Recycling: Wie PVC-Fenster wieder verwertet werden
Zirka 1,84 Millionen Fensterflügel sind schweizweit im Jahr 2022 abgesetzt worden. Ein Grossteil davon waren Kunststoff-Fenster, das zeigen Zahlen des Statistikportals www.statista.com. Ihr Potenzial für Recycling ist gross.
Von Jörg Pfäffinger
Untersuchungen aus dem Jahr 2000 weisen insgesamt 41 Prozent PVC-Fenster aus, von diesen sind wiederum 55 Prozent bei Renovierungen eingesetzt worden. Aktuell dürften es mehr sein. Besonders Wohnbaugesellschaften entschieden sich oft aus wirtschaftlichen Argumenten für dieses Material. Doch sind PVC-Fenster ökologisch?
Der Fensterhersteller Smartwindows AG hat 2023 für eines seiner PVC-Fenster-Systeme das Eco-1-Zertifikat der Ecobau erhalten, als einziger Anbieter in dieser Materialklasse in der Schweiz. Die Argumente dafür waren der PVC-Recyclat-Anteil von bis zu 70 Prozent und die Tatsache, dass der Rohstoff ohne Qualitätsverlust bis zu acht Mal wiederverwertet werden kann. Die energieoptimierte Produktion und ein effizientes Transport- und Sammelsystem waren ebenfalls ausschlaggebend für die Zertifizierung. Die Aufarbeitung des Granulats erfolgt in Deutschland bei Veka Umwelttechnik und der Fensterhersteller Veka fertigt aus dem Recycling-Granulat den Kern der Neufenster-Profile.
Natürlich nutzt der Hersteller die Auszeichnung für sein Marketing, denkt aber über seine Firmeninteressen hinaus, denn er will in Kooperation mit Unternehmen und Institutionen den Weg des PVC-Fenster-Recyclings auch für andere Fensteranbieter gangbar machen: Dank des Programms «Windows for Zero Emission» (W4ZE) sei eine Recyclingquote von 80 Prozent möglich, wenn entsprechende Schritte gemeinsam erfolgten. Den Fahrplan hierfür liefern einerseits die Erfahrungen in Sachen Ecobau-Zertifizierung und andererseits die involvierten Unternehmen und Institutionen.
Recycling Unternehmer Robert Moser: «Wir Recycler standen immer schon parat»
Quelle: Moser
Ausgebaute Fensterrahmen warten auf dem Areal des Recyling Centers auf ihre Weiterverwertung.
Das Unternehmen Moser Recycling Center betreibt das Recyceln von PVC-Fenstern nach eigenen Angaben schon seit über 15 Jahren. Der Firmeninhaber Robert Moser kommt aus der PVC-Fensterindustrie und hat diesen Gedanken mit verschiedenen Schweizer Fensterbauern umgesetzt und Absatzkanäle gefunden und ausgebaut. In den letzten Jahren sei der Umweltgedanke wie zum Beispiel CO2-Einsparungen der einzelnen Betriebe dazu gekommen.
In den letzten Jahren sei der Umweltgedanke wie zum Beispiel
CO2-Einsparungen der einzelnen Betriebe dazu gekommen. «Wir bearbeiten
verschiedene Märkte: einerseits die Fensterproduzenten, andererseits die
Recycler, die das Material annehmen, die Muldenunternehmen und die
Fenster ausbauenden Firmen», erklärt Robert Moser. Jeder dieser Märkte werde
von ihm wegen der individuellen Anforderungen einzeln bearbeitet. «Der
Fensterbauer zum Beispiel kann seine Aktivitäten, alte Fenster auszubauen
und dem Recycling zuzuführen, statt sie zur Entsorgung zu bringen, für
sein Marketing einsetzen – er hilft also damit, den CO2-Abdruck zu
reduzieren und kann das kommunizieren», so Moser weiter. «Um das
voranzubringen, sind vor allem die Recycler gefordert, sie sollten erkennen,
dass hier ein neuer Markt mit wertvollen Rohstoffen entsteht. Wir arbeiten
mit verschiedenen Recyclern in der ganzen Schweiz zusammen. Diese
Unternehmen bekommen Geld für ihr Aufarbeiten der Altfenster,
beispielsweise für das Entfernen des Glases.»
