Schmiedemuseum: Toggenburger Unikate in Bazenheid
Er war ein vielseitiger Schmied, Vater eines auf der Olma prämierten Spezial-Heuspatens, Entwickler eines ebenfalls begehrten Mähmessers und ein Unikum – Rupert Josef Meier aus Bazenheid SG. In seinem Museum leben längst vergessene Handwerkskünste weiter.
Mit gerade mal elf Jahren baute Rupert Josef Meier ein Radio. Das war 1936. Auf Hochzeitsreise ging’s nach Italien und dort natürlich zum Patentamt. Davon erzählt eine Urkunde des «Ministero dell’ industria e del commercio». Daneben Olma-Zertifikate über Neuheiten aus der Meierschen Schmiede, schweizweit bekannt und begehrt. Zu bestaunen sind sie allesamt in Bazenheid, in der Gemeinde Kirchberg, St. Gallen. Auch das winzige Radiogerät.
Ein Leben lang hat Meier getüftelt und weiterentwickelt. Zur 1200-Jahr-Feier des Dorfes präsentierte er 1980 die Geschichte der Familienschmiede in einer eigens erbauten Ausstellung. Bereits damals gehörte eine stattliche Sammlung von Handwerksexponaten dazu, die Meier Stück für Stück ergänzte. Viele Werkzeuge hat der Schmied dafür selbst hergestellt, fast komplette verlassene Werkstätten aus der Region übernommen und daheim wiederaufgebaut. Das Schmiede- und Werkzeugmuseum Bazenheid entstand.
Schmiede mit Riesenantenne
Markus Frick, Präsident des Fördervereins, hat den innovativen Schmied noch selbst erlebt: «Mein Schulweg führte direkt an der Schmiede vorbei.» Was dort alles erfunden und entwickelt wurde, das habe er als Bub allerdings nicht wirklich mitbekommen. Von seinen Eltern weiss er: «Die Meiers waren die ersten im Dorf, die ein Radio hatten, ein Telefon, ein Auto, ein Fernsehgerät, einen Computer, eine Digitalkamera. Sicher nicht, um Wohlstand zu präsentieren. Heute würde man sie wahrscheinlich einfach als Technik-Freaks bezeichnen.» Eine riesige Radio-Antenne ist neben der Schmiede auf einem alten Foto zu sehen. Die Bazenheider hätten immer was zum Staunen gehabt. Schon auf der Eisbahn, die Meiers Vater Rupert Philipp Meier seit den Wintern der 1930er Jahre im Riet angelegt hatte und die Dorfbevölkerung für 50 Rappen zum Pirouetten-Drehen einlud.
Faszination für Innovationen
Die Faszination an neuen Ideen und deren Realisierung war Rupert Josef wohl in die Wiege gelegt worden. Dabei habe er gar nicht Schmied werden wollen, lieber Elektriker oder Bäcker. Denn die Schleifarbeiten, die er als Jugendlicher im väterlichen Betrieb zu verrichten hatte, hätten ihm wenig Freude bereitet. Weil er aber den Vater nicht enttäuschen wollte, übernahm er die Schmiede in sechster Generation und musste sie 22-jährig bereits allein führen. Der Vater war zu schwach geworden für die schwere Arbeit.
1957 wurde zum Glücksjahr für den jungen Schmied. Auf der Olma in St. Gallen stellte er seinen Spezial-Heuspaten vor, auf dem Weg zum Münchner Oktoberfest lernte er seine spätere Frau Elfriede kennen. Nach der Olma wurde Meier mit begeisterten Bestellungen überhäuft. Sie hätten ihm eine jahrelange Herstellung des Spezial-Heuspatens garantiert. Meier hinterfragte jedoch jedes Werkzeug nach weiteren Verbesserungen. So arbeitete er auch an dieser Innovation beständig weiter – an Grösse und Form des Spatens wie auch am Ende der 1950er Jahre gemeinsam mit der Firma Gremolith entwickelten plastifizerten Griff. Mit seiner Firma Meba widmete er sich auch der Herstellung von Mähmaschinenmessern im grossen Stil.
Tag und Nacht gearbeitet
Tatkräftig unterstützt wurde er von seiner Frau Elfriede. Die Münchnerin hatte sich vor ihrer Ehe nicht vorstellen können, eines Tages in einer Schmiede zu arbeiten. Doch noch heute sprechen Nachbarn mit Respekt vom Fleiss der Meiers: «Die beiden haben von früh bis spät in der Schmiede geschuftet.» Nicht mal eine halbe Stunde lang hätten sie es auf ihrer Terrasse ausgehalten. Morgens um fünf habe die Frau bereits die Öfen angeheizt, bevor sie das Frühstück für die fünfköpfige Familie bereitete. Es brauchte viel Glut für täglich eine Tonne Eisen, die sie in den Jahren 1960 bis 1988 zu Gliedern von Förderketten für Schiffsentladungen stanzten, im Auftrag der grossen Firma Bühler Uzwil.
