08:37 BAUPRAXIS

Schweizer Bautagung: Roboter und 3D-Druck sind auf dem Vormarsch

Geschrieben von: Claudia Bertoldi (cb)
Teaserbild-Quelle: Empa

Robotik und 3D-Druck haben längst in der Baubranche Einzug gehalten. Doch noch immer sind sie selten anzutreffen, handwerkliche Tätigkeiten habendie Oberhand. Künftigkönnte die Robotik nicht zuletzt dazu beitragen, den Arbeitskräftemangel auf den Baustellen zu reduzieren.

DFAB House auf dem Nest-Gelände der Empa und Eawag in Dübendor

Quelle: Empa

Bau des DFAB House auf dem Nest-Gelände der Empa und Eawag in Dübendorf. Für den Einbau der Bewehrung waren Roboter im Einsatz.

Roboter arbeiten in vielen Bereichen der Industrie bereits autonom und ersetzen die menschliche Arbeitskraft. Vor allem körperlich schwere, gefährliche und monotone Arbeiten werden von digital gesteuerten Maschinen übernommen, die diese Tätigkeiten schneller, sicherer und nicht zuletzt auch billiger bewältigen können. Vor allem in China, den USA und Japan hat die Robotik neben der Arbeitswelt längst auch in vielen Bereichen des privaten Lebens Einzug gehalten.

In grösseren Unternehmen der metall- und holzverarbeitenden oder Automobilindustrie, im Maschinenbau oder der Elektroindustrie gehören Roboter inzwischen zum Standard. Viele mittelständische Unternehmen sind angesichts der hohen Investitionskosten auf dem Gebiet noch im Verzug. In vielen Fällen rentiert sich der Einsatz der Robotertechnik bisher aufgrund geringer Mengen und oft wechselnder Modelle nicht.

Das Baugewerbe hat viel Potenzial

Das Baugewerbe hinkt den anderen Branche indes noch weit hinterher, obwohl sich gerade hier wegen der körperlich schweren Arbeit und dem zunehmenden Nachwuchsmangel der Einsatz von Robotern geradezu anbietet. Viele der noch heute von Arbeitern ausgeführten Tätigkeiten könnten in Zukunft von den Maschinen übernommen werden.

Dies bedeutet nicht, dass der Bauarbeiter zukünftig auf der Baustelle überflüssig sein wird. Aber sein Aufgabengebiet wird sich in Zukunft verändern. Der Mensch wird zunehmend vom ausführenden Part in die Position des Auftragserteilenden wechseln, vor allem, wenn standardisierte, gefährliche und monotone Arbeiten anstehen. Doch für qualifizierte Arbeiten werden auch weiterhin Arbeiter mit Erfahrung und Geschick nötig sein.

Robotik ist keine Bedrohung

«Robotik ist ein Meilenstein der digitalen Transformation. Heutzutage können Roboter bereits mehr Tätigkeiten als Menschen verrichten», sagt Zafer Bakir, Leiter Digitalisierung des Schweizer Baumeisterverbandes (SBV). Er ermöglichte an der Schweizer Bautagung «Robotik am Bau» am Campus Sursee einen Einblick in die Geschichte der Robotik.

Der heute gebräuchliche Begriff Roboter entstammt ursprünglich dem 1920 veröffentlichtem Theaterstück «R.U.R.» des Tschechen Karel Čapek. Auch später wurden Roboter in der Literatur und im Film zumeist als menschenähnliche Maschinen dargestellt, die dem Menschen als Helfer zur Seite gesteht, oft aber auch zur Bedrohung wurden.

Einen Blick in die Zukunft mit Szenarien und Prognosen zeigt hingegen, dass die Roboter auf einem breiteren Gebiet zum Einsatz kommen werden als in der heutigen Zeit, in der sie in der Produktion und beim Transport von Material und Werkstücken oder als Serviceroboter für Dienstleistungen anzutreffen sind. Im Bauwesen ist es inzwischen möglich, Gebäude zu einem grossen Teil digital erstellen zu lassen.

DFAB House auf dem Nest-Gelände in Dübendorf

Quelle: Empa

DFAB House auf dem Nest-Gelände der Empa und Eawag in Dübendorf.

Das Bauen in der Zukunft

Ein bekanntes Beispiel ist das «DFAB House» auf dem Nest-Gelände in Dübendorf, das weltweit erste Wohnhaus, das nach digitalen Verfahren entworfen, geplant und gebaut wurde. Was hier vor allem zu Forschungszwecken entwickelt wurde, ist zukunftweisend. Das Modul wurde überwiegend mithilfe von Robotern und 3D-Druckern gebaut.

