Sanierung eines Doppelhauses in Volketswil: Stahlfachwerk im Wohnhausbau
Rudaz Architekten wandelten in Volketswil eine existierende Doppelhaushälfte zu einem nachhaltigen Wohnhaus um. Das Besondere des Gebäudes ist die Tragkonstruktion aus einem verschraubten Stahlfachwerk, was einen sortenreinen Rückbau ermöglicht. Dach und Fassade sind auf Nachhaltigkeit getrimmt. Eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach liefert den Strom für den Betrieb der Wärmepumpe.
Quelle: Lars Reinhardt
Stahl statt Holz. Das Fachwerk besteht aus einer Stahlkonstruktion.
In Volketswil wich die rechte Einheit eines Doppelhauses, erbaut wohl in den 1970er-Jahren, einem weitgehenden Neubau. Nur das Kellergeschoss einschliesslich der Erdgeschossbodenplatte wurde beibehalten. Die aufgehenden Wände sind mehrschalig aufgebaut, und die Tragkonstruktion der neuen aufgehenden Geschosse besteht aus einem demontierbaren Stahlfachwerk.
Die unproblematische, sortenreine Zerlegung des Hauses am Ende seiner Nutzungsdauer war für den Architekten Demian Rudaz und sein Planungsteam das zentrale Kriterium für diese Art der Tragstruktur. Deshalb sind alle Stahlträger grundsätzlich nicht miteinander verschweisst, sondern lediglich verschraubt. Für die Stützen wurde IPB 160 und für die Dachsparren IPE 120 verwendet.
Quelle: Lars Reinhardt
Vier Gewerke auf einen Blick (v.l.n.r.): Dachstuhl mit Lehmgefachen, Holzbau, Fassadensteine und Gerüstbau.
Besucher sollten die stählerne Natur des Bauwerks kaum wahrnehmen, was schon in der Planungsphase berücksichtigt wurde. Deshalb entschlossen sich die Architekten, an wenigen und durchaus prominenten Stellen die Konstruktion zu zeigen. So finden sich in der Wohnküche und im Flur zwei in die Wand integrierte Stützen, die aber nicht verkleidet sind.
Oberhalb der besagten Küchenstützen werden zudem die Verschraubungen mit den anschliessenden Unterzügen gezeigt. Eine zweite Stelle findet sich an der äusseren Südostecke des Gebäudes, wo eine verglaste Wandöffnung um diese Ecke herumläuft und durch zwei Fenster verschlossen wird. Diese sind durch eine offen gezeigte Stahlstütze voneinander getrennt.
Strom vom Dach für Wärmepumpe
Auch der Dachstuhl, der wie eine klassische Zimmermannsarbeit aufgebaut ist, besteht aus einer verschraubten Stahlkonstruktion. Die Sparren werden in der Untersicht gezeigt, ihre Abkofferung etwa mit Gipskartonplatten war aus Brandschutzgründen nicht erforderlich. Interessant ist, dass auch die Gefache zwischen den Stahlsparren mit Lehmplatten verschlossen sind. Auf diesen Stahlsparren wurden drei Zentimeter starke Grobspanplatten, sogenannte Oriented Strand Boards (OSB) montiert, auf die ein Zimmermann die mineralische Dämmung aufbrachte.
Quelle: Robert Mehrl
Küchenbereich des künftigen Wohnzimmers. Dieser ist dem Garten zugewandt. Links im Bild der inszenierte Träger der Obergeschossdecke, oben sind die stählernen Dachsparren erkennbar, Dazwischen die darin eingehängten Lehmplatten.
Nach der obligaten Dampfsperre wurde auf der Nordwestseite der neuen, traufständigen Doppelhaushälfte ein Dachabschluss in Form von Heraklitplatten angelegt, während auf der Südostseite eine dachintegrierte Photovoltaikanlage installiert wurde. Daher sind unter den PV-Elementen keine Dachsteine verlegt, sondern in diesen Bereichen nur eine Dachbahn eingebracht wurde. Beheizt wird der Bau über eine Wärmepumpe, die ihren Strom aus diesen Elementen bezieht. Ursprünglich war eine Kombi-Anlage des deutschen Herstellers Viessmann in der Planung, die jedoch in der Schweiz noch keine Zulassung hat.