Sammler auf dem Heimweg
«Brachte Rupert Meier seine Heuspaten oder Mähmesser zu den Kunden, dann schaute er gern auf deren Estrich oder in die Scheunen und kam oft mit museumsreifen Werkzeugen zurück», berichtet Stiftungsratspräsident Emil Heuberger. Der findige Schmied setzte seine Trouvaillen wieder in Gang und ordnete sie gemeinsam mit Elfriede in die Sammlung ein.
Pneumatische Schmiedehämmer, Gesenkschmiedepressen, Elektroöfen und Krananlagen wurden für die Schmiedearbeit angeschafft. Der bis heute betriebsbereite Maschinen- und Anlagebestand stammt aus den Jahren 1920 bis 2000. «Ein Schatz», schwärmt Heuberger. Den pensionierten IT-Experten und Betriebswirtschaftler begeistert das breite Spektrum. «Haben Sie gewusst, wie viele Spezialschmiede es gab? Neben dem Werkzeugschmied den Rohr- und den Bauschmied, den Glocken-, Gesenk-, Hammer-, Ketten-, Sensen- oder den Kunstschmied.» Im Bazenheider Museum wird das eindrücklich durch zahlreiche Anwendungen geschmiedeter Werkzeuge präsentiert.
20 Tonnen aus dem Wallis
Stolz bringt Heuberger eine Pumpe und damit zwei Wasserräder in Gang. «Mit dem in einem Schacht gesammelten Wasser hat der Meier die alten Schmiedehämmer betrieben.» Schon stehen wir vor dem wohl grössten Ausstellungsstück, einem 20 Tonnen schweren Hammerwerk aus dem Wallis. Das stammt aus dem Jahr 1891 und war mehrmals durch Lawinengänge, Steinschläge und Erdrutsche zerstört worden. 1959 wurde das Monstrum an der Ausstellung «Heisses Eisen» im Technorama Winterthur gezeigt. «Danach sollte das Hammerwerk ins Landesmuseum in Zürich. Dort fand man nicht genügend Platz dafür.» Zum Glück engagierte sich der rastlose Rupert Meier: Er setzte das historische Hammerwerk 1996 in Bazenheid tatsächlich wieder in Betrieb.
Geschichte des Museums
Quelle: Ulrike Nitzschke
Signum, Toggenburger Schmiede- und Handwerksmuseum Bazenheid.
Die Schmiede in Bazenheid wurde 1924 von Rupert Philipp Meier gegründet und 1947 von dessem Sohn Rupert Josef Meier übernommen. Neben der Schmiede-Arbeit baute er gemeinsam mit seiner Frau Elfriede eine umfängliche Sammlung mit Werkzeugen sowie ein Toggenburger Handwerkspanorama auf. Nach seinem Tod suchte die Witwe nach einer Lösung zum Erhalt. 2010 liessen die Denkmalpflege des Kantons St. Gallen und die Gemeinde Kirchberg die Einrichtungen des Schmiedewerkes durch das Büro ARIAS-Industriekultur Winterthur dokumentieren. 2012 wurde die Stiftung Toggenburger Schmiede- und Werkzeugmuseum Bazenheid gegründet. Deren Zweck ist es, Liegenschaft und Sammelgut der Schmiedefamilie Rupert und Elfriede Meier der Öffentlichkeit als Museum zugänglich zu machen. Diese wurden als Schenkung der Familie an die Stiftung überführt. Die Stiftung ist im Handelsregister des Kantons St. Gallen eingetragen. Der Förderverein verantwortet den Museumsbetrieb. (un)
Ein Jahrhundert Technikgeschichte
Quelle: Ulrike Nitzschke
Leidenschaft für Meiers Sammlung: Markus Frick, Präsident des Fördervereins und Emil Heuberger, Stiftungsratspräsident (v.l.).
Der Maschinen- und Anlagebestand der Schmiede stammt aus den Jahren 1920 bis 2000. Die ebenfalls betriebsbereite Walliser Hammerschmiede entstand 1891. Das Handwerkspanorama gibt einen Einblick in die Vielfalt früherer Schmiedeberufe. Zudem sind Werkstätten verschiedenster Gewerke zu sehen: Schuhmacher, Schindelschneider, Dachdecker, Metzger, Balkenhauer, Wagner, Steinmetz, Küfer, Hafner, Ackerbauer, Müller und viele andere. Zu den Ausstellungen auf einer Gesamtfläche von rund 3000 Quadratmetern gehören auch eindrückliche Exponate aus der Unternehmensgeschichte der Bazenheider Familienschmiede. Das Leben des ideenreichen Schmieds, Tüftlers und Erfinders Rupert Josef Meier birgt ein Jahrhundert Technikgeschichte. Davon erzählen Bilder, Zeichnungen, Urkunden und Zertifikate sowie Werkzeuge aus Meiers Schmiede wie die begehrten Mähmesser, Förderkettenglieder und natürlich sein erster Spezial-Heuspaten und dessen Weiterentwicklungen. (un)