Sanierung des Mühlestegs in Zürich: Nachtschicht auf der Limmat
In der Werkstatt wurde der Zürcher Mühlesteg saniert und mit neuen, 100 Jahre haltbaren Bodenplatten ausgerüstet. Im Dezember wurde die Fussgängerbrücke über die Limmat in einer spektakulären Nachtschicht wieder eingehoben – in fünf grossen Teilen, deren längstes gegen 40 Meter misst.
Quelle: Ben Kron
Mitten in der Nacht: Das gegen 40 Meter lange, längste Teil der sanierten Brücke wird an seinen Platz gehoben.
Manchmal kann auch ein eher schlichtes
Bauwerk zum Publikumsliebling werden. So der Mühlesteg, eine kurze
Fussgängerbrücke über die Limmat, an der viele Zürcherinnen und Zürcher
buchstäblich hängen: Nach dem Vorbild des Pariser Pont Neuf brachten unzählige
Paare ihr «Liebesschloss» an den Seiten der Brücke an. Bald waren es Tausende.
Nicht wegen dieser Liebesschlösser, sondern
nach 40 Jahren Nutzung musste der Mühlesteg umfassend instand gestellt werden.
Einige Monate lang musste deshalb auf die rund 80 Meter lange Brücke verzichtet
werden, die das Niederdorf mit dem Zürcher Hauptbahnhof verbindet. Vorab aber
erhielten die Liebespaare die Gelegenheit, mit dem Trennschleifer ihre
Schlösser abzumontieren und zu retten. Denn bei den anstehenden Arbeiten hätten
diese doch erheblich gestört.
Quelle: Ben Kron
Vorarbeiten: Der 500 Tonnen schwere Kran, der eine Ausladung von 75 Metern erreicht, wird zwischen Strasse und Limmat aufgebaut.
Quelle: Ben Kron
Mit der Zürcher Altstadt und der erleuchteten ETH als Kulisse: Die beiden Pontons sind bereit für den Einbau der Brückenteile.
Spezieller Auftrag
Das Projekt übernahm die Arge «Tebru»,
bestehend aus der Gebrüder Brun AG, welche die Federführung innehatte,
und der Teko Oberflächentechnik AG. Dominik Burri, Projektleiter bei Brun: «Wir
waren für die Organisation, den Aushub und Wiedereinbau zuständig. Dazu haben
wir in der betriebseigenen Schlosserei die Stahlbauarbeiten, die Montage des
neuen Belags und des Seitenschutzes vorgenommen.» Der Arge-Partner Teko hatte
vorab den Oberflächenschutz abgestrahlt und anschliessend erneuert. «Das war ein
ganz spezieller Auftrag für uns», so Geschäftsführer Beat Kempf gegenüber der
«Urner Zeitung».
Der Zustand der Brücke war dabei generell
gut, wie Burri einschätzt. «Einzig die Endquerträger waren stark korrodiert und
mussten ersetzt werden.» Zusätzlich musste die Brücke mit zusätzlichen Trägern
verstärkt werden. Als Belag wählte das Zürcher Tiefbauamt als Bauherr
CPC-Platten (siehe Kasten unten). «Die in der Vergangenheit eingesetzten
Holzbohlen sind unterhaltsintensiv», erklärt Mario Rüttimann vom Ingenieurbüro
Bänziger Partner AG. «Aufgrund von positiven Erfahrungen des Zürcher Tiefbauamts
wurden diese CPC-Platten hier eingesetzt.»
Quelle: Ben Kron
Zuerst werden auf die Pontons die beiden Gondeln gehoben; erst danach folgen die langen Verbindungsteile der Brücke.
Quelle: Ben Kron
Das Brückenteil wird behutsam hochgehoben. Es darf keine Eigenschwingung erhalten, sonst könnte es ausser Kontrolle geraten.
Nächtliche Präzisionsarbeit
Der Einbau der 40 Millimeter starken, auf
Mass geschnittenen Belagsplatten, für die ebenfalls Brun verantwortlich war,
erforderte exaktes Arbeiten. Dominik Burri: «Alle rund 250 Teile wurden vorab
kontrolliert und nachgemessen, bevor wir sie nach Plan an ihrem Platz
montierten.»