Ausgeklügelte Lehmfassade
Die nur zehn Zentimeter starke Fassade besteht aus sogenannten Lehmsteinen, die das Format 80 mal 15 mal10 Zentimeter aufweisen. Aus formalen Gründen entscheiden sich die Architekten bewusst für dieses extrem langgestreckte Format, das durchaus auch eine Erschwernis beim Einbringen darstellte, wie Lars Reinhardt, Projektleiter bei Rudaz Architekten einräumt. Die Lehmsteine, so erläutert er, bestehen lediglich aus Bodenaushub, dem minimal Zement beigeben und dann erdfeucht verpresst wird. Innenseitig wurde statt mit Gipskartonplatten mit Lehmplatten gearbeitet. Dazwischen befindet sich neben der Stahlkonstruktion die Hauptdämmebene aus herkömmlicher Mineralwolle. Zusätzlich wurden die Stahlträger mit einer ergänzenden und vier Zentimeter starken Dämmung hin zu den äusseren Lehmsteinen gedämmt.
Quelle: Robert Mehl
Sparrenuntersicht im künftigen Ankleidezimmer.
Diese Stärke entspricht dem Luftraum, der zwischen der regulären Dämmung, die zwischen den Stahlträgern sitzt, und den Lehmsteinen angelegt wurde. Nach aussen hin orientiert wurde auf diese Dämmebene ebenfalls eine Dampfbremse appliziert. Im Gegensatz zu einer Dampfsperre wird diese als atmungsaktiv eingestuft. Auf diese Weise werden mit Dach und Fassade eine thermische Verzögerung erreicht, die man in modernen Wohnhäusern in diesem Ausmass nur selten antrifft. Dabei werden Erwärmung und Auskühlung jeweils verlangsamt.
Decken wie Dachkonstruktion
Analog zur Dachkonstruktion wurden die Geschossdecken ausgeführt. Die Dachsparren bestehen aus Stahlträgern (IPE 140) und in einem Achsabstand von 80 Zentimetern montiert. Und auch hier wurden die Zwischenfelder mit Lehmplatten ausgefüllt. Deren Einbau erfolgte an dieser Stelle lediglich aus formalen Gründen, da sie eine mit den Stahluntergurten hinreichend bündige Deckenuntersicht bilden. Der eigentliche Fussboden, ein Anhydridestrich, ruht auf weiteren, hölzernen OSB-Platten, die unmittelbar auf den Stahlträgern der Geschossdecke aufliegen.
Quelle: Robert Mehl
Nahaufnahme der Gebäudesüdostecke, rechts im Hintergrund der künftige Terrassenbereich.
Die 80 Zentimeter breiten und 40 Zentimeter tiefen Lehmtafeln wurden erst längs der Profile in das jeweils offene Gefach gehoben und dann um 90 Grad quer zur Profilausrichtung verschwenkt. Das Prozedere geschah bis zum letzten Meter, wo dann für ein Verschwenken der Platz nicht mehr ausreichte. Um dennoch die Lehmtafeln einhängen zu können, entschieden die Planer, in diesem Bereich den oberen Horizontalgurt des Stahlprofils auszuklinken und die letzten drei Tafeln nach ihrem Einführen in das Deckengefach zunächst übereinander zu stapeln, um sie dann von dort vorsichtig in ihre Endposition zu verschieben, wo man sie einfach nach unten sacken liess.
Schnell und nachhaltig gebaut
Den Bauauftrag erhielt das Architekturbüro im Herbst 2020 und reichte den Bauantrag Anfang 2021 ein. Im Frühjahr 2021 wurde die Baugenehmigung erteilt und mit der Ausführungsplanung begonnen. Die Abriss- und die Rohbauarbeiten im Kellerbereich zogen sich über den Sommer 2021 hin. Im Spätherbst 2021 wurde dann an nur drei Tagen das tragende Stahlfachwerk gestellt.
Nach einer kurzen Winterpause konnte im Frühjahr 2022 das Lehmmauerwerk hochgezogen und mit dem Innenausbau begonnen werden. Bei diesem handelt es sich, obwohl auch hier Tafelelemente aus Lehm verwendet wurden, um reine Trockenbaumassnahmen. Lars Reinhardt zeigt sich sehr beglückt, dass mit dem raschen Stellen des Tragwerks die der Witterung schutzlos ausgesetzten Aussenarbeiten zeitlich auf ein Minimum reduziert werden konnten.
Quelle: Robert Mehl
Architekt Demian Raduz (links) und sein Bauleiter Lars Reinhardt (rechts
Ziel der Architekten ist es, bei einem Ende der Nutzungsdauer des Gebäudes ein sortenreines Recycling so einfach wie möglich zu gestalten. Insbesondere die Verarbeitung von feuerverzinktem und dann lediglich lackiertem Stahl unterstützt diesen Anspruch elementar. Im Gegensatz zu allen denkbaren Kompositprodukten wird mit der Vorgehensweise ein grosser Beitrag für eine hohe Wertstoffreinheit geleistet.