11:55 BAUPRAXIS

Schotter-Herstellung für die Bahn mit Dynamit und Schwerkraft

Geschrieben von: Ben Kron (bk)
Teaserbild-Quelle: Avesco

Die Eisenbahn braucht für ihre Gleise Schotter aus einem besonders harten Gestein. So hart, dass beim Abbau brachiale Methoden verwendet werden: Erst wird gesprengt, und dann lässt man per Bagger eine fünf Tonnen schwere Fallkugel aus Eisen auf die Felsstücke fallen, um diese zu zerkleinern. Ein Augenschein im Steinbruch Balmholz am Thunersee.

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Quelle: Avesco

Rund, hart, schwer: Diese Fallkugel war elf Jahre im Einsatz, wobei sie die Hälfte ihres Gewichts und Umfangs eingebüsst hat.

Eisenbahnen sind schnell und schwer. So bringt zum Beispiel der FV-Dosto-Doppelstöcker der SBB rund 470 Tonnen auf die Waage, bei einer Höchstgeschwindigkeit von 200 Stundenkilometern. Entsprechend muss die Unterlage für solche Belastungen extrem stabil konstruiert sein. Schon seit dem 19. Jahrhundert hat sich dabei Schotter als Oberbau für den Gleiskörper bewährt (siehe Kasten «Schotter, Split und Schroppen»). Er ist robust, elastisch und kann nach ein paar Jahrzehnten Einsatz saniert werden.

Verwendet wird für den Gleisbau Schotter aus besonders hartem Gestein, vor allem Granit, Basalt und Grauwacke. Die Bundesbahnen benötigen davon pro Jahr rund 600'000 Tonnen, wovon der grösste Teil in der Schweiz selbst eingekauft wird. Zum Beispiel bei der Hartsteinbruch AG Balmholz, in der Gemeinde Beatenberg am Thunersee beheimatet. 

Stahlgrau und scharfkantig

Hier wird seit den 1920ern Kieselkalk abgebaut, gemäss Homepage ein «stahlgraues bis schwarzgraues Hartgestein mit scharfkantigem Bruch, hoher Druck- und Abriebfestigkeit sowie sehr guter Verwitterungsbeständigkeit». Für die Bahn wird er in Grössen von 32 bis 50 Millimeter gebrochen, wofür auch brachiale Methoden nötig sind.

Zwar kommen handelsübliche Brecher zum Einsatz, um den Schotter am Ende auf seine endgültige Grösse zu bringen. Doch die Felsbrocken, die mit Dynamit aus der Wand gesprengt werden, sind oft zu gross für den Brecher. Hydraulische Meissel wiederum sind hier nicht brauchbar, da der Verschleiss viel zu hoch wäre.

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Quelle: Ben Kron

Schotterabbau im Steinbruch Balmholz: Ist das Material genügend gebrochen, wird es per Radlader zum Brecher abtransportiert.

Seit 1995 im Einsatz

Ein Fall für die Schwerkraft, in Form einer Fallkugel: Dies ist eine speziell widerstandsfähig geschweisste Eisenkugel. Ein für diesen Einsatz umgebauter Bagger ergreift diese Kugel, lässt sie mit ausgestrecktem Ausleger auf den Felsbrocken fallen und sprengt diesen so auseinander. Bei Bedarf wird der Vorgang so lange wiederholt, bis das Material ausreichend gebrochen ist, um abtransportiert und im Brecher weiterverarbeitet zu werden. 

Im Steinbruch Balmholz setzt man laut Geschäftsführer Daniel Haldimann schon seit 1995 auf die Fallkugel. «Früher wurden die Felsbrocken durch weitere Sprengungen zerkleinert, was aber wesentlich aufwendiger und teurer war.» Vor zwei Jahren wurde für die Arbeit mit der Fallkugel ein neuer Hydraulikbagger der Reihe «Cat 352» angeschafft. Mit dem Schiff kam die neue Maschine über den Thunersee an ihren neuen Einsatzort.

Dicke Polsterung gegen Splitter

Vor Ort wurde der Bagger in Zusammenarbeit mit Avesco umgebaut: In die Schaufel wurden zwei Schienen geschweisst, um die Kugel kontrolliert loslassen zu können. Der 56 Tonnen schwere Bagger erhielt zudem eine Reihe von Verstärkungen und Schutzmassnahmen, sowohl für den Baggerführer als auch für empfindliche Bauteile wie Hydraulikschläuche. Der Cat ist mit zahlreichen Gummimatten gepolstert und die Kabine mit einer dicken Plexiglasscheibe geschützt, denn beim Aufprall der Eisenkugel lösen sich zahlreiche Steinsplitter. Deshalb darf sich beim Einsatz der Kugel im Umkreis von 50 Metern niemand aufhalten.