Nach Mosers Meinung ist die Schweiz ein zu kleiner Markt, um
die komplette Aufbereitung bis hin zur Granulaterstellung zu realisieren:
«Aber sie ist gut dafür, das Altmaterial zu sammeln, grob zu zerkleinern,
zu schreddern, aufzubereiten und ohne grosse Anhaftungen transportfähig zu
machen und diese Reste zur Veka Umwelttechnik nach Deutschland zu bringen
zur endgültigen Aufbereitung. Das ist der momentane Stand.» Das Recycling
als ökologischer Aspekt sei von vielen Betrieben bisher unterschätzt worden,
daher ist laut Moser derzeit nur «smartwindows» mit dem «eco1»-Zertifikat
ausgezeichnet. «Wir Recycler standen immer schon parat, wurden aber von der
Politik nicht unterstützt. Wir arbeiten zum Beispiel mit dem KATZ zusammen, um
die Fachwelt darüber zu informieren, dass es ein gut funktionierendes Recycling
gibt. Diese Fachleute müssen verstehen, dass PVC-Altfenster keinen Abfall
darstellen. Und Rohstoff sollte man nicht entsorgen.»
90 Prozent Material wiederverwerten
Alle am Prozess Beteiligten müssten über diesen Weg
informiert werden, führt Moser weiter aus. «Daher sind wir im Verbund Window 4
Zero Emission. Darüber hinaus gestalten sich unsere Kontakte mit den Kantonen
Thurgau und St. Gallen
positiv.» Der Anteil von PVC-Recycling der Fenster
wird mit mindestens 10 000
Tonnen angegeben. Wie Moser erklärt, ist dies
seiner Meinung nach zu tief gegriffen. «Wenn ich davon ausgehe, dass in den 80gern der Trend zum PVC-Fenster begann, gibt es seither einen grossen Bestand
an eingebauten derartigen Fenstern. Bei den PVC-Fenstern können wir 90
Prozent der Materialien – PVC, Glas, Metall – wiederverwenden,
Holzfenster dagegen gehen fast immer in die thermische Entsorgung. Das
ist leider auch bei PVC-Fenstern der heute übliche Weg.»
Um dies zu ändern, ist laut Moser eine Lenkung durch den Staat nötig: «Das Material geht von der Schweiz in die EU und weil es Verbundstoffe sind, wird es als Recyclingprodukt exportiert. Dafür benötigen wir eine grenzüberschreitende Notifikation. In der Schweiz ist der Bund dafür zuständig. Dies ist sehr aufwändig, sogar die Fahrtroute wird vorgeschrieben. Allerdings gibt das die Sicherheit, dass es auf vorgeschriebene Weise abläuft und und dass es zu Fenstergranulat verarbeitet wird. PVC ist ein hochwertiges und langlebiges Material und es sollte dort eingesetzt werden, wo es vorher war, nämlich im Fenster.»
Granulat-Hersteller Alexander Möhne: «Wir wünschen uns, dass das Material mehrfach in den Kreislauf geht»
Quelle: Veka
Rohmaterial für neue Fenster: Ausgediente Fenster werden geschreddert.
Alexander Möhne ist Leiter Vertrieb Input, Veka Umwelttechnik
GmbH. Im Interview erklärt er, worum es bei der Herstellung von Granulat
geht. - Die Veka
Umwelttechnik in Deutschland eröffnete 1993 ihr Werk für Recycling und
Produktion von PVC Granulat, das durch Schreddern und Einschmelzen
entsteht.
Was sind Ihre Aktivitäten in der Schweiz?
Auch in der in der Schweiz gibt es aktuell viele Kunststofffenster, die ausgebaut werden müssen. Viele dieser Altfenster gehen in die Verbrennung - das wollen wir vermeiden, und wir wünschen uns, dass das Material mehrfach in den Kreislauf geht. Hierfür
ist die Ecobau-Zertifizierung sehr gut, weil damit die Öffentlichkeit
informiert wird, dass wir einen der wenigen funktionierenden Kreisläufe
haben, die im Baustoffbereich und besonders im Kunststoffbereich
existieren. VEKA beschäftigt sich mit Recycling nicht, weil es aktuell
im Trend liegt, sondern schon seit über 30 Jahren. Neu ist für uns
lediglich, dass wir jetzt auch in der Schweiz Altfenster sammeln. Es
lohnt sich für uns nicht, dort selbst zu recyceln, dafür sind die Mengen
zu gering. Aber wir sind dabei, in der Schweiz ein flächendeckendes
Netzwerk aufzubauen. Eine Herausforderung ist das Thema
grenzüberschreitende Abfallverbringung, denn wir befinden uns mit dem
Transport von PVC-Altfenstern im Abfallrecht. Altfenster und auch
Profilabschnitte aus Neuware, die beim Zuschnitt von Fensterprofilen
anfallen, dürfen neuerdings ohne Notifizierung nicht über die Schweizer
Grenze gebracht werden. Diese Vorschrift ist zeitaufwändig und teuer:
Jede einzelne Lieferung muss dafür angemeldet werden. Aber das nehmen
wir auf uns, weil es der einzige Weg ist, um das Material in den
Kreislauf zu bringen.