Durch Bauroboter wurden die einzelnen Elemente auf der Baustelle fabriziert, zugeschnitten und verschweisst. Die Geschossdecke mit einer komplexen Ornamentstruktur wurde in Schalteilen ausgossen, die im 3D-Sanddruckverfahren gefertigt wurden. Auch die Stahlbetonpfosten wurden mit einem digital gesteuerten Verfahren fabriziert. Die Holzmodule für die Obergeschosse fertigten und positionierten ebenfalls Roboter. Dennoch kam der Bau nicht ganz ohne Bauarbeiter aus.

Roboter auf dem Bau

Oft ist es nicht zu erkennen, aber auf vielen Baustellen sind bereits Roboter oder ihre Produkte im Einsatz. Abbruch- und Rückbaubagger gehören zur niedrigsten Form der Roboter. Sie müssen für ihren Einsatz programmiert und gesteuert werden. Totalstationen zum raschen Auf- und Einmessen von Punkten sorgen für Präzision am Bau und können mit automatischer Zielerfassung oder -verfolgung ausgestattet werden. Doch auch sie müssen von Personen programmiert werden. Industrieroboter sorgen für die massgenaue Produktion von Fertigteilen - sie sind ebenso programmiert.

«Die Intelligenz dieser Maschinen ist noch gering. Sie führen nur Arbeiten aus, die vom Mensch vorprogrammiert werden», so Zafer Bakir. Doch bereits jetzt existierten Maschinen auf dem Markt, die in die Zukunft weisen: So erkennen beispielsweise autonom agierende Walzen von Hamm mittels eines HCQ-Navigators die Einhaltung der Vorgaben für die Verdichtung.

Das neue Modul ermöglicht, den Verdichtungsfortschritt in Echtzeit auch aus der Ferne zu verfolgen. Bauleiter können sich so jederzeit umfassend über den Baufortschritt informieren und wenn nötig die Prozesse aus dem Büro Prozesse steuern. In einem deutschen Steinbruch ist bereits seit drei Jahren ein ferngesteuerter Walzenzug im Einsatz.

Beim Bau es «DFAB House» auf dem Nest-Gebäude der Empa und Eawag in Dübendorf kam ein stationärer Armierungsroboter zum Einsatz. «Diese Roboter wurden bisher nur in geschützten Bereichen bei der Erstellung besonderer Formen erprobt“, erklärt Bakir. Der Gedanke, dass in Zukunft Roboter das zeitaufwendige, monotone Zusammensetzen von Bewehrungsmatten übernehmen, würde sicher viele Bauarbeiter begeistern.

Ornamentedecke im DFAB House

Quelle: Empa

Ornamentedecke im DFAB House auf dem Nest-Gelände.

Ferngesteuert arbeiten

Auch bei der Qualitätskontrolle ist Robotik im Einsatz. Totalstationen erleichtern den Übergang von herkömmlichen analogen Vermessungsverfahren zu digitalen Techniken, die für moderne BIM-Prozesse notwendig sind.Entwürfe können so schnell abgesteckt werden.Die Robotersammeln die Bestandsdaten im Feld, ermöglichen gleichzeitig eine hohe Genauigkeit und helfen, Fehler zu vermeiden.

Und wer hat ihn nicht schon in einer Reportage im Einsatz gesehen, den Guardian GT Robot von Sarcos? Der Raupen-Roboter scheint einem Science-Fiction-Film zu entstammen. Doch seine langen ferngesteuerten Greifarme kommen zum Einsatz, wenn es für den Menschen zu gefährlich wird.

Mit der Fernbedienung steuert der Operator auch aus weiter Distanz die Arme, die wie ein Mensch praktisch alle Maschinen bedienen, gleichzeitig aber enorme Gewichte von bis zu einer halben Tonne heben können. Der Roboter kann montieren, abbauen, aufräumen und vieles mehr. Sein Bediener wird über die Kameras des Systems informiert, deren Bilder auf eine VR-Brille übertragen werden.

«Nicht alle Entwicklungen sind relevant, doch viele haben grosses Potenzial, in Zukunft die Arbeit auf den Baustellen zu erleichtern. Dennoch bin ich überzeugt, dass der Baumeister selbst auch in Zukunft noch lange im Mittelpunkt der Bautätigkeiten stehen wird“, betont Digitalisierungsexperte Bakir.

