Schotter-Herstellung für die Bahn mit Dynamit und Schwerkraft
Die Eisenbahn braucht für ihre Gleise Schotter aus einem besonders harten Gestein. So hart, dass beim Abbau brachiale Methoden verwendet werden: Erst wird gesprengt, und dann lässt man per Bagger eine fünf Tonnen schwere Fallkugel aus Eisen auf die Felsstücke fallen, um diese zu zerkleinern. Ein Augenschein im Steinbruch Balmholz am Thunersee.
Quelle: Avesco
Rund, hart, schwer: Diese Fallkugel war elf Jahre im Einsatz, wobei sie die Hälfte ihres Gewichts und Umfangs eingebüsst hat.
Eisenbahnen sind schnell und schwer. So
bringt zum Beispiel der FV-Dosto-Doppelstöcker der SBB rund 470 Tonnen auf die
Waage, bei einer Höchstgeschwindigkeit von 200 Stundenkilometern. Entsprechend
muss die Unterlage für solche Belastungen extrem stabil konstruiert sein. Schon
seit dem 19. Jahrhundert hat sich dabei Schotter als Oberbau für den
Gleiskörper bewährt (siehe Kasten «Schotter, Split und Schroppen»). Er ist
robust, elastisch und kann nach ein paar Jahrzehnten Einsatz saniert werden.
Verwendet wird für den Gleisbau Schotter
aus besonders hartem Gestein, vor allem Granit, Basalt und Grauwacke. Die
Bundesbahnen benötigen davon pro Jahr rund 600'000 Tonnen, wovon der grösste
Teil in der Schweiz selbst eingekauft wird. Zum Beispiel bei der Hartsteinbruch
AG Balmholz, in der Gemeinde Beatenberg am Thunersee beheimatet.
Stahlgrau und scharfkantig
Hier wird seit den 1920ern Kieselkalk
abgebaut, gemäss Homepage ein «stahlgraues bis schwarzgraues Hartgestein mit
scharfkantigem Bruch, hoher Druck- und Abriebfestigkeit sowie sehr guter
Verwitterungsbeständigkeit». Für die Bahn wird er in Grössen von 32 bis 50
Millimeter gebrochen, wofür auch brachiale Methoden nötig sind.
Zwar kommen handelsübliche Brecher zum
Einsatz, um den Schotter am Ende auf seine endgültige Grösse zu bringen. Doch
die Felsbrocken, die mit Dynamit aus der Wand gesprengt werden, sind oft zu
gross für den Brecher. Hydraulische Meissel wiederum sind hier nicht brauchbar,
da der Verschleiss viel zu hoch wäre.
Quelle: Ben Kron
Schotterabbau im Steinbruch Balmholz: Ist das Material genügend gebrochen, wird es per Radlader zum Brecher abtransportiert.
Seit 1995 im Einsatz
Ein Fall für die Schwerkraft, in Form einer
Fallkugel: Dies ist eine speziell widerstandsfähig geschweisste Eisenkugel. Ein
für diesen Einsatz umgebauter Bagger ergreift diese Kugel, lässt sie mit
ausgestrecktem Ausleger auf den Felsbrocken fallen und sprengt diesen so
auseinander. Bei Bedarf wird der Vorgang so lange wiederholt, bis das Material
ausreichend gebrochen ist, um abtransportiert und im Brecher weiterverarbeitet
zu werden.
Im Steinbruch Balmholz setzt man laut
Geschäftsführer Daniel Haldimann schon seit 1995 auf die Fallkugel. «Früher
wurden die Felsbrocken durch weitere Sprengungen zerkleinert, was aber
wesentlich aufwendiger und teurer war.» Vor zwei Jahren wurde für die Arbeit
mit der Fallkugel ein neuer Hydraulikbagger der Reihe «Cat 352» angeschafft.
Mit dem Schiff kam die neue Maschine über den Thunersee an ihren neuen
Einsatzort.
Dicke Polsterung gegen Splitter
Vor Ort wurde der Bagger in Zusammenarbeit
mit Avesco umgebaut: In die Schaufel wurden zwei Schienen geschweisst, um die
Kugel kontrolliert loslassen zu können. Der 56 Tonnen schwere Bagger erhielt
zudem eine Reihe von Verstärkungen und Schutzmassnahmen, sowohl für den
Baggerführer als auch für empfindliche Bauteile wie Hydraulikschläuche. Der Cat
ist mit zahlreichen Gummimatten gepolstert und die Kabine mit einer dicken
Plexiglasscheibe geschützt, denn beim Aufprall der Eisenkugel lösen sich
zahlreiche Steinsplitter. Deshalb darf sich beim Einsatz der Kugel im Umkreis
von 50 Metern niemand aufhalten.