Wie schätzen Sie das Recycling-Aufkommen in der Schweiz ein?
In der Schweiz wird viel thermisch verwertet, zudem ist auch der Innerschweizer Transport
sehr teuer. Wir sind dabei, einen Mentalitätswechsel herbeizuführen.
Dabei hilft die Ecobau-Einordnung. Bei allen ökologischen Vorteilen
entscheidet schließlich der Kostenfaktor. Hier könnten auch politische
Entscheidungen wie ein Verbot der Verbrennung eine Änderung
beschleunigen. Seit 2005 gibt es in Deutschland eine Technische Anleitung Siedlungsabfall, was dort einem Deponieverbot gleichkommt, Ausnahmen gibt es nur für innerte Abfälle. Das hat sich
auf unsere Aktivitäten positiv ausgewirkt, das Verbrennen wird zwar
weiter praktiziert, aber auf deutlich niedrigerem Niveau.
Wie hoch ist die Recycling-Rate?
In Deutschland veröffentlicht Rewindo Zahlen, abgestuft nach erfass- und verfügbar. Hieraus ergibt sich eine Wiederverwertungsquote von rund 90 Prozent. Es gibt Altfenster, die für das Recycling nicht verfügbar sind, weil sie zum Beispiel im Baumischabfall in die Verbrennung gehen. In der Schweiz gibt es dazu fast keine Daten, wir schätzen die anfallenden PVC-Abfälle dort auf einige tausend Tonnen.
Sie kooperieren in der Schweiz mit Smartwindows?
Das Unternehmen kauft von Veka Profile mit unserem Recycling-Kern und erstellt daraus neue Fenster. Wir erhalten Produktions-Abschnitte und PVC-Altmaterial von Smartwindows und von anderen Firmen. So wird der Materialkreislauf geschlossen. «Windows
for Zero Emission» nennt sich das Recycling-Konzept in der Schweiz, das
wir mit Smartwindows zusammen entwickelt haben. Dazu haben wir auch
Recycling-Partner, die Altfenster sammeln. Alle Beteiligten wollen das
Gleiche: dass das Material in den Kreislauf zurückgegeben wird. Gerade
in der Schweiz wird PVC zu oft noch thermisch verwertet. Auch die Verbrennungsanlagen sind mit dem Material nicht glücklich, denn es
entsteht Salzsäure bei der Verbrennung, die aufwändig neutralisiert
werden muss. Das ist teuer und nicht alle Anlagen sind dafür geeignet.
Ist PVC giftig?
Schon lange wird PVC nicht mehr mit Schwermetallen wie Blei oder Cadmium stabilisiert.
Bei manchen angelieferten Materialien aus der Vergangenheit sind diese
Stoffe jedoch noch enthalten. Sie bleiben aber nachweislich in der
Matrix eingebunden und migrieren nicht. Je öfter das Material recycelt
wird, desto mehr verdünnen sich die Anteile der enthaltenen
Schwermetalle. 99 Prozent des Granulats geht wieder in Fenster, denn wir
wollten nie ein Downcycling betreiben, sondern das Material wieder zu
Fenstern verarbeiten, damit dieser Kreislauf geschlossen ist.
Wie kann der Rücklauf von Fenstern in der Schweiz noch besser organisiert werden?
In der Ostschweiz läuft das sehr gut, in der Westschweiz einigermaßen gut und im
Norden auch. Weisse Flecken gibt es aktuell noch im Tessin. Die
Notifizierung bei grenzüberschreitendem Transport ist eine
Herausforderung. Wir bündeln die Materialströme über zwei Partner, die
die Notifizierung besitzen. Wegen der Notifizierung ist der Transport
auch innerhalb der Schweiz sehr teuer. Die Schweiz ist nicht in der EU
und nur innerhalb der EU ist der Transport auf Grundlage eines
vereinfachten Verfahrens möglich.
Rémy Stoll vom KATZ: «Es werden zu wenig alte Kunststoff-Fenster dem Recycling zugeführt»
Quelle: KATZ
Das Kunststoff Ausbildungs- und Technoloigiezentrum in Aaaau bietet Weiterbildungsmöglichkeiten und vermittelt Fachwissen. Träger des KATZ ist ein Verein mit etwa 200 Mitgliedern, mehrheitlich Unternehmen der Kunststoffbranche.
Die Aufgabe des Kunststoff-Ausbildungs-Technologie-Zentrum (KATZ) ist es, die Kunststoffbranche zu unterstützen, insbesondere die kleinen und mittleren Unternehmen, die nicht so viele Ausbildungs- und Entwicklungsressourcen haben.
