Schlierens jüngster «Sonyboy»
Früher schwitzten hier Fussballspieler – derzeit sind es Bauarbeiter. Bis März 2011 müssen sie mit dem neuen Hauptsitz der Firma Sony fertig sein, der auf dem alten Fussballplatz beim Bahnhof Schlieren entsteht. Etwas mehr Zeit bleibt ihnen für das Wohngebäude, das neben dem Bürobau entsteht und 73 Wohnungen enthält.
Von japanischer Hightech ist noch nicht viel zu sehen auf dem ehemaligen Fussballfeld unmittelbar beim Bahnhof Schlieren. Gerüste und Baukrane prägen das Bild des künftigen Schweizer Hauptsitzes des Elektronikkonzerns Sony, Paletten mit riesigen Glaselementen stehen auf dem Gelände. Aus ihnen wird in den kommenden Wochen die Fassade des Bürogebäudes zusammengebaut.
Drei Gebäude sollen dereinst auf dem rund 13 200 Quadratmeter grossen Grundstück stehen. In ihrer Mitte ist ein halböffentlicher Platz mit Wasserflächen, Spiel- und Sitzmöglichkeiten geplant. Zwei der Bauten werden im nächsten Jahr bezugsbereit sein: Das neue Sony-Hauptquartier, das parallel zu den Geleisen verläuft, sowie, etwas zurückversetzt, ein Wohngebäude mit 73 Wohnungen. In einer zweiten Etappe soll dann das dritte Gebäude realisiert werden. «Ziel ist es, Ende 2011 mit dem Bau zu beginnen», sagt Thomas Keller. Er ist Projektleiter bei der Immobiliendienstleisterin Colliers CRA AG, die das Grossprojekt entwickelt hat. Ob in dieser zweiten Etappe weitere Büroflächen oder aber Wohnungen realisiert werden, sei zurzeit noch offen.
Im Moment hat jedoch der Sony-Hauptsitz erste Priorität. Im März 2011 will der Elektronikriese seine neuen Räumlichkeiten in Beschlag nehmen, die keine 100 Meter vom heutigen Domizil des japanischen Konzerns an der Rütistrasse entfernt liegen. Der Bezugstermin stand schon fest, als sich Sony im November 2008 für den neuen Standort entschied. Damit blieben für die Planung und Realisierung des 55-Millionen-Projekts zwei Jahre und vier Monate Zeit – eine sportliche Vorgabe. «Nach drei Monaten stand der Projektentwurf», sagt Keller. Diesen hatte Colliers mit dem Architekturbüro Stegierconcept entwickelt. Danach galt es, das Vorhaben zur Baureife zu bringen und die Baubewilligung einzuholen.
«Die Gemeinde Schlieren war sehr kooperativ», sagt Keller. «Wir konnten diverse Details, zum Beispiel das Brandschutzkonzept, bereits vor der Eingabe klären.» Deshalb war es möglich, den Bau im Oktober 2009 – elf Monate nach dem Standortentscheid – unter der Leitung des Totalunternehmers Bevelopement in Angriff zu nehmen.
Derzeit scheint einer termingerechten Übergabe der Immobilie nichts im Weg zu stehen: Seit dem 15. Juli steht der Rohbau. Mitte August haben dieArbeiten an der Gebäudehülle begonnen. Andreas Bodmer, Projektleiter bei der Bevelopment AG,ist mit dem Baufortschritt zufrieden: «Bisher sind wir im Zeitplan, bis am 30. Oktober sollte die Ganzglasfassade komplett geschlossen sein.» Parallel dazu soll Anfang September der Innenausbau beginnen. Ein Teil der Haustechnik wird bereits eingebaut: «Die Heizschlangen sind beim Erstellen des Rohbaus direkt in den Beton eingelegt worden», sagt Bodmer. Zum Einsatz kommt ein thermoaktives Bauteilsystem (TABS). «Dieses Heizungssystem hat den Vorteil, dass im Sommer mit den gleichen Bauteilen auch gekühlt werden kann.» Seit rund drei Wochen seien die Haustechnikmonteure nun mit der Rohinstallation in den Steigzonen des minergiekonformen Bürogebäudes beschäftigt. Wie die gesamte Überbauung wird es mit Fernwärme beheizt werden.
