13:00 BAUPRAXIS

Erdbebendienst und ETH Zürich wollen Geothermie sicherer machen

Geschrieben von: Stefan Schmid (sts)
Teaserbild-Quelle: Stadt St. Gallen

Der Schweizerische Erdbebendienst und die ETH Zürich wollen die Geothermie sicherer machen. Möglich machen soll dies eine neue Software und die Rechenleistung von Supercomputern. In Island wurden bereits erste geothermischen Tests durchgeführt, weitere folgen im Bedretto Labor.

Geothermische Anlage Kraftwerk Hellisheidi

Quelle: Kraftwerk Hellisheidi

In Gebieten mit vulkanischer Aktivität sind die Voraussetzungen für den Betrieb geothermischer Anlagen ideal. In Island leistet das Kraftwerk Hellisheidi einen wichtigen Beitrag bei der nachhaltigen Energienutzung.

Die Tiefen-Geothermie hat nach wie vor Potenzial. Davon geht die Energiestrategie 2050 aus. Während sich die unerschöpfliche Energiequelle in vulkanisch aktiven Gebieten entlang von Störungszonen der Erdkruste mit vergleichsweise geringem Aufwand anzapfen lässt, ist die Erschliessung auf den Kontinenten oft deutlich schwieriger und risikobehafteter. Denn die Geologie der Schweiz stellt für diese nachhaltige Energieproduktion gleich mehrfach erschwerte Bedingungen.

Wasserdurchlässigkeit des Gesteins verbessern

Zum einen muss man auf dem Gebiet der Schweiz vier bis fünf Kilometer tief bohren, um zu den entsprechend aufgeheizten Erdschichten zu gelangen. Erst in dieser Tiefe lassen sich Temperaturen zwischen 160 und 180 Grad Celsius erreichen, was für einen wirtschaftlich nutzbaren Wasserkreislauf erforderlich ist. Zum anderen stellt sich beim Gestein in diesen Tiefen das Problem der geringen Durchlässigkeit. «Wir brauchen eine Permeabilität von mindestens 10 Millidarcy, doch in vier bis fünf Kilometern Tiefe findet man typischerweise nur ein Tausendstel dieses Wertes», sagt Thomas Driesner, Professor am Institut für Geochemie und Petrologie der ETH Zürich.

Um die Durchlässigkeit zu verbessern, wird mit dem sogenannten «Klüften» unter Druck Wasser in den Untergrund gepumpt. Das Wasser wirkt gegen die Reibung, allfällige Bruchflächen verschieben sich gegeneinander und Spannungen lösen sich. Durch diese hydraulische Stimulation erweitern sich Brüche im Gestein, sodass das Wasser in der heissen Kruste zirkulieren kann. Die Brüche in der Erdkruste stammen von tektonischen Spannungen, in der Schweiz verursacht durch die Adriatische Platte, die sich nach Norden bewegt und gegen die Eurasische Platte drückt.

Bohrturm

Quelle: Stadt St. Gallen

Neben der Geothermie liesse sich das «Advanced Trafficlight System» auch beim Untertagebau oder bei Bauprojekten für die Speicherung von Kohlendioxid einsetzten.

Beben wegen Wasserinjektion

Der Nachteil solcher hydraulischer Stimulationen sind Erschütterungen, die zwar oft so schwach sind oder ohne Messinstrumente gar nicht wahrgenommen werden können. Doch bei den Geothermie-Projekten in St. Gallen 2013 und Basel 2016 war das nicht der Fall. In Basel wurden insgesamt etwa 11000 Kubikmeter Wasser ins Bohrloch gepumpt, wodurch der Druck anstieg. Anhand von statistischen Erhebungen wurden mit den Magnituden 2,4 und 2,9 zwar zwei Grenzwerte für die maximal erlaubte Stärke der erzeugten Erdbeben definiert. Sind diese erreicht, wird die Wasserzufuhr getoppt.

In Basel gab es jedoch nach einem lauten Knall eine Reihe von Erschütterungen, zeitlich verzögert kam es zu stärkeren Erdbeben, was die Bewohner aufschreckte. In beiden Städten verzeichnete man Erdbeben mit einer Magnitude grösser als 3. Seither ist klar, dass das Erreichen von Schwellenwerten zwar den Stopp der Wassereinleitung bestimmen, doch ist dadurch die Sicherheit während des eigentlichen Bohrvorgangs noch nicht gewährleistet.

Simulation während Stimulation

Der Schweizerische Erdebendienst SED und die ETH Zürich verfolgen nun einen neuen Ansatz, mit dem sich während einer hydraulischen Stimulation nahezu in Echtzeit vorhersagen lässt, ob im weiteren Verlauf spürbare Erdbeben zu erwarten sind. Möglich machen soll dies das auf Gesteinsphysik basierende sogenannte «Advanced Trafficlight System», einer vom SED entwickelten Software, welche auf einem Hochleistungsrechner die Analyse ausführt.

Dabei messen Geophone rund um das Bohrloch die Bodenschwingungen, die als Indikatoren für die Wahrscheinlichkeit spürbarer Erdbeben dienen. Mit dem Supercomputer werden dann Millionen möglicher Szenarien durchspielt, ausgehend von der zu erwartenden Anzahl und Art der Brüche, der Reibung sowie von Spannungen im Gestein. Schliesslich lässt sich jenes Szenario herausfiltern, welches den Untergrund am besten widerspiegelt.

Weitere Tests im Berg

Allerdings fehlt es der Forschung zurzeit noch an realen Testmöglichkeit des Systems, denn vor den Berechnungen auf dem Supercomputer müssen Fehlmessungen eliminiert und ein bestimmtes Datenformat eingehalten werden. Erste Tests wurden letztes Jahr in Island durchgeführt, im Spätsommer sollen im geothermischen Bedretto Labor weitere folgen. Zwischen der Erhöhung der Durchlässigkeit von Gesteinsschichten und einer adäquaten Wasserzufuhr ist nun ein Optimum zu finden.

Der neue Ansatz könnte die Geothermie sicherer machen und dieser Energiequelle letztlich wieder zu mehr Akzeptanz verhelfen. Anwendungsbereiche sieht die Forschung auch überall dort, wo künstlich verursachte Erdbeben entstehen können wie im Untertagebergbau oder bei der Speicherung von Kohlendioxid im Untergrund. (mgt/sts)

Geschrieben von

Redaktor Baublatt

Seine Spezialgebiete sind wirtschaftliche Zusammenhänge, die Digitalisierung von Bauverfahren sowie Produkte und Dienstleistungen von Startup-Unternehmen.

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