Der Bagger, der die Kugel auf eine Höhe von vier bis fünf Stockwerken heben kann, steht jeweils von März bis Dezember im Einsatz und bringt es dabei auf mehr als tausend Stunden Einsatzzeit. Im Winter ruht die Produktion im Steinbruch weitgehend und der Maschinenpark kann revidiert werden.

Das Spektakel in Bildern: Auf eine Höhe von vier bis fünf Stockwerken hebt der «Cat 352» die Kugel und lässt sie dank in die Schaufel geschweissten Schienen präzise fallen. Die 1,2 Tonnen schwere Kugel knallt auf den Felsbrocken, der in zahlreiche Brocken zerfällt.

Gleisschotterbettreinigungsmaschine 

Bei den SBB werden im Übrigen zwei Drittel des jährlich benötigten Schotters für Fahrbahnerneuerungen verwendet, für eine Strecke von jeweils rund 230 Kilometern. Eine Erneuerung wird im Schnitt alle dreissig bis vierzig Jahre nötig, wobei der Schotter teilweise oder ganz ersetzt wird. Wo möglich, wird das Material mit einer 300 bis 600 Meter langen Spezialmaschine gereinigt, gebrochen, gesiebt, und direkt auf der Maschine wieder ins Gleisbett eingebaut, dessen Steinschicht 20 bis 40 Zentimeter stark ist. Gleisschotterbettreinigungsmaschine heisst das Teil.

Insgesamt liegen auf den 3236 Kilometern Streckennetz der SBB heute rund 20 Millionen Tonnen Schotter. Zum Vergleich: Die Gesamtproduktion der AG Balmholz, die neben Schotter noch vieles Weitere produziert, lag vor zwei Jahren bei 250'000 Tonnen. Nur etwas mehr als vier Tonnen, bei einem Umfang von einem Meter, wiegt dagegen die Fallkugel, die in Deutschland hergestellt wird. Den Rest erledigen die 9,81 Meter pro Quadratsekunde Erdanziehungskraft, und die hinterlassenen Spuren. So musste die letzte Kugel nach rund elf Jahren im Einsatz ersetzt werden: Wegen des Abriebs hatte sie die Hälfte ihres Gewichts und Umfangs verloren.

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Quelle: Avesco

Der Steinbruch Balmholz am Thunersee ist einer der wenigen in der Schweiz, der Bahnschotter für die SBB abbaut.

Schotter, Split und Schroppen

Der Begriff Schotter bezeichnet im Bauwesen kantiges, gebrochenes Gestein mit einer Korngrösse von 32 bis 63 Millimetern. Bei Gestein derselben Grösse, aber mit runden Formen, spricht man von Kies. Kantiges Gestein von kleinerer Korngrösse (2 bis 32 Millimeter) wird Split genannt, bei noch geringerer Grösse sprechen wir von Gesteinsmehl. Und der Vollständigkeit halber: Brocken von mehr als 63 Millimetern Grösse heissen Schroppen.

Schottergestein fällt teilweise als Abfall in Steinbrüchen an, bei verschiedenen Abbauarten, sowie beim Einsatz von Brechern. Das Material kommt fast ausschliesslich beim Bau von Verkehrs-wegen zum Einsatz, so zum Beispiel auf den berüchtigten Schotterstrassen, und in erster Linie beim Gleisbau.

Beim Eisenbahnbau wird besonders harter Schotter seit dem 19. Jahrhundert als Oberbau für die darauf liegenden Schwellen und Gleise verwendet. Die kantigen Steine bilden eine elastische Schicht, welche alle statischen und dynamischen Belastungen gleichmässig auf den starren und stabilen Unterbau überträgt. Das heisst: Das Material nimmt die Schwingungen auf, die durch darüber fahrende Züge entstehen, und dämmt somit auch das Fahrgeräusch. Zudem ist es unempfindlich für Belastungen, die durch Nässe und Frost entstehen, da das Wasser gut abfliessen kann. (bk)

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Quelle: Avesco

Die Fahrerkabine ist mit dicken Plexiglas und einem Steinschlagschutz ausgerüstet.

Schotterherstellung, Steinbruch Balmholz Cat 352

Quelle: Avesco

Auch empfindliche Teile der Maschine, zum Beispiel Schläuche und Leitungen, müssen vor herumfliegenden Steinsplittern geschützt werden.

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Freier Mitarbeiter für das Baublatt.

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