Nach dem Abschluss der Sanierung kam die
Brücke in zwei Nachtschichten wieder an ihren angestammten Platz, in fünf
Teilen, die Just in Time von Tiefladern angeliefert und von einem 500 Tonnen
schweren Pneukran eingehoben wurden. Hierfür musste ein eigenes Krankonzept
erarbeitet werden, befand man sich doch direkt an der Ufermauer der Limmat.
Dazu waren Hublasten von bis zu 13 Tonnen bei einer Ausladung von 75 Metern zu
bewältigen. Präzisionsarbeit mitten in der Nacht.
Quelle: Ben Kron
Das Brückenteil ist an seinem Platz und wird montiert. Gutes Wetter und nur schwacher Wind begünstigten die Arbeiten.
Kampf mit wechselnden Wasserständen
Als Herausforderungen bei diesem Projekt
nennt Burri in erster Linie die sehr beschränkten Platzverhältnisse mitten in
Zürich. «Bauen im Fluss ist ebenfalls immer ein Thema, da wir auch mit sehr
variablen Wasserständen zu kämpfen hatten. Das hat die Erreichbarkeit der
beiden Baustellen mitten in der Limmat stark erschwert.»
Dazu wisse man bei einer Sanierung nie
genau, was man antrifft. «Erst nach dem Ausbau und dem Abstrahlen wussten wir
genau, in welchem Zustand die Brücke effektiv war.» Deshalb mussten alle
Projektbeteiligten grosse Flexibilität an den Tag legen, betont Burri, vom
Bauherrn bis zu dem Subakkordanten. «Wir mussten uns zusammensetzen und für das
Vorgefundene Lösungen erarbeiten. Was aber ausgezeichnet funktioniert hat.»
Nach einigen letzten Montagearbeiten wurde
der Mühlesteg schliesslich Anfang Dezember, rechtzeitig für das weihnächtliche
Publikum, feierlich wiedereröffnet. Und schon kurz darauf hingen wieder die
ersten Liebesschlösser an den Geländern der Brücke, was auch ausdrücklich
erlaubt ist. Das Tiefbauamt der Stadt Zürich hat Sinn für Romantik.
CPC-Platten
«Carbon Prestressed Concrete», mit Carbon
vorgespannter Beton, wurden von der Zürcher Hochschule für Angewandte
Wissenschaften Winterthur (ZHAW) und der CPC AG entwickelt. Die Betonplatten
werden mit nicht korrodierenden Karbonlitzen vorgespannt, was sie langlebig
macht. Beim Mühlesteg in Zürich sollen sie hundert Jahre halten.
Allein schon deshalb und wegen des geringen
Carbongehalts weist das Material eine sehr gute Ökobilanz auf. Ausserdem
benötigen die dünnen Platten, die 40 oder 69 Millimeter stark lieferbar sind,
viel weniger Material als herkömmliche Bauweisen, gemäss Hersteller bis zu 80
Prozent. Aufgrund des sehr geringen Gehalts an Carbon kann der Beton auch ohne
spezielle Aufbereitung rezykliert werden.
Kevin Staubli, Geschäftsführer der CPC
Solution AG, die das Material in der Schweiz vertreibt, kann bereits auf rund
150 Projekte mit dem Material verweisen. Und zwar vor allem in vier Bereichen:
Balkone, Modulbrücken, Beläge und Treppen- oder Podestelemente. Bald sollen
Anwendungen im Hochbau folgen, für Decken- und Wandsysteme. (bk)
Projektbeteiligte
- Bauherr: Tiefbauamt der Stadt Zürich
- Baumeister: ARGE «Tebru» (Gebrüder Brun AG, Emmen, Federführung, Teko Oberflächentechnik, Flüelen)
- Ingenieur: Bänziger Partner AG, Zürich
- Bauleitung: Go Bau AG, Baden
- Kranarbeiten: Toggenburger AG, Winterthur
- Pontons: Kibag AG, Stansstad
- Brückenlager: Hebag AG, Winterthur
- Beratung Korrosionsschutz, Stahlbau: SCE Gmbh, Hombrechtikon
Quelle: Ben Kron
Am nächsten Morgen: Der fast fertige Mühlesteg, an den noch letzte Montagearbeiten vorzunehmen sind. Hier noch vor der Eröffnung und deshalb noch ohne Liebesschlösser.
Quelle: Ben Kron
Am nächsten Morgen: Der Kran hat seine Arbeit getan und posiert als Fotosujet - in der folgenden Nacht wurde er wieder abgebaut.