Photovoltaik auf dem Dach
Fünf Etagen hat der neue Sony-Glaspalast. Er steht auf einem Sockel aus schwarzem Naturstein, der das Gebäude rund dreissig Zentimeter über den durchschnittlichen Grundwasserspiegel hebt. Im Parterre ist der Empfang untergebracht, die eigentlichen Büroflächen liegen im ersten Stock, Sitzungszimmer und ein Präsentationsraum im zweiten. Hier entsteht zudem ein langgezogenes Atrium, das von Sony für Kundenanlässe genutzt werden kann. Rund 3500 Quadratmeter stehen den Mitarbeitern des Konzerns damit zur Verfügung.
Drei weitere Etagen, die allerdings nicht mehr über die gesamte Gebäudefläche verlaufen, bieten noch einmal 1500 Quadratmeter Büroflächen. Diese werden an andere Firmen vermietet. Im obersten Geschoss ist die Gebäudetechnik untergebracht, auf dem Dach des Gebäudes wird eine Photovoltaik-Anlage realisiert werden.
Vom Sony-Gebäude und durch zusätzliche Lärmschutzwände vor dem Rauschen der Schnellzüge geschützt, entsteht das Wohngebäude. Es soll im Sommer 2011 bezugsbereit sein. Es wird ausschliesslich Mietwohnungen enthalten. «Für die Eigentümerin, die Gebäudeversicherung des Kantons Zürich,ist die Überbauung ein Anlageobjekt. Darum sind keine Eigentumswohnungen vorgesehen», sagt Keller.
Mit seinen weissen Lochblech-Balkonen und der verputzten Fassade ist das Gebäude äusserlich unscheinbarer als die Sony-Zentrale. Die 73 Wohnungen mit 2,5 bis 4,5 Zimmern haben es jedoch in sich: «Die Wohnungen sind auf Multimedia-Nutzer zugeschnitten», sagt Thomas Keller. «In jeder Wohnung ist ein Deckenaschluss und eine Projektionswand für Videobeamer vorgesehen.» Ein Bodenkanal entlang der Wohnzimmerwand und viele Leerrohre sollen den zukünftigen Bewohnern die Verkabelung von Surround-Anlage, Spielkonsole und Computer erleichtern. Zudem wird in jedem Zimmer eine Multimediadose installiert, die über einen zentralen Multimedia-Verteiler geschaltet werden und unter anderem den Anschluss ans Glasfasernetz ermöglicht. «Wir wollen mit den Wohnungen ein modernes, urbanes Publikum ansprechen», sagt Keller.
Die Tiefgarage mit 122 Plätzen, die unter dem Areal verläuft, teilen sich Mieter und Sony-Mitarbeiter. Oberirdisch entstehen 12 Besucherparkplätze für die Wohnungen und 16 für den Bürobau. Östlich des Wohngebäudes befindet sich zudem eine «Park-and-Ride»-Anlage mit 50 Parkplätzen.
Wie bei jedem Grossprojekt gab es auf dem Weg zur Realisierung einige Hindernisse zu überwinden: Unter dem Areal verlief eine Abwasserleitung mit 1,25 Metern Durchmesser. «Uns blieb nichts anderes übrig, als sie umzuleiten. Wir haben sie nun rund ums Gebäude geführt», sagt Bodmer. Zudem seien die Bauarbeiter auf dem ehemaligen Fussballplatz auf Altlasten gestossen, die entsorgt werden mussten. «Es handelte sich um schwach belastetes Aufschüttmaterial. Das Grundstück wurde vollständig dekontaminiert.» Die grössten Schwierigkeiten habe jedoch der zwei Meter breite Rietbachkanal gemacht, der am nördlichen Ende des Areals verläuft. «Den Kanal umzuleiten, wäre zu teuer gewesen», sagt Bodmer. Deshalb habe man das Wohngebäude so angelegt, dass das Gewässer daran vorbeifliesst. Beim dritten Gebäude wird das nicht mehr möglich sein: «Bei der zweiten Etappe werden wir den Kanal überbauen müssen», sagt Bodmer. Es dürfte also nicht das letzte Mal sein, dass auf dem ehemaligen Fussballplatz sportliche Leistungen gefragt sind.
