahrgang 1967) bestritt 1988 sein erstes Weltcuprennen und erreichte auf Anhieb Platz 8. Bei der Ski-WM in Vail 1989 gewann er die Silbermedaille in der Kombination. 1991/92 hatte der Bündner seine erfolgreichste Saison mit sieben Siegen. Ab 1993 litt er unter chronischen Rückenschmerzen und Verletzungen, gehörte trotzdem jede Saison zu den zehn besten Fahrern.Überraschend holte Paul Accola 1999 an der WM in Vail Bronze in der Kombination, wurde Vierter im Riesenslalom und Fünfter im Super-G. Eine weitere Kombinations-Bronzemedaille gewann er bei der WM 2001 in Sankt Anton am Arlberg. 2005 beendete er mit 38 Jahren seine Karriere als ältester Teilnehmer im Skiweltcup.Mit einem Menzi-Muck-Bagger sorgte Paul Accola 1992 in der Sendung «Wetten, dass . . .?» für Aufsehen, als er einen Hindernisparcours absolvierte. Heute besitzt Accola ein Unternehmen für Baggerarbeiten und Holztransporte in Davos und vermietet Ferienwohnungen. Daneben ist er Gründer einer Stiftung, die junge Nachwuchstalente aus dem Kanton Graubünden fördert.(tst)
Auf baublatt.ch/accola können Sie das ganze Videointerview mit Paul Accola sehen.