Swisscom-Schacht aus dem 3D-Beton-Drucker

Quelle: Creabeton Matériaux AG

Der Swisscom-Schacht aus dem 3D-Beton-Drucker.

Form frei wählbar

Seit 2015 beschäftigt sich das Unternehmen Creabeton Matériaux AG in Lyss BE intensiv mit dem 3D-Druck. Nach der Studie der verschiedenen Technologien und der Klärung der Ziele und Finanzierung wurde 2017 mit der Entwicklung eines Sechs-Achsen-Roboters begonnen. Bereits ein Jahr später starteten Pilotprojekte.

Doch bis es soweit war, mussten vielen Fragen, vor allem bezüglich des Materials geklärt werden. «Beton in konventioneller Mischung ist kein besonderes Material. Doch um ihn für den 3D-Druck nutzbar zu machen, muss er grundlegenden Ansprüchen entsprechen», erklärt David Maier, Spezialist Betontechnologie bei Creabeton Matériaux.

Da Beton kein Material sei, das sich gerne in eine freie Form bringen lässt, müssten die Eigenschaften dementsprechend angepasst werden, unter anderem die Pumpbarkeit, die Standfestigkeit des Materials bei Austritt aus der Düse, die homogene Qualität sowie gleichbleibende Materialbeschaffenheit. Die gleichbleibende Materialqualität ist wiederum von der Qualität der Rohstoffe, deren Feuchtegehalt, der Druckgeschwindigkeit beim Pumpen und den Umgebungsbedingungen sowie der Form und Grösse des zu fertigenden Elements abhängig. Mittels Sensorik können diese Parameter überwacht werden.

In einem ersten Feldversuch entstanden 2018 Bauteile mit einer Seitenlänge von 130 Zentimetern und einem Meter Höhe. Sie können innerhalb 45 Minuten gedruckt und direkt in die Baugrube versetzt werden. Im Anschluss wurde die Fertigung verlorener Schalungen für Stützelemente erfolgreich erprobt, danach der 3D-Druck konischer Schachtabdeckungselemente mit einem Durchmesser von bis zu 1,40 Metern. Sie können innerhalb von rund 50 Minuten gefertigt werden. Inzwischen ist die Herstellung grossformatiger Bauteile bis zu 3,5 Tonnen Gewicht innerhalb von fünf Stunden möglich.

Swisscom-Schacht aus dem 3D-Drucker

Quelle: Creabeton Matériaux AG

In der Pilotphase wurde erste Bauteile im 3D-Druck gefertigt. Die quadratischen Schachtelemente sind in gut 45 Minuten fertiggestellt.

Gestalterische Freiheit und Individualität

«Anwendungsspezifisch optimierte Roboter werden dem 3D-Druck im Bau die Türen zur industriellen Produktion öffnen», betont Walter Zulauf von der Güdel Group AG, Langenthal BE. Das Unternehmen ist Hersteller von hochpräzisen Maschinenkomponenten und Anbieter anspruchsvoller Automatisierungslösungen und fertigt auch Robotik-Komponenten für den 3D-Druck.

Die Gestaltungsfreiheit und «form follows function» seien die Zukunft des Bauens. Der 3D-Druck ermögliche dabei die materialsparende und kosteneffiziente Herstellung der Bauteile. Weltweit laufen Projekte, bei denen die Roboter zum Einsatz kommen, unter anderem für die modulare Vorfertigung im Haus- und Verkehrsbau. Beim Print seien bereits Fertigungsgenauigkeiten von bis zu einem Millimeter möglich.

Doch neben der Vorteile wie gestalterische Freiheit und Individualität sowie den günstigeren Herstellungskosten und geringerem zeitlichen Aufwand für die Schalung sei heute der Bereich der Bewehrung der 3D-gedruckten Bauteile im industriellen Massstab noch nicht geklärt. Der umfassende Markterfolg dieser Technik werde sich erst dann einstellen, wenn die Bewehrungstechniken gelöst seien. «Zukünftige Roboter für den 3D-Druck in der Bauindustrie werden mit hybrider Prozesstechnologie ausgerüstet sein. Stahlbewehrung und Beton werden im Wechsel schichtweise aufgebaut werden.