Marcel Müller
Nachgefragt bei Rémy Voisard
Rémy Voisard ist Architekt bei der Steigerconcept AG.
Das Bürogebäude wird von einem Unterhaltungselektronik-Konzern genutzt. Hat diese Tatsche die Architektur des Gebäudes beeinflusst?
Ja, auf verschiedenen Ebenen: Bereits in der Entwicklung des städtebaulichen Konzepts wurde berücksichtigt, dass der neue Sony-Hauptsitz entstehen soll. So haben wir das Bürogebäude nicht direkt an die Strasse gebaut, sondern an die Bahnkante der SBB-Linie Bern-Zürich gesetzt. Das Gebäude steht prominent, die Ausstrahlung ist international.
Die Gebäudetypologie wurde auf die Bedürfnisse von Sony hin optimiert. Wir haben ein Layout entwickelt, das optimierte Arbeitsprozesse ermöglicht und genügend Raum für formelle wie informelle Kommunikation anbietet. Darüber hinaus ermöglicht die verglaste Fassade mit der eleganten Profilierung eine optimale Tageslichtnutzung für ein Ressourcen schonendes Arbeitsumfeld. Ein ökologischer Aspekt, der für Sony als zukunftsorientiert auftretendes Unternehmen wichtig ist.
Welche Vorgaben seitens der Stadt und des Ankermieters Sony mussten Sie beim Entwerfen der Überbauung berücksichtigen?
Die Gemeinde Schlieren wollte, dass Sony den Hauptsitz in Schlieren behält. Die Stadt hat den Anspruch, die Entwicklung des Gebiets nördlich der Bahngeleise auf einem hohen städtebaulichen Niveau zu fördern. Aufgrund des knappen Terminplans musste auf ein Gestaltungsplanverfahren verzichtet werden. Zudem wollte Sony einen nachhaltigen, attraktiven Hauptsitz zu einem guten Preis. Es handelt sich bei der Überbauung um eine Projektentwicklung von Steigerconcept mit Colliers. Wir arbeiteten schon in der Phase der Machbarkeit eng mit Sony und mit den Vertretern der Gemeinde zusammen. Resultat ist ein Massanzug, der die jeweiligen Bedürfnisse optimal erfüllt und für zukünftige Nutzer einen hohen Wert aufweist.
Wie war es möglich, dieses 55-Millionen-Projekt innert Jahresfrist zur Baureife zu entwickeln?
Nur durch das optimale Zusammenspiel von Gestaltern, Behörden, Entwicklern und Kostenplanern. Die Gemeindevertreter haben im Sinne eines Service public alles daran gesetzt, eigene prozessbezogene Fristen so kurz wie möglich zu halten. Auf der Planerseite wurden die Kommunikationswege kurz gehalten, die gestalterischen Leitideen früh formuliert und die Kosten phasengerecht ermittelt. Neben gegenseitigem Vertrauen und Respekt war auch wesentlich, dass alle Beteiligten die Bereitschaft hatten, einen überdurchschnittlichen Einsatz zu leisten.
Wie verlief die Zusammenarbeit mit Behörden und den am Projekt beteiligten Unternehmen?
Sehr gut. Die verschiedenen Vertreter der Behörden waren sehr gut aufeinander abgestimmt. Die Beteiligten sind als Team aufgetreten mit dem Ziel, das ambitionierte Projekt im vorgesehenen Zeitraum erfolgreich abzuwickeln. (mrm)