«Alles was wir tun, auch für Fenster,
fliesst auf verschiedenen Wegen in unser Ausbildungstätigkeit hinein und
in die Technologie-Transfer-Tätigkeit auch. Das Thema
Werkstoff-Kreislauf hat seit diesem Jahr bei der Ausbildung der
Kunststofftechnologen noch mehr Gewicht erhalten. Durch Projekte wie
Window for Zero Emission (W4ZE) fliessen Erkenntnisse aus der Praxis
sehr schnell in unsere Ausbildung ein», erläutert Rémy Stoll.
«Es
werden zu wenig alte Kunststoff-Fenster dem Recycling zugeführt, so
kamen wir mit Smartwindows in Kontakt. Wir wollen das Material im
Kreislauf behalten und Wege suchen, diesen Anteil zu erhöhen», erzählt
Stoll. «Man muss die Quelle anzapfen, man muss dann die Qualität dieses
Materials qualifizieren können, um festzustellen, ob es vom Alter her
noch recycling-tauglich ist. Diese Fragen können wir beantworten und wir
wollen in diesem Projekt, was wir gemeinsam gestartet haben,
weiterkommen. Wir wissen, dass mit dem Thema PVC vor allem in der
Vergangenheit, bestimmte negative Begriffe verbunden waren und sind. Da
geht es um gesundheitsgefährdende Stoffe, die verwendet wurden oder bei
der Verbrennung entstehen. Dabei geht es um Fragen, die von der
Industrie korrigiert wurden und die heute anders gehandhabt werden als
noch vor zehn Jahren.» PVC wird laut Stoll oft auch mit gesundheits- und
umweltschädlichen Weichmachern in Verbindung gebracht, die in
Fensterrahmen nicht enthalten sind: «Die Biotoxizität bestimmter
Weichmacher-Klassen hat man erst später erkannt und hat sie überall
ersetzt, wo sie eingesetzt wurden. In der PVC-Debatte hat sich viel
geändert. Die Industrie in Europa hat sich stark und proaktiv umgestellt
und diverse Gifte eliminiert.» Laut Stoll hat sich die gesamte
chemische Erzeugung in den letzten Jahren so optimiert, dass kaum
Abfälle entstehen und dass überall, wo ein zweites Produkt entsteht, für
dieses zweite Produkt eine Verwendung vorhanden ist. «Das sind
vernetzte Systeme, die miteinander zusammenhängen. Wenn man die
Produktion von PVC einstellen würde, gäbe es zu wenig Natronlauge. Diese
braucht es für die Produktion von Waschmitteln, Papier und Zellstoff»,
sagt Stoll.
Wie Stoll erklärt ist eine der Herausforderungen bei
der Umsetzung des umfassenden Recycling-Projekte, dass viele Unternehmen
am Materialkreislauf beteiligt sind: «Im Projekt werden wir den
Kreislauf nachbilden und im Technikum analysieren. Erst dann wird man
sehen, wo das grösste Hindernis liegt. In der Entwicklung schaut man, wo
man mit geringstem Aufwand den grössten Effekt erzielen kann. Das Ziel
bleibt: mehr Material im Kreislauf zu halten. Ich kann heute noch nicht
sagen, an welchem Ort wir ansetzen, um den grössten positiven Effekt zu
erzielen.» Zudem seien die Fragen, die bei W4ZE im Umfeld der Fenster
bewegten auch finanzieller Natur. «Ob eine Energieeffizienz-Sanierung
bei gleichwertiger Qualität für 50‘000 Franken zu realisieren ist oder
für 200‘000 Franken macht einen Unterschied. Für den Bau sind das starke
Argumente und sie wirken sich direkt darauf aus, wie schnell der
Schweizer Gebäudepark saniert wird – sowohl im Bereich der privaten
Wohnbauten wie bei Mietobjekten.»
PVC-Fenster-Recycling aus Sicht der Wissenschaft
Quelle: Smartwindows
Eine Smartwindows Classico Musterecke: Dieses PVC-Fenster erhielt das eco1-Zertifikat.
Die Fachhochschule Nordwestschweiz begleitet mit Rolf Meyer das Projekt aus ökonomischer Sicht.
«Es geht um die Frage, ob oder unter welchen
Bedingungen das Recycling von PVC-Fenstern aus ökonomischer und
ökologischer Sicht Sinn macht», heisst es dort. Ökologisch, insbesondere
mit Fokus auf den CO2-Ausstoss, mache das Recycling Sinn; selbst dann,
wenn das Material über hunderte von Kilometern zu einer entsprechenden
Recycling-Anlage transportiert werden müsse. Anders sieht es im Moment
noch aus finanzieller Sicht aus: «Denn dort machen sehr weite Transporte
das Recycling (zu) teuer. Ob sich in der Schweiz eine eigene
Aufarbeitungs-Anlage wie in Thüringen rechnen würde, wird in der
nächsten Phase genauer analysiert.»