Technologien die für die Bewehrungsarbeiten zum Einsatz kommen könnten, sind bereits heute im Einsatz wie das «Wire Arc Additive Manufacturing». Das Fertigungsverfahren nutzt Lichtbogenschweissen zum schichtweisen Aufbau des Bauteils. Ein Metalldraht wird mithilfe eines Schweissbrenners punktgenau verschmolzen. Damit können komplexe Strukturen oder Hohlräume gefertigt werden, die im Anschluss durch Fräsen bearbeitet werden.

Schneller und sehr genau bauen

Auf Vorfertigung mit Hilfe der Robotik setzt die Saredi AG aus Küssnacht SZ. Das Bauunternehmen nutzt für seine schnelle und präzise Baustellenabwicklung vorfabrizierten, geklebten Backsteinelementen der Tripema AG.

2017 wurde die moderne Produktionsstätte der Tripema AG in Reichenburg SZ in Betrieb genommen. Die Wandelemente mit einer Stärke von 12,5 bis 20 Zentimetern werden in vollautomatisierter Fertigung hergestellt. Das garantiert eine gleichbleibende, geprüfte Qualität und ermöglicht gleichzeitig eine hohe Quantität. Bis zu 250 Quadratmeter Backsteinwände können pro Schicht mit einem patentierten Trockenkleber zusammengestellt werden. Der kontinuierliche Materialnachschub ist so abgesichert.

Vorfertigung mit Portalroboter in der Erne AG Holzbau

Quelle: Claudia Bertoldi

Die robotergesteuerte Vorfertigung von Dachelemente mit Hilfe des Portalroboters in der Erne AG Holzbau garantiert die massgerechte Fertigung und ermöglicht komplexe Konstruktionen.

Im Nachbarland Österreich besonders erfolgreich

«Vor allem in Österreich sind die Backsteinelemente erfolgreich im Einsatz. Europaweit wurden bisher zirka 1,2 Millionen Quadratmeter verbaut», berichtet Sergio Minelli, Leiter Produktion der Saredi AG. Das Unternehmen nutzte die Elemente unter anderem für die Projekte Bellevue & Hotel Apartment Chedi Andermatt und Zentrum Cereneo Hertenstein Weggis sowie beim Umbau des Park Hotels Viznau.

Die vorgefertigten, von der Empa geprüften Elemente eignen sich besonders dort, wo es schnell gehen muss. Sie werden wie im Holzbau fertig palettiert auf die Baustelle geliefert und können innerhalb kürzester Zeit mit dem Kran gestellt werden.

«Das Versetzen ist sehr einfach und schnell zu handhaben. Der genaue Standort wird eingezeichnet, das Wandelement ins vorbereitete Mörtelbett eingepasst und befestigt, alles kontrolliert und danach die Fugen mit Spezialkleber geschlossen. Das alles dauert nur wenige Minuten», erklärt Minelli. Weitere Pluspunkte des Verfahrens: flexibel, gut koordinierbar sowie sauber.

Die Backsteine sind aufgrund des maschinellen Fertigungsprozesses exakt aufeinander platziert. Der Trockenkleber verhindert Unebenheiten, somit ist weniger Aufwand beim Verputz nötig. Durch die robotergesteuerte Vorfertigung sind zudem massgenaue Schrägschnitte für Giebel oder spezielle Fensterformen möglich.

Höherer Planungsaufwand nötig

Um die Produktion mit Robotern durchzuführen, müssen vor dem ersten Zuschritt alle Masse und Details exakt festgelegt sein. «Dies erfordert einen zeitlich wesentlich grösseren Planungsvorlauf. Denn bereits bei der Planung werden die Masse der Fenster- und Türöffnungen festgelegt und Detailpläne angefertigt, die nach einem Abgleich für die Produktion freigegeben werden», so Minelli.

Über 50 000 Quadratmeter vorgefertigte Elemente hat das Unternehmen inzwischen gesetzt. Auf dem Schweizer Markt sei der Anteil der Gebäude, die in Backstein-Fertigteilbauweise erstellt werden, noch sehr gering. Doch Minelli sieht ein grosses Potenzial in dieser Technologie:«Unsere Erfahrungen haben uns überzeugt. Das Bauen mit vorgefertigten Elemente hat Zukunft.»

Geschrieben von

Ehemalige Redaktorin Baublatt

Claudia Bertoldi war von April 2015 bis April 2022 als Redaktorin beim Baublatt tätig. Ihre Spezialgebiete waren Architektur- und Technikthemen.

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