Der Bagger, der die Kugel auf eine Höhe von
vier bis fünf Stockwerken heben kann, steht jeweils von März bis Dezember im
Einsatz und bringt es dabei auf mehr als tausend Stunden Einsatzzeit. Im Winter
ruht die Produktion im Steinbruch weitgehend und der Maschinenpark kann
revidiert werden.
Das Spektakel in Bildern: Auf eine Höhe von vier bis fünf Stockwerken hebt der «Cat 352» die Kugel und lässt sie dank in die Schaufel geschweissten Schienen präzise fallen. Die 1,2 Tonnen schwere Kugel knallt auf den Felsbrocken, der in zahlreiche Brocken zerfällt.
Gleisschotterbettreinigungsmaschine
Bei den SBB werden im Übrigen zwei Drittel
des jährlich benötigten Schotters für Fahrbahnerneuerungen verwendet, für eine
Strecke von jeweils rund 230 Kilometern. Eine Erneuerung wird im Schnitt alle
dreissig bis vierzig Jahre nötig, wobei der Schotter teilweise oder ganz
ersetzt wird. Wo möglich, wird das Material mit einer 300 bis 600 Meter
langen Spezialmaschine gereinigt, gebrochen, gesiebt, und direkt auf der
Maschine wieder ins Gleisbett eingebaut, dessen Steinschicht 20 bis 40
Zentimeter stark ist. Gleisschotterbettreinigungsmaschine heisst das Teil.
Insgesamt liegen auf den 3236 Kilometern
Streckennetz der SBB heute rund 20 Millionen Tonnen Schotter. Zum Vergleich:
Die Gesamtproduktion der AG Balmholz, die neben Schotter noch vieles Weitere
produziert, lag vor zwei Jahren bei 250'000 Tonnen. Nur etwas mehr als vier
Tonnen, bei einem Umfang von einem Meter, wiegt dagegen die Fallkugel, die in
Deutschland hergestellt wird. Den Rest erledigen die 9,81 Meter pro
Quadratsekunde Erdanziehungskraft, und die hinterlassenen Spuren. So musste
die letzte Kugel nach rund elf Jahren im Einsatz ersetzt werden: Wegen des
Abriebs hatte sie die Hälfte ihres Gewichts und Umfangs verloren.
Quelle: Avesco
Der Steinbruch Balmholz am Thunersee ist einer der wenigen in der Schweiz, der Bahnschotter für die SBB abbaut.
Schotter, Split und Schroppen
Der Begriff Schotter bezeichnet im Bauwesen
kantiges, gebrochenes Gestein mit einer Korngrösse von 32 bis 63 Millimetern.
Bei Gestein derselben Grösse, aber mit runden Formen, spricht man von Kies.
Kantiges Gestein von kleinerer Korngrösse (2 bis 32 Millimeter) wird Split
genannt, bei noch geringerer Grösse sprechen wir von Gesteinsmehl. Und der
Vollständigkeit halber: Brocken von mehr als 63 Millimetern Grösse heissen Schroppen.
Schottergestein fällt teilweise als Abfall
in Steinbrüchen an, bei verschiedenen Abbauarten, sowie beim Einsatz von
Brechern. Das Material kommt fast ausschliesslich beim Bau von Verkehrs-wegen
zum Einsatz, so zum Beispiel auf den berüchtigten Schotterstrassen, und in
erster Linie beim Gleisbau.
Beim Eisenbahnbau wird besonders harter
Schotter seit dem 19. Jahrhundert als Oberbau für die darauf liegenden
Schwellen und Gleise verwendet. Die kantigen Steine bilden eine elastische
Schicht, welche alle statischen und dynamischen Belastungen gleichmässig auf
den starren und stabilen Unterbau überträgt. Das heisst: Das Material nimmt die
Schwingungen auf, die durch darüber fahrende Züge entstehen, und dämmt somit
auch das Fahrgeräusch. Zudem ist es unempfindlich für Belastungen, die durch
Nässe und Frost entstehen, da das Wasser gut abfliessen kann. (bk)
Quelle: Avesco
Die Fahrerkabine ist mit dicken Plexiglas und einem Steinschlagschutz ausgerüstet.
Quelle: Avesco
Auch empfindliche Teile der Maschine, zum Beispiel Schläuche und Leitungen, müssen vor herumfliegenden Steinsplittern